Der NASDAQ Composite hat alles andere als einen guten Start ins Börsenjahr 2022 hingelegt und ist bereits um fast 13 % gefallen. Und so schnell dürfte der Tech-Index wohl auch nicht wieder auf neue Rekordhochs klettern. Zwei Dinge machen dem Index aktuell zu schaffen: höhere Kapitalmarktzinsen und sinkende Gewinnschätzungen.
Folglich müssen sich Tech-Investoren im NASDAQ auch in den kommenden sechs Monaten auf raue See gefasst machen.
Die Gewinnschätzungen für den NASDAQ-Index sind für 2022 auf 478,43 Dollar pro Aktie abgesackt, ein Rückgang von 5,5 % gegenüber dem Höchststand von 505,83 Dollar am 25. August. Der Fall der Gewinnschätzungen ist beachtlich. Schuld daran sind steigende Realrenditen, die das KGV des Börsenbarometers verringern. Ein niedrigeres KGV und sinkende Gewinnschätzungen begrenzen zusammengenommen die potenziellen Kursgewinne des Index.
Ein niedrigeres KGV
Selbst wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis des NASDAQ Composite wieder den Höchststand aus Dezember bei 33,1 erreichen sollte, würde der Kurs des Index höchstens auf 15.835 klettern. Das wäre nahe am Intraday-Hoch von 16.212 aus November, aber eben immer noch fast 2,5 % darunter. Es bedarf also eines noch höheren Kurs-Gewinn-Verhältnisses, um die früheren Höchststände des NASDAQ zu übertreffen.
Angesichts des starken Anstiegs der Realrenditen, der die Gewinnrendite des NASDAQ in die Höhe und das KGV in die Tiefe treibt, könnte sich das aber als schwierig erweisen. Der Zinssatz für 5-jährige TIPs ist im Jahr 2022 drastisch gestiegen und hat sich von rund -1,64 % am 31. Dezember auf etwa -1,05 % erhöht.
Im gleichen Zeitraum ist die Gewinnrendite für den NASDAQ Composite auf der Grundlage der EPS-Schätzungen für 2022 von 3,06 % auf 3,49 % gestiegen. Je weiter der Realzins ansteigt, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch die Gewinnrenditen der Tech-Börse ebenfalls zulegen werden.
Die Gewinnrendite ist der Gegenpol zum KGV, d. h. wenn die Gewinnrendite steigt, sinkt das KGV. Das Problem ist, dass der 5-jährige Realzins gerade nach oben ausbricht, und falls die Fed weiterhin so aggressiv vorgeht, wie es derzeit den Anschein hat, könnte der Breakout dazu führen, dass die 5-jährige TIP auf etwa -50 Basispunkte hochschnellt.
Das würde die Gewinnrendite des NASDAQ noch weiter nach oben bringen, möglicherweise um weitere 60 Basispunkte auf etwa 4 %. Dies entspräche einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25. Bei einem für 2022 geschätzten Gewinn von 478,43 Dollar ergäbe sich daraus ein Kurs von 11.960 für den NASDAQ Composite, was einem weiteren Rückgang um 13 % entspräche.
All dies hängt jedoch davon ab, wie weit die Realrenditen am Ende tatsächlich steigen können. Es wird aber erwartet, dass die Fed ab März die Zinsen anhebt. Für die nächsten sechs Monate ist daher mit deutlichen Kurseinbußen zu rechnen, weil sich der Aktienmarkt auf eine straffere Geldpolitik und höhere Zinsen einstellt.
Bewertungen spielen (endlich) wieder eine Rolle
Einige Aktien dürften sich während dieses Prozesses jedoch besser entwickeln als andere. Dies gilt vor allem für Aktien, die ein stärkeres Gewinnwachstum aufweisen und deren Bewertung moderater ist.
Eine Aktie wie Meta Platforms (NASDAQ:FB) ist beispielsweise in den letzten 2 Jahren enorm gestiegen, weist aber auch ein kräftiges Gewinnwachstum auf. Die Aktie wird mit dem 21-fachen der für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinne gehandelt. Zwar könnte das Papier bei einem allgemeinen Markteinbruch leicht nachgeben, doch die geringere Bewertung macht die Aktie attraktiv für Investoren, die in Meta einen Wert sehen.
Für Aktien wie Shopify (NYSE:SHOP) könnten sich hingegen noch schwierigere Zeiten anbahnen. Der Titel ist bereits massiv gefallen, notiert aber immer noch beim 15,6-fachen der für die nächsten zwölf Monate geschätzten Umsätze, während sie in der Vergangenheit in der Regel zwischen dem 9- und 12-fachen des Umsatzes gehandelt wurde. Das deutet darauf hin, dass die SHOP-Aktie bei einem allgemeinen Marktausverkauf noch weiter fallen könnte.
Sobald die Zinsen steigen - und die Börsenhausse beruht zum Großteil auf der Niedrigzinsphase -, ist es nur folgerichtig, dass sich der Markt neu ausrichtet und sich auf diese Veränderungen einstellt. Folglich drohen den Unternehmen auch schwächere Erträge, so dass Bewertungen endlich wieder eine Rolle spielen dürften.