Die jüngste Rallye im DAX wird maßgeblich von internationalen Investoren getrieben, während deutsche Anleger größtenteils an der Seitenlinie stehen. Dieser Trend zeigt sich deutlich in unserer Sentiment-Umfrage: Während viele heimische Anleger abwarten, greifen ausländische Investoren beherzt zu. Doch ihre Strategie unterscheidet sich von der deutschen Mentalität, die oft auf die Auswahl der "besten" Unternehmen im Index fokussiert ist. Internationale Anleger setzen verstärkt auf die größten und erfolgreichsten Titel wie Siemens (ETR:SIEGn), Allianz (ETR:ALVG) und SAP (ETR:SAPG).
SAP als Profiteur der KI-Fantasie
Ein herausragendes Beispiel für den Kursanstieg großer DAX-Konzerne ist SAP. Die Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten um 64 % zugelegt – eine beeindruckende Performance, die jedoch auch Bewertungsfragen aufwirft. Das Unternehmen profitiert stark von der KI-Euphorie: Die Aussicht, dass Künstliche Intelligenz Unternehmensdaten effizient analysiert und Optimierungsvorschläge liefert, verspricht milliardenschwere Einsparungen für Kunden. SAP arbeitet intensiv an der Umsetzung dieser Vision.
Allerdings ist die Bewertung mittlerweile ambitioniert: Ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von zehn und ein EV/EBITDA von 28 reflektieren die hohen Erwartungen bereits. Zwar erscheint ein jährliches Umsatzwachstum von 8-12 % mit überproportionalem Gewinnwachstum solide, doch das Potenzial für weitere starke Kursgewinne scheint begrenzt.
Könnten kleinere Unternehmen die Führung übernehmen?
Während die großen DAX-Werte von internationalen Käufen profitieren, fristen kleinere und mittlere Unternehmen ein Schattendasein. Doch gerade dort gibt es attraktive Bewertungen und zum Teil erhebliches Nachholpotenzial. Beim Heibel-Ticker Investorentag (HIT) zeigte sich, dass viele dieser Unternehmen fundamental stark positioniert sind, aber vom Markt bisher nicht entsprechend honoriert wurden. Möglicherweise steht der Zeitpunkt bevor, an dem sich die Führungsrolle am Aktienmarkt von den Mega-Konzernen hin zu den kleineren Unternehmen verlagert.
Wall of Worries: Die Rallye an der Wand der Sorgen
Die Stimmung in Deutschland ist derzeit paradox: Die aktuelle Lage wird positiv gesehen, während die Zukunftserwartungen äußerst pessimistisch bleiben. Dieses Umfeld entspricht der bekannten "Wall of Worries" – einer Wand voller Sorgen, an der starke Börsenrallyes oft entlangklettern. Solange es kein markerschütterndes Ereignis gibt, könnte sich der Anstieg weiter fortsetzen.
Doch was passiert, wenn es kein abrupter Bruch ist, der die Rallye beendet? Dann könnte sie in eine Kapitulation münden – allerdings in einem ungewöhnlichen Sinne.
Die andere Form der Kapitulation
Unter Kapitulation versteht man normalerweise das panikartige Verkaufen von Aktien. Doch hier geht es um das Gegenteil: Viele heimische Anleger, die bisher nur begrenzt von der Rallye profitieren konnten, könnten ihre anfängliche Disziplin aufgeben und aus Frustration in genau die Aktien investieren, die bereits am stärksten gestiegen sind. Denn niemand möchte das Gefühl haben, eine große Marktbewegung zu verpassen.
Internationale Investoren treiben derzeit die DAX-Kurse, weil sie sich auf die liquidesten und global erfolgreichsten Werte konzentrieren. Währenddessen wächst bei deutschen Anlegern die Unzufriedenheit, wenn das eigene Portfolio nicht Schritt hält. Sobald dieser Druck zu groß wird, könnten sie ihre Cashreserven mobilisieren und verstärkt in die bisherigen Gewinneraktien einsteigen – was deren Bewertung weiter in die Höhe treiben würde.
Diese Art der Kapitulation – das überhastete Kaufen aus Angst, nicht dabei zu sein – ist oft ein Zeichen für das Ende einer Rallye. Es bleibt abzuwarten, ob und wann dieser Punkt erreicht wird. Klar ist jedoch: Der DAX wird aktuell von starken externen Impulsen angetrieben, während die heimischen Anleger noch zwischen Disziplin und FOMO (Fear of Missing Out) schwanken.
Mehr zu diesen Entwicklungen und welche Auswirkungen sie auf Ihr Portfolio haben, lesen Sie in der aktuellen Heibel-Ticker Ausgabe siehe PDF.