Nach der letzten Sitzung der Fed wimmelte es in den Medien von Schlagzeilen, die sich um das neue Lieblingsthema "Stagflation" drehen. Die Stagflationspanik in den Medien ist nicht überraschend, da sie Erinnerungen an die späten 1970er Jahre während des Ölembargos der OPEC weckt. Natürlich ist der Begriff "Stagflation" fast ein Clickbait für Menschen, denen schon das Wort eine Heidenangst einjagt.
In den letzten Wochen war der Begriff "wirtschaftliche Stagflation" oder einfach nur Stagflation, an den Finanzmärkten und in den Medien das Buzz-Wort Nummer 1. Hier eine kurze Liste von Schlagzeilen über Stagflation nach der jüngsten Fed-Sitzung.
Das Problem ist, dass die wirtschaftliche "Stagflation" ein komplexes wirtschaftliches Phänomen mit erheblichen Auswirkungen auf die Anleger und die breitere Wirtschaft ist. Taylor Sohns kommentierte dieses makroökonomische Phänomen kürzlich bemerkte:
"Es ist ein bisschen so, als hätten Sie ein Stinktier im Garten - eine unangenehme Situation, die Sie nur schwer in den Griff kriegen können.”
Die Stagflationspanik der Medien ist jedoch deshalb falsch, weil sie von einer falschen Definition ausgehen. Stagflation bezeichnet NICHT nur ein schwaches Wirtschaftswachstum mit hoher Inflation. Die genaue Definition lautet:
Wirtschaftliche Stagflation ist ein seltenes wirtschaftliches Phänomen, das für politische Entscheidungsträger schwierig zu handhaben ist, da der Versuch, ein Problem zu beheben, die anderen tendenziell schlimmer werden lässt.
Wenn wir das Phänomen der "Stagflationspanik“ besser verstehen wollen, müssen wir die historischen Daten überprüfen und sie mit der eigentlichen Definition des Konzepts einer Stagflation vergleichen.
Die Stagflation der 70er Jahre
Um unsere Definition von Inflation zu bestätigen, habe ich ChatGPT gefragt, warum es in den 1970er Jahren zu einer Stagflation kam.
“Die Stagflation der späten 1970er Jahre war eine der schwierigsten wirtschaftlichen Phasen in der Geschichte der USA, die durch die ungewöhnliche Kombination hoher Inflation, hoher Arbeitslosigkeit und schwachen Wirtschaftswachstums gekennzeichnet war. Im Gegensatz zu typischen Rezessionen, bei denen sich Inflation und Arbeitslosigkeit in entgegengesetzte Richtungen bewegen, konfrontiert uns die Stagflation mit einer einzigartigen Herausforderung".
Auch hier lautet die Definition hohe Inflation und Arbeitslosigkeit in Verbindung mit langsamem Wirtschaftswachstum. Die heutige Stagflationspanik in den Medien entbehrt jeglicher Grundlage. Das folgende Schaubild zeigt die Inflation, das reale BIP und die Arbeitslosenquote von 1960 bis heute.
In den 70er Jahren kam es zwar zu einem starken Anstieg der Inflation, doch war diese Entwicklung größtenteils auf ein starkes Wirtschaftswachstum von nahezu 15 % jährlich zurückzuführen. Wenn man eine starke wirtschaftliche Aktivität hat, die von steigenden Löhnen begleitet wird, wie in den 70er Jahren, werden die Preise steigen, da die Nachfrage das Angebot übersteigt, und die Unternehmen können die Preise erhöhen (Angebot und Nachfrage).
Die Inflationsschübe in den 1970er Jahren waren auf mehrere Faktoren zurückzuführen, alles fing damals mit dem OPEC-Ölembargo (1973) an. Dieses Embargo ließ die Ölpreise in die Höhe schnellen, nachdem die USA Israel im Jom-Kippur-Krieg unterstützt hatten. Dann kam es 1979 zu einer weiteren Krise, als die iranische Revolution die Erdöllieferungen unterbrach, was die Preise weiter in die Höhe trieb. Da Erdöl für den Transport, die Produktion und die Energieversorgung von grundlegender Bedeutung ist, lösten die Ölpreisspitzen einen Inflationsschub aus.
Während diese beiden Ereignisse jedoch zu wirtschaftlicher Unsicherheit führten, sorgte das künstliche Ungleichgewicht zwischen dem Angebot eines Rohstoffs (Öl) und dem Verbrauchsbedarf (Nachfrage) für eine kurze Phase höherer Preise, einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Anhand historischer Daten können wir die sehr kurzen, künstlich erzeugten Phasen der Stagflation erkennen.
Das Problem bei der heutigen Stagflationsdiskussion ist, dass es dabei keine definierten Werte für Inflation, Arbeitslosigkeit oder Wirtschaftswachstum gibt. Ab welchem Niveau ist die Inflation oder die Arbeitslosigkeit zu hoch, oder wann wird das Wirtschaftswachstum zu schwach? Die Diskussion über Stagflation wird sehr locker geführt. Aus der Vergangenheit wissen wir aber, dass es Stufen gibt, an denen die Wirtschaft allmählich einbricht.
Anhand der Daten in unserer Abbildung ergeben sich die folgenden historischen Durchschnittswerte:
- Inflation: 3,76 %
- Arbeitslosigkeit: 5,88 %
- Reales BIP: 3,03 %
Wenn die Inflation über 5 % liegt, die Arbeitslosigkeit auf über 8 % ansteigt und das Wirtschaftswachstum unter 1 % sinkt, kommt es historisch immer wieder zu Rezessionsschüben. Der folgende zusammengesetzte Index zeigt die einzigen beiden "stagflationären" Ereignisse in unserer aktuellen Geschichte.
Die aktuellen Daten legen nahe, dass die "Stagflationspanik" der Medien unangebracht und ungenau ist.
Stagflationspanik - ein irreführendes Narrativ
Während der einzigen beiden vorangegangenen Stagflationsperioden gelang es der Geldpolitik der Fed nicht, die steigenden Preise zu bekämpfen. Die Fed hielt die Zinssätze niedrig und weitete die Geldmenge aus, was die Inflation noch weiter anheizte. Gleichzeitig setzten die damals sehr starken Gewerkschaften eine Erhöhung der an den Lebenshaltungskosten orientierten Löhne durch, was dann zu einer Lohn-Preis-Spirale führte. Der Anstieg der Löhne trieb die Preise noch weiter in die Höhe.
Schließlich ergriff der damalige Vorsitzende der Fed, Paul Volcker, in den frühen 1980er Jahren aggressive Maßnahmen. Volker erhöhte die Zinssätze drastisch, um eine wirtschaftliche Rezession herbeizuführen, die dann die Inflation eindämmte. Da die Inflation eine Funktion der Wirtschaftstätigkeit (Angebot und Nachfrage) ist, waren die Maßnahmen logisch und führten letztlich zu wirtschaftlicher Stabilität.
Es kann nicht genug betont werden, dass die Probleme mit der Stagflation in den 70er Jahren sehr stark von bestimmten einzelnen Phänomenen abhängig waren. Die aktuelle Frage ist: Besteht derzeit die Gefahr einer Stagflation? Die Antwort lautet höchstwahrscheinlich "Nein".
Erstens handelt die Fed richtig, indem sie die Zinssätze nicht drastisch senkt. Auch wenn es den Finanzmärkten nicht gefällt, dass Jerome Powell die Leitzinsen auf einem erhöhten Niveau belässt, ist es dennoch die angemessene Reaktion auf das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. Das Ziel der Fed ist es, die Wirtschaftstätigkeit zu bremsen, indem sie die Kreditkosten erhöht, was die Verbrauchernachfrage bremst und den Inflationsdruck senkt. Der "Hattrick", wenn er der Fed gelingt, besteht darin, die Wirtschaft nicht in eine Rezession zu stürzen, die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Bislang war sie dabei erfolgreich.
Noch einmal: Die Stagflation ist als ein Szenario hoher Inflation, Arbeitslosigkeit und langsamen Wirtschaftswachstums definiert. Ich betone diese Fakten immer wieder, weil sie entscheidend dafür sind, ob das Risiko einer Stagflation real ist und was die Anleger als nächstes erwarten sollten. In der obigen Abbildung wurde das nominale BIP verwendet, um die Stärke der Wirtschaft in den späten 70er Jahren – trotz der Inflationsprobleme – zu zeigen. Die meisten Analysten verwenden jedoch das inflationsbereinigte BIP, wenn sie von Stagflation sprechen, und wir werden das hier auch tun. Die überarbeitete Tabelle sehen Sie unten. Das Wirtschaftswachstum normalisiert sich, die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor historisch niedrig, und die Inflation verlangsamt sich mit der Wirtschaftstätigkeit, genau wie es sein soll. Es gibt derzeit keine Tatsachen, die die "Stagflationspanik“ rechtfertigen.
Entscheidend ist, dass es kein "Ereignis" gibt, das ein massives Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in der Wirtschaft verursacht. Das Gegenteil ist der Fall, denn die Lieferketten funktionieren, die Aktivität der Verbraucher lässt nach, und die Lagerbestände wurden bereits aufgestockt, um dem Risiko von Zöllen zuvorzukommen. Ein Anstieg des Angebots aus Lagerbeständen wirkt sich historisch gesehen deflationär aus, da die Hersteller die Preise senken müssen, um dieses Angebot abzubauen.
Könnte sich das jetzt ändern? Aber natürlich. Dazu wäre jedoch ein weiteres Ereignis wie ein Wirtschaftsstillstand erforderlich, der die Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Zölle werden eine solche Verschiebung nicht bewirken.
Fazit
Die Anleger sollten die jüngste Welle der "Stagflationspanik"-Schlagzeilen mit einer gesunden Portion Skepsis genießen. Wie wir gesehen haben, entsprechen die derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen -moderate Inflation, historisch niedrige Arbeitslosigkeit und stetiges (wenn auch langsameres) Wirtschaftswachstum - nicht der wahren Definition einer Stagflation. Die Neigung der Medien, kurzfristige Marktbewegungen zu dramatisieren, vergröbert oft komplexe wirtschaftliche Dynamiken und löst emotionale Reaktionen und fehlgeleitete Entscheidungen aus.
Jetzt ist es nicht an der Zeit, in Panik zu verfallen – es ist an der Zeit, Disziplin zu bewahren. Anleger sollten dieses Umfeld nutzen, um ihr Portfoliorisiko zu bewerten, gegebenenfalls Neugewichtungen vorzunehmen und eine Diversifizierung über verschiedene Anlageklassen und Sektoren hinweg sicherzustellen. Vermeiden Sie größere Veränderungen aufgrund von Medienberichten, die nicht durch harte Daten gestützt sind. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf hochwertige Anlagen, solide Bilanzen und Unternehmen mit Preissetzungsmacht, die sich in einem wachstumsschwächeren Umfeld meist gut behaupten können.
Wenn die Situation überhaupt eine bleibende Lehre beinhaltet, dann ist dies eine Erinnerung daran, dass Konjunkturzyklen schwanken und Volatilität Teil der Investitionstätigkeit ist. Informiert zu sein, Geduld zu haben und sich auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren, wird jedem Anleger weitaus mehr nützen als die Jagd nach Schlagzeilen. Die derzeitige Situation ist kein Grund, Angst zu haben, sondern eine Erinnerung daran, dass das ein angemessener Optimismus und strategische Positionierung die Voraussetzungen für langfristig erfolgreiches Investieren sind.