Das zweite Quartal war schlecht für die Ölunternehmen. Branchenriesen wie Exxon Mobil (NYSE:XOM) und Chevron (NYSE:CVX) meldeten Verluste in Milliardenhöhe. Sogar Saudi Aramco (SE:2222), das profitabelste Ölunternehmen der Welt, musste berichten, dass der Gewinn um 73% zurückgegangen ist, im Vergleich zum Vorjahresquartal.
All dies war erwartet worden, da die Politik der Überproduktion Saudi-Arabiens im April das Ölangebot in die Höhe schnellen ließ und gleichzeitig die Ölpreise drückte, während die wirtschaftlichen Shutdowns als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie die Ölnachfrage dezimierten.
Angesichts dieser Entwicklungen gibt es zwei wichtige Fragen:
- Wie stark können sich die Ölpreise erholen, nachdem Saudi-Arabien wieder zu normalen Produktionsniveaus zurückgekehrt ist und sich die Länder wieder öffnen?
- Wie viel besser können Ölunternehmen in der zweiten Jahreshälfte 2020 abschneiden?
Das Problem mit dem Ausblick von Saudi Aramco
Saudi Aramco hat in seinem Ergebnisbericht am Montag eine sehr positive Einschätzung für das zweite Halbjahr abgegeben. Laut CEO Amin Nasser setzt der Energieriese auf die wachsende Ölnachfrage in Asien, um im 2. Halbjahr wieder zu alter Ertragskraft zurückzufinden. Auf den ersten Blick scheint dies eine gute Strategie zu sein. Asien, insbesondere China, verzeichnete Anfang 2020 den größten Rückgang der Ölnachfrage und begann sich bereits im März und April zu erholen, als die Ölnachfrage in Europa und Nordamerika ihren Tiefstpunkt erreichte.
70-75% der Rohölverkäufe von Saudi Aramco gehen nach Asien, sodass das Unternehmen mehr von der steigenden asiatischen Ölnachfrage profitieren soll. Es gibt jedoch ein ernstes Problem mit diesem Ausblick.
Öl ist ein globaler Rohstoff und die asiatische Nachfrage ist nicht der wichtigste Faktor bei der Bildung des globalen Ölpreises. Selbst mit der wachsenden Nachfrage aus China in den letzten Monaten blieb der Ölpreis bemerkenswert stabil und bewegte sich in den letzten zweieinhalb Monaten nur geringfügig in einem Bereich von 40 bis 45 USD.
Die Vereinigten Staaten sind der größte Ölverbraucher und die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Daher spielen Nachrichten aus den USA über Wirtschaft und Ölnachfrage tendenziell eine größere Rolle bei der Festlegung der globalen Ölpreise als Informationen über die chinesische Nachfrage oder das chinesische Wirtschaftswachstum. Wenn der Marktpreis nicht steigt, wird Aramco Schwierigkeiten haben, seine offiziellen Verkaufspreise zu erhöhen.
Darüber hinaus ist Aramco durch Saudi-Arabiens Verpflichtung zur Einhaltung der OPEC+-Produktionskürzungen geknebelt. Die Produktionskosten von Aramco sind so günstig, dass Aramco selbst bei sinkendem Ölpreis seinen Gewinn steigern kann, indem es mehr Öl nach Asien verkauft. Insbesondere China war daran interessiert, mehr Öl auf Lager zu kaufen, wenn der Preis niedrig genug ist. Allerdings, weil Saudi-Arabien verpflichtet ist, seine Ölproduktion auf 9 Millionen bpd zu begrenzen, kann Aramco seinen Absatz in China nur steigern, wenn es seine eigenen Lagerbestände abbaut.
Probleme bei der Ölnachfrage
Die Aussichten für die Ölnachfrage in den USA und in Europa bleiben gemischt mit einigen Anzeichen für eine Verbesserung, aber das Wachstum ist bescheiden. Die Raffinerienutzung in den USA hat sich letzte Woche auf 80% verbessert (obwohl diese Zahl teilweise auf eine Änderung der eingeschlossenen Raffinerien zurückzuführen ist) und die Öllagerbestände sind um 4,5 Millionen Barrel zurückgegangen. Der Gesamtbestand an Motorbenzin stieg jedoch letzte Woche um 700.000 Barrel. Die Rohöl-, Benzin- und Dieselvorräte bleiben für diese Jahreszeit deutlich über dem Durchschnitt.
In Europa berichtete Großbritannien, dass es in die tiefste Rezession aller großen Volkswirtschaften gefallen ist. Selbst wenn die Regierungen die Wirtschaftstätigkeit nicht mehr unterdrücken, wird die durch diese Politik verursachte Rezession die Ölnachfrage weiterhin negativ beeinflussen und die Preise trotz der Aktivitäten in Asien wahrscheinlich tief halten.
Fazit
Eine Einschränkung der Produktion reichte nicht aus, um die Preise über den Bereich von 40 bis 45 US-Dollar anzuheben. Vorbehaltlich einer Angebotskatastrophe benötigen wir außergewöhnliche Meldungen zur Nachfrage, um einen deutlichen Preissprung zu sehen. Die wichtigsten Ölverbraucher beginnen jedoch gerade erst, das Wirtschaftsumfeld in Griff zu bekommen aber sie haben die Ängste vor dem Virus noch nicht überwunden, so dass es schwer vorstellbar ist, dass die Nachfrage in naher Zukunft wachsen wird.
Ölfirmen werden im zweiten Halbjahr besser laufen, da März und April schockierend schlechte Monate waren. Ohne höhere Preise und ohne die Nachfrage nach deutlich mehr Öl, sollten Anleger jedoch keine großartigen Preissprünge erwarten.