Einige Vertreter der Fed haben bereits angedeutet, dass die Zinssenkung vom 18. September möglicherweise erst der Anfang war und weitere Senkungen folgen könnten. Sie sehen den vorherigen Leitzins von 5,25–5,50 % als zu restriktiv an und haben diesen bereits um 50 Basispunkte auf 4,75–5,00 % gesenkt.
Dennoch halten sie dieses Niveau weiterhin für restriktiv. Laut der aktuellen Wirtschaftsprognose der Fed (Summary of Economic Projections, SEP) vom 18. September sind die Entscheidungsträger weitgehend einer Meinung, dass der Leitzins in den kommenden Jahren auf etwa 2,9 % sinken könnte – eine Schätzung, die den Langfristzins in Einklang mit der Inflation bringt.
In der Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen wird dieses Niveau wie folgt definiert:
"Die längerfristigen Projektionen stellen die Einschätzung jedes Teilnehmers dar, zu welcher Rate die einzelnen Variablen bei einer angemessenen Geldpolitik und ohne weitere Schocks für die Wirtschaft konvergieren sollten.
Die Projektionen für die Fed Funds Rate entsprechen dem Mittelwert des projizierten angemessenen Zielbereichs für die Fed Funds Rate oder dem projizierten angemessenen Zielniveau am Ende des angegebenen Kalenderjahres oder auf längere Sicht".
Mit anderen Worten: Wir sprechen hier über die Einschätzung der Fed zum so genannten "neutralen" Leitzins (als r-Stern oder neutraler Zinssatz wird der theoretische Leitzins bezeichnet, zu dem eine Zentralbank die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst). Wir haben diesen Satz oft als ein theoretisches Konzept bezeichnet, das keinen realistischen Nutzen hat. Alle sind sich einig, dass er nicht gemessen werden kann und wahrscheinlich nicht konstant ist.
Die jüngste SEP zeigt, dass selbst unter den 19 Teilnehmern der FOMC-Sitzung kaum Einigkeit herrscht, deren Schätzungen für diesen langfristigen Zinssatz zwischen 2,37 % und 3,75 % liegen. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung gehen wir davon aus, dass dieser Zinssatz derzeit bei 4,00 % und wahrscheinlich darüber liegt. Hier sind einige Gründe dafür:
1. Wirtschaftswachstum trotz geldpolitischer Straffung
Wichtig: Trotz der Straffung der Geldpolitik ist die Wirtschaft weiter gewachsen. Es herrscht Vollbeschäftigung.
Die Inflation ist zurückgegangen, ohne dass es zu einer Rezession gekommen ist. Der Teil des doppelten Mandats der Fed, der den Arbeitsmarkt betrifft, wurde zweifellos erfüllt. Die Inflation nähert sich zügig dem Fed-Ziel von 2,0 %. Mit anderen Worten: Die robuste Konjunktur deutet darauf hin, dass der neutrale Leitzins, wenn es ihn denn gibt, erreicht ist.
2. Anstieg der Produktivität
Die Produktivität zeigt, wie erwartet, positive Entwicklungen und wächst aktuell mit einer jährlichen Rate von 2,7 %, was über dem langfristigen Durchschnitt von 2,1 % liegt.
Diese gesteigerte Produktivität hat dazu beigetragen, dass die Lohnstückkosten im 2. Quartal 2024 nur um 0,3 % gestiegen sind – ein wesentlicher Faktor für das Abflachen der Inflation
3. Starkes reales Wirtschaftswachstum
Ein über den Erwartungen liegendes Produktivitätswachstum kurbelt auch das reale Wirtschaftswachstum an und hält gleichzeitig die Inflation im Zaum. Je schneller also das Produktivitätswachstum ist, desto höher müssen sowohl der nominale als auch der reale Leitzins sein.
Fazit
Das Produktivitätswachstum kann einer der wichtigsten Faktoren bei der Bestimmung des neutralen Zinssatzes sein. Zweifellos gibt es viele andere Faktoren, darunter das Haushaltsdefizit des Staates.
Dieses hat in den letzten drei Jahren in einer Phase soliden Wirtschaftswachstums einen Rekordwert erreicht. Dennoch hat sich die Inflation abgekühlt. Hohe Haushaltsdefizite haben das Wirtschaftswachstum angekurbelt und die rezessiven Effekte einer strafferen Geldpolitik ausgeglichen.
Auch hier muss die Schlussfolgerung lauten, dass der neutrale Zinssatz durch die Fiskalpolitik der gegenwärtigen Regierung erhöht wurde. Die Fed-Mitglieder werden dies möglicherweise abstreiten, weil sie so sehr darauf bedacht sind, unpolitisch zu sein, dass sie eine Diskussion über die Fiskalpolitik vermeiden.
Wenn die Fed den Leitzins weiter senkt, wird die Geldpolitik höchstwahrscheinlich eine Wirtschaft stimulieren, die das gar nicht nötig hat. Die Folge könnte ein Wiederaufflammen der Preis- und auch der Vermögenspreisinflation sein. Genau das passiert derzeit an den Aktienmärkten.