Alle starren auf die Strafzölle der Trump-Administration und befürchten das Schlimmste. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch, dass das die Zahlen zum 1. Quartal überraschend stark ausfallen werden. Insbesondere das produzierende und verarbeitende Gewerbe dürfte stärker als bisher erwartet performt haben. Dahinter steht der Bull-Whip-Effekt, der im 1. Quartal begonnen hat.
Den Beginn eines Bull-Whip-Effektes bekommen in der Regel nur die Insider mit. Insbesondere der Einkauf gehört zu den Bereichen in Unternehmen, die von diesem Effekt als erste Wind bekommen. Denn klassischerweise fängt der Bull-Whip-Effekt mit dem plötzlichen Aufbau eines Nachfrageüberhangs an.
Dahinter stehen die angedrohten Strafzölle der Trump-Administration. Die Zölle sind zwar nur der Weg und nicht das Ziel, aber nichtsdestotrotz lässt Präsident Trump keinen Zweifel daran, dass er die Zölle unnachgiebig umsetzen wird, um den globalen Handel, der durch die USA läuft, neu zu verdrahten. Je nachdem wie schnell oder langsam die jeweiligen Handelspartner in Verhandlungen mit dem Weißen Haus gehen, können die Strafzölle das empfindliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in den globalen Lieferketten kräftig durcheinanderschütteln. Es beginnt mit einem starken Nachfrageüberhang. Drei Beispiele:
Hohe Nachfrage vor den Zöllen
Die Kunden stürmen regelrecht die Geschäfte von Apple (NASDAQ:AAPL). Seien es die Online-Shops oder die Geschäfte vor Ort: Niemand hat ein Interesse daran, 10 % bis 54 % mehr für sein neues iPhone zu zahlen. Das Smartphone ist ein Bestseller, aber dennoch für die meisten Privatpersonen eine erhebliche Ausgabe. Die reicht in den USA bis auf 1.599 US-Dollar (ohne Umsatzsteuer) für das iPhone 16 Pro Max mit 1 TB Speicherplatz herauf. Die neuen Strafzölle könnten dafür sorgen, dass der Preis auf 1.758 US-Dollar bis 2.462 US-Dollar (ohne Umsatzsteuer) klettert.
Ob Apple die Strafzölle absorbiert und auf die eigene Kappe nimmt, ist unbekannt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass man zumindest einen Teil absorbiert. Denn man hat im Vorfeld der Strafzölle seine Vorräte bereits deutlich erhöht. Was unter anderem an den Umsatzzahlen des wichtigen Apple Zulieferers Hon Hai Technology – auch besser als Foxconn (TW:2354) bekannt – abzulesen ist. Während der Januar für Hon Hai ohne nennenswerte Veränderungen verlief, steigerte man im Februar den Umsatz um 56,43 % und im März noch einmal um 23,37 % im Jahresvergleich. Die Wahrscheinlichkeit ist somit hoch, dass Apple sich einen Puffer geschaffen hat und anlässlich der Analystenkonferenz am 01. Mai sehr entspannt sein dürfte.
Samsung (F:SAMEq) hat bereits die (vorläufigen) Zahlen für das März-Quartal vorgelegt. Und die fielen deutlich besser als befürchtet aus. Der südkoreanische Elektronikkonzern war zuletzt im Hinblick auf die Technologie und den Absatz hinter seine Konkurrenten zurückgefallen. Doch in den vergangenen drei Monaten verzeichnete man eine starke Nachfrage nach Speicherchips (DRAMs) und den Galaxy S25 Smartphones. In der Folge erreichte der operative Gewinn mit 6,6 Billionen Won (ca. 4,5 Mrd. US-Dollar) das Vorjahresniveau, statt auf 5,1 Billionen Won zu schrumpfen, wie es die Analysten erwartet hatten. Den Umsatz steigerte man um 10 % auf 79 Billionen Won.
Auch bei Samsung spielten die Vorratskäufe eine wichtige Rolle. Sowohl beim Geschäft mit den Retail- als auch mit den Businesskunden. Da Samsung bei den High-End Speicherchips für Nvidia (NASDAQ:NVDA) Chips (bisher) keine Zertifizierung bekommt, verlässt sich das Unternehmen zunehmend auf Verkäufe an chinesische Kunden, die nicht-sanktionierten Chips stark nachfragen. Da Südkorea ab dem 09. April Strafzölle in Höhe von 25 % drohen, könnte dies Auswirkungen auf die Preise der neuen Galaxy S25 Geräte in den USA haben. Die beginnen bei 799 US-Dollar und reichen bis auf 1.299 US-Dollar (ohne Umsatzsteuer) herauf. Wir reden also über Preissteigerungen von 200 bis 325 US-Dollar, wenn diese Zölle direkt weitergegeben würden. Das wissen natürlich die amerikanischen Kunden von Samsung, was die Nachfrage im März-Quartal getrieben hat.
Wer kann, kauft jetzt und baut einen Vorrat auf
Je höher der Preis, desto stärker werden die Käufe vorgezogen. Und die größten Kosten, die ein amerikanischer Haushalt neben dem Kauf einer eigenen Immobilie hat, ist in der Regel ein Auto. Dementsprechend überrascht es nicht, dass die Nachfrage nach Autos im März-Quartal in den USA deutlich gestiegen ist.
Porsche (ETR:P911_p) liefert ein ausgezeichnetes Beispiel. Der Sportwagenhersteller hat keine eigene Produktion in den USA, muss also alles importieren. Und die Zahlen für das 1. Quartal sprechen Bände. Porsches Absatz im 1. Quartal stieg in Nordamerika um 37 %. Ein scharfer Kontrast zu dem Einbruch in China (-42 %) und Deutschland (-34 %). Nicht einmal die restlichen europäischen Märkte konnten diese Schwäche überkompensieren. Insgesamt schrumpfte der Absatz in Europa um -10 %.
Ferrari (NYSE:RACE), deren Preispunkt noch einmal deutlich über dem von Porsche liegt, geht völlig entspannt mit den Strafzöllen um. Man kündigte an, dass jeder, der in den USA einen Ferrari kauft, in Zukunft die Strafzölle vollumfänglich bezahlen muss. Zum einen dürfte der Aufschlag die wenigsten Ferrari-Kunden ernsthaft von einem Kauf abhalten und zum anderen haben aus Sicht von Ferrari auch andere Länder zahlungswillige Käufer. Da man das Angebot künstlich klein hält, bleibt die Nachfrage auch mit weniger Käufern aus den USA gesichert.
Anekdotenhaft lässt sich damit bereits Anfang April sagen, dass das produzierende Gewerbe, das in die USA exportiert, bei den Zahlen zum 1. Quartal eher positiv überraschen wird. Die Kunden haben dazu geneigt, ihre Vorräte deutlich aufzustocken. Offen bleibt damit, wie sich das 2. Quartal entwickeln wird. Die Vorräte werden in der Regel relativ schnell zur Neige gehen. Vielleicht halten sie bis Ende April. Bei einigen Produkten vielleicht bis Ende Juni. Spätestens dann werden die Preise in den USA jedoch nach oben angepasst werden.
Bull-Whip-Effekt hat bereits begonnen
Das führt uns zum Bull-Whip-Effekt. Der besagt im Kern, dass wenn es zu einer untypisch starken Nachfragewelle kommt, in den folgenden Perioden die Lieferketten dann erhebliche Schwierigkeiten haben, zu einem Normalmaß zurückzufinden. Die Situation wechselt dann von Nachfrageüberhang zu Angebotsüberhang und wieder zurück. Die negativen Effekte daraus hatten wir bereits in Folge der globalen Lockdowns gesehen: Starke Preisanstiege weltweit, die noch durch Zwischenhändler eskaliert wurden, die bewusst Vorräte bei Phasen von Nachfrageüberhängen zurückhielten, um die eigene Marge weiter zu steigern.
Die Einführung der Strafzölle ist sicherlich nicht mit den globalen Lockdowns zu vergleichen. Die Auswirkungen werden in einem kleineren Maßstab jedoch sehr ähnlich sein. Das Problem ist: Der Mechanismus ist bereits in Gang gesetzt und lässt sich in der Regel nicht mehr stoppen, sondern muss schlicht und einfach sein neues Gleichgewicht finden. Das wird umso schneller gehen, je zügiger die Trump-Administration sich mit allen Handelspartnern einigt oder man das Strafzollregime aufgibt.
Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief (https://www.zuercher-boersenbriefe.ch)