Die Aktie des Stromversorgers hat in den letzten Monaten eine beachtliche Berg- und Talfahrt hingelegt. Gestiegene Strompreise hatten die Einnahmen in den letzten beiden Jahren in die Höhe getrieben und damit einhergehend auch den Kurs der Aktie. Ende Januar wurde dann jedoch der ursprünglich verkündete Ausblick für 2024 nach unten korrigiert, aufgrund rückläufiger Großhandelspreise für Strom. Die seitdem andauernde Talfahrt könnte allerdings bald ihr Ende finden, denn die Aussichten sind eigentlich positiv.
Frankfurt/Main, den 22. Februar 2024: Bereits in unserer Analyse vom August 2023 hatten wir auf das kurzfristige Risiko einer nahenden Korrektur des Aktienkurses von RWE (ETR:RWEG) (ISIN: DE0007037129) hingewiesen. Tatsächlich wurde unser damals berechneter Einstiegskurs kurze Zeit später auch fast erreicht und die Aktie stieg im Anschluss wieder deutlich an. Knapp unterhalb des von uns prognostizierten Kursziels von 44 EUR kam es dann im Januar erneut zu einer abrupten Wende, einhergehend mit einer Gewinnwarnung für 2024. Aufgrund rückläufiger Großhandelspreise für Strom sieht der Konzern das bereinigte Nettoergebnis für 2024 am unteren Ende der noch im November 23 bekannt gegebenen Spanne von 1,9 bis 2,4 Mrd. EUR. Verstärkt wurde der Verkaufsdruck dann im Februar noch durch eine Gewinnwarnung der österreichischen Verbund (VIE:VERB) AG - einem direkten Konkurrenten – der seine Gewinnziele ebenfalls deutlich korrigieren musste. Einige Analysten hatten ihre Kursziele für die Aktie von RWE daraufhin nach unten angepasst. Das erscheint gerechtfertigt in Anbetracht der Tatsache, dass sich das Ertragsniveau wieder normalisiert.
Dabei sollte aber nicht übersehen werden, dass RWE mit einem erwarteten bereinigten Nettoergebnis von 1,9 Mrd. EUR für 2024 immer noch einen satten Gewinn vorweisen würde. Der Konzern investiert nach wie vor stark in die eigenen Kapazitäten zur Stromerzeugung und damit sollte es möglich sein, die Auswirkungen der rückläufigen Strompreise auf das Ergebnis teilweise zu kompensieren. An der Dividendenstrategie wird jedenfalls festgehalten. Das wurde mit dem jüngsten Ausblick ebenfalls klar zum Ausdruck gebracht. Jährlich soll die Dividende bis 2030 um 5 bis 10 % zulegen, das bereinigte Nettoergebnis um 12 %, hieß es im November. Das Dividendenziel für 2024 (Ausschüttung in 2025) von 1,10 EUR je Aktie wurde von Finanzvorstand Michael Müller mit dem korrigierten Ausblick nochmals bestätigt. Bei derzeit 743 Mio. gewinnberechtigten Aktien läge die Ausschüttung bei ca. 818 Mio. EUR. Mit seiner stabilen Bilanz sollte der Konzern sich diese leisten können, trotz weiterhin hoher geplanter Investitionen. Bis 2030 will der Konzern 55 Mrd. EUR in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien investieren und dabei 30 Gigawatt an zusätzlicher Leistung schaffen. Die Stimmung bei Analysten in Bezug auf die Aktie ist dementsprechend nach wie vor positiv. Von 15 Analysten empfehlen aktuell 14 die Aktie zum Kauf, mit einem durchschnittlichen Kursziel von 49 EUR.
Bewertung auf Basis der Dividende
Für unsere letzte Bewertung hatten wir die - im Vergleich zu den Vorjahren deutlich niedrigeren - Dividendenrenditen der letzten 3 Jahre zu Grunde gelegt und konnten damit den Kursverlauf auch sehr präzise prognostizieren. Ein Blick auf den aktuellen Kurs zeigt allerdings, dass in Erwartung niedrigerer Margen auch das Bewertungsniveau relativ zum Ertrag wieder abnimmt, was sich aktuell bereits in einer deutlich höheren Dividendenrendite von ca. 3,6 % widerspiegelt. Zum Vergleich: Die durchschnittliche jährliche maximale Dividendenrendite der letzten 3 Jahre lag bei ca. 3 %. Für unsere konservative Bewertung legen wir daher die durchschnittlichen minimalen und maximalen Dividendenrenditen der letzten 10 Jahre zu Grunde, die bei 2,6 und 4 % liegen. Auf Basis der angekündigten Dividende für 2024 von 1,10 EUR je Aktie berechnen wir daraus einen Kurskorridor mit einem Kursziel von 42,30 EUR und einem Einstiegskurs von 27,80 EUR.
Charttechnik
Der Aktienkurs notiert aktuell knapp oberhalb der unteren Begrenzung des seit 2015 bestehenden Aufwärtstrends, der derzeit auf der Höhe der Unterstützungszone bei 30 EUR verläuft. Hier dürfte sich in absehbarer Zeit entscheiden, ob wir zunächst weitere Abgaben bis in den Bereich von 28 EUR sehen werden, wo die nächste markante Unterstützungszone liegt. Dort verläuft auch eine weitere langfristige Trendlinie, die der Notierung Halt verschaffen sollte. Ein Unterschreiten dieser Unterstützungszone würde Abwärtspotential bis auf 25 oder gar 21 EUR eröffnen. Auf der Oberseite liegen die nächsten markanten Widerstände bei 36 EUR und im Bereich zwischen 42 und 44 EUR. Die relative Stärke auf Basis von 14 Wochen notiert mit einem aktuellen Wert von ca. 28 bereits im überverkauften Bereich und deutet damit bereits das Ende der Kurskorrektur an.
Fazit
Wir erachten die derzeitige Konsolidierungsphase der RWE-Aktie in Folge rückläufiger Gewinnerwartungen als gerechtfertigt. Wir sehen darin keine Übertreibung, sondern eine Normalisierung des – im Vergleich zu den Vorjahren - erhöhten Bewertungsniveaus. Die Ertragsaussichten von RWE scheinen in Anbetracht der starken Investitionstätigkeit weiterhin positiv zu sein. Auf dem jetzigen Kursniveau erachten wir die Aktie als leicht bis stark unterbewertet. Offen ist, wie weit sich das Bewertungsniveau noch nach unten anpassen wird. Mit 4 % Dividendenrendite haben wir unseren Einstiegskurs bereits vorsichtig kalkuliert, allerdings hat die Dividendenrendite in den letzten 10 Jahren vereinzelt schon mal Richtung 5 % tendiert. Anleger tun also gut daran Vorsicht walten zu lassen und mit Teilkäufen zu agieren. Bis zu unserem Kursziel bietet sich aktuell eine Gewinnchance von 36 %. Wir beobachten die Aktie und warten auf eine Bodenbildung oder ein technisches Kaufsignal für den Einstieg.
Derivate-Empfehlungen
Als Alternative zum Aktienkauf bieten sich bei der aktuellen Einschätzung der RWE-Aktie Seitwärtsprodukte an. Wir haben daher ein attraktives Discountzertifikat mit leicht defensivem Charakter der Société Générale rausgesucht (ISIN: DE000SV72863). Denn der Cap (Höchstauszahlung) liegt knapp 7 Prozent unter dem aktuellen RWE-Kurs. Der Aktienkurs kann also am Fälligkeitstag im September um diesen Prozentsatz gefallen sein und dennoch wird der Cap von 29 Euro zurückgezahlt: Fällt der Kurs bis zur Fälligkeit im September 2024 nicht unter den Cap von 29 Euro, erzielen Anleger eine Rendite von 12,1 Prozent. Unterhalb von 29 Euro bei Fälligkeit verringert sich der Gewinn allmählich, in die Verlustzone rutscht das Papier erst ab 27,10 Euro. Das Papier kann aber jederzeit vor der eigentlichen Fälligkeit verkauft werden, etwa wenn der Kurs schon vorher zulegt. Der Anlagehorizont ist aber schon auf mehrere Monate ausgelegt.
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