Die Gesundheitsbehörden haben zwar immer noch Bedenken wegen der Risiken, die von der Coronavirus-Pandemie ausgehen, aber die Anleiheinvestoren befreien sich aus ihrem Lockdown und sind bereit, mehr Risiko für höhere Renditen einzugehen. Die Renditen von US-Treasuries und anderen sicheren Häfen wie deutschen Staatsanleihen stiegen zuletzt kräftig an, weil die Anleger diese defensiven Anleihen gegen risikoreichere Schuldverschreibungen eintauschten.
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am vergangenen Donnerstag, dass Pandemie-Notkaufprogramm um 600 Milliarden Euro zu erhöhen, hat den Investoren die notwendige Sicherheit gegeben, dass sich die Renditen italienischer Anleihen und anderer risikoreicherer Anleihen stabilisieren werden, da die Zentralbank diese weiter aufkauft.
Die italienische Zehnjahresrendite stürzte von etwa 1,6 Prozent vor der EZB-Ankündigung auf 1,4 Prozent ab, bevor sie sich am Montag auf etwa 1,45 Prozent erholte.
In den USA löste der starke US-Arbeitsmarktbericht eine Stampede, also eine Fluchtbewegung, aus US-Staatsanleihen aus. Die US-Wirtschaft schuf per Berichtsmonat Mai überraschend 2,5 Millionen Jobs, während die Arbeitslosenquote auf 13,3% sank.
Die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihe schossen nach dem Jobbericht am letzten Freitag um 11 Basispunkte auf 0,926 Prozent nach oben. Auf Wochenbasis erhöhte sich die Zehnjahresrendite um 30 Basispunkte. Die Renditen bewegen sich invers zu den Anleihekursen, so dass eine steigende Rendite niedrigere Anleihekurse signalisiert, da die Anleger die supersicheren Anleihen gegen höher rentierende Wertpapiere verkauften.
Die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihen gewann am Freitag um 10 Basispunkte auf 1,723 Prozent, so dass sich die Zinsstrukturkurve entsprechend versteilte. Die Treasury-Renditen tendierten am Montag vor der Sitzung der Federal Reserve am Dienstag und Mittwoch weitgehend unverändert.
In der Zwischenzeit ist das zehnjährige deutsche Zinspapier als Reaktion auf die EZB-Maßnahmen sprunghaft angestiegen und schloss die Handelswoche bei -0,27%. Zum 1. Juni stand die Referenzrendite noch bei -0,393%. Dies sorgte für eine deutliche Einengung des Spreads mit den 10-jährigen italienischen Staatsanleihen, der von über 190 Basispunkte auf 172 Basispunkte abstürzte.
Gleichzeitig versteilte sich die Renditedifferenz zwischen den zweijährigen und 10-jährigen US-Staatsanleihen um 10 Basispunkte auf etwa 72 Basispunkte am Freitag und markierte damit den höchsten Stand seit 2 Jahren. Allein in der letzten Woche stieg der Spread um 25 Basispunkte. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Anleger zuversichtlich in Bezug auf eine bevorstehende kräftige Konjunkturerholung sind. Das Gerede über eine V-förmige Erholung rückt damit wieder in den Vordergrund.
Der sich ausweitende Spread hat zu Spekulationen darüber geführt, dass die Fed eine Art von Zinskurvenmanagement zur Steuerung der kurz- und langfristigen Zinsen implementieren will, um die Geldpolitik noch flexibler und nachhaltiger zu machen. Je deutlicher die Zinsen im langlaufenden Bereich über den kurzen Zinsen liegen, desto besser für die Banken. Einige Investoren glauben jedoch, dass es für solche Maßnahmen noch zu früh ist.
Jedenfalls hat sich der Spread zwischen zwei- und zehnjährigen US-Renditen am Montag auf etwa 65 Basispunkte verringert. Der Spread zwischen der 10-jährigen und der 30-jährigen Anleihe ist im laufenden Monat ebenfalls deutlich steiler geworden und erreichte am Freitag etwa 90 Basispunkte, nach gut 65 Basispunkten Ende Mai.
Eine Versteilung der Zinsstrukturkurve - was bedeutet, dass die längerfristigen Renditen schneller steigen als die kurzfristigen (d.h. die Anleihekurse sinken relativ schnell) - kann auf die Erwartung einer kräftigen Erholung der Konjunktur und vielleicht auch auf die Erwartung einer steigenden Inflation hinweisen.
Als die Zinsstruktur letztes Jahr invers wurde - festverzinsliche Wertpapiere mit langer Restlaufzeit rentieren niedriger als Papiere mit kürzerer Restlaufzeit - zeichnete sich eine Rezession am Konjunkturhimmel ab. Keiner hätte aber damit rechnen können, dass ein Virus aus China die US-Wirtschaft in einen historischen Abschwung schicken würde. Wie dem auch sei: die Zinskurve hat sich wieder einmal als zuverlässiges Signal für eine drohende Rezession herausgestellt. Nun könnte es genau anders herum sein und die Zinskurve zeigt eine bald einsetzende dynamische Konjunkturerholung an.