Die Rivian (NASDAQ:RIVN) Aktie fährt in dieser Woche Achterbahn. Die stabile Nachfrage nach den SUVs und Pickups des Startups und der Ausstieg aus einer Exklusivvereinbarung mit Amazon (NASDAQ:AMZN) führten zunächst zu einer Rallye. Doch ist hier wirklich das neue Tesla (NASDAQ:TSLA) in Sicht?
Die Rivian Aktie (WKN: A3C47B, ISIN: US76954A1034) legte am Dienstagabend nach Bekanntgabe der Zahlen für das dritte Quartal zunächst deutlich zu. Am Mittwoch und Donnerstag gab das Papier die Gewinne jedoch nicht nur wieder ab, sondern fiel unter das Niveau des Wochenauftakts.
Rivian macht 31.000 USD Verlust pro Fahrzeug
Im dritten Quartal setzte Rivian 1,34 Milliarden USD um – geringfügig mehr als durch den Marktdurchschnitt erwartet (1,33 Milliarden USD). Der Nettoverlust lag mit 1,37 Milliarden USD zwar niedriger als im Vorjahreszeitraum (1,72 Milliarden USD). Dennoch übersteigt der Verlust weiterhin den Umsatz. Pro Fahrzeug belief sich der Verlust auf 31.000 USD. Im zweiten Quartal waren es 33.000 USD.
Dabei hat Rivian – anders als viele Konkurrenten – keine Preissenkungen vorgenommen. Auch mehr Kosteneffizienz wurde durch die nun intern vorgenommen Herstellung der Antriebsstränge erreicht. Diese Umstrukturierung wurde durch Investoren und Analysten begrüßt.
Die gemessen am Umsatz enormen Verluste gehören zur Story. Das 2009 gegründete und seit 2021 gelistete Unternehmen will im Stile von Tesla eine eigene Fahrzeugproduktion auf die Beine stellen. Das erfordert hohe Investitionen – die sich aber zu einem späteren Zeitpunkt amortisieren sollen. Das Unternehmen konzentriert sich auf das Ziel, bis Ende des nächsten Jahres einen Bruttogewinn zu erzielen. Gemeint ist damit die Gewinnschwelle ohne Unternehmensgemeinkosten.
Rivian hebt Prognose an: 54.000 Fahrzeuge in 2023
„Sobald wir skalieren, sinkt der Anteil der Fixkosten rapide“, sagt CEO Scaringe. Er rechnet damit, dass in diesem Jahr 54.000 Fahrzeuge produziert werden können. Damit wurde die bisherige Prognose um 2000 Fahrzeuge angehoben.
Rivian steht in diesem Punkt besser da als andere Konkurrenten, die zuletzt die Produktion gedrosselt hatten, um der schwächer als gedacht verlaufenden Nachfrage gerecht zu werden. Lucid etwa reduzierte das diesjährige Produktionsziel von zuvor 10.000 Fahrzeugen auf nunmehr 8000-8500 Fahrzeuge. Auch Ford (NYSE:F) und Tesla sind von der schwachen Nachfrage betroffen.
Rivian sieht sich in einer besseren Position. Scaringe gab sich bei der Telefonkonferenz „sehr optimistisch“ im Hinblick auf die Nachfrage nach Pick-ups und SUVs und verwies auf hohe Wiederverkaufswerte auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Der Verkauf soll auch durch eine neue Aktion zum Leasing angekurbelt werden. Diese soll noch in diesem Monat zumindest in einigen Märkten zur Verfügung stehen. Damit will Rivian Verbraucher unterstützen, die aufgrund der aktuell hohen Zinssätze für Autokredite vor einem Kauf zurückschrecken könnten.
Das Unternehmen produziert zwei Modelle: Einen SUV und einen Pick-up. Zusätzlich gibt es das für Amazon entwickelte elektrische Lieferfahrzeug. Hier gibt es Neuigkeiten: Wie Rivian mitteilte, werden die elektrischen Lieferwagen künftig nicht mehr exklusiv an Amazon, sondern auch an Kunden weltweit ausgeliefert.
Rivian E-Lieferfahrzeug nicht mehr exklusiv für Amazon
Im dritten Quartal sei der 10.000ste Transporter an Amazon ausgeliefert worden. Die Bestellung des US-Versandriesen über 100.000 „Rivian EDV-700“ bis 2030 wird parallel zum Angebot an andere Kunden erfüllt.
Kann der Autobauer aus dem kalifornischen Irvine zum neuen Tesla werden? Das hängt auch davon ab, ob die liquiden Mittel bis zum Erreichen der Gewinnschwelle ausreichen. Im letzten Monat schockte Rivian den Markt mit einer Emission von Wandelanleihen Wert von 1,5 Milliarden USD. Der Kurs gab zeitweise um 20 % nach.
Auf den ersten Blick scheint eine Erfolgsstory zumindest möglich. Gelingt es, die Produktion zu steigern und ohne Preissenkungen abzusetzen, lässt sich die Gewinnschwelle erreichen. Das Problem jedoch: Der Automarkt ist derzeit von einem Preiskampf gekennzeichnet. Das Rivian davon noch nicht betroffen ist, liegt auch daran, dass Kunden lange auf ihre Bestellungen warten müssen. Die Kunden stornieren nicht, weil die Verträge aus heutiger Sicht zu sehr günstigen Preisen abgeschlossen wurden. Der Lackmustest steht an, wenn der Auftragsbestand abgearbeitet ist.
Rivian Aktie: Analysten zuversichtlich
Analysten jedenfalls sind zuversichtlich. Es gibt aktuell 15 Kaufempfehlungen – vier mehr als vor drei Monaten, als die Wandelanleihe noch nicht auf dem Markt war. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten (Median) liegt bei 26 USD und damit deutlich über dem aktuellen Kurs von 15,35 USD.
Wer in die Rivian Aktie investiert, sollte einen langen Atem haben. Bis die Gewinnschwelle unter Berücksichtigung der Gemeinkosten erreicht wird, kann es noch lange dauern. Aktuell rechnen Analysten im Durchschnitt selbst für das Jahr 2025 noch mit einem Verlust von 2,46 USD pro Aktie.
Der Preiskampf bei Elektroautos, drohende Lohnerhöhungen durch Arbeitskämpfe, mehr Konkurrenz im eigenen Segment und viele Unwägbarkeiten sind bis dahin zu überstehen. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass es zu weiteren Emissionen von Wandelanleihen oder zu einer Kapitalerhöhung kommt, um den laufenden Betrieb zu finanzieren.
Rivian bleibt deshalb ein Unternehmen mit unternehmerischem und technologischem Potenzial, aber auch erheblichen operativen und finanziellen Risiken.