“Wenn Schweine fliegen” ist im englischen eine Wendung, um das Unmögliche zu beschreiben. Und das hätten wahrscheinlich auch einige Tierhändler gedacht, wenn man ihnen im Sommer gesagt hätte, dass die US-Schweinefleischpreise in einer Monsterrallye abheben und fast an jedem Handelstag weiter ansteigen würden—damals, als der Preis fast täglich zurückging.
Und in der Tat sind die Futures auf mageres Schweinefleisch an der Chicago Mercantile Exchange seit sechs Wochen auf einem Höhenflug, der sie im September 35% und seit Anfang dieses Monats fast 11% ansteigen ließ.
CME-Futures auf Lebendrind sind ebenfalls in einer Rallye, auch wenn ihre Gewinne etwas bescheidener ausgefallen sind, 7% im September und keine Veränderung im Oktober.
Während die Händler, die in beiden Märkten richtig gelegen hatten, am feiern sind, stellen einige Analysten die Fundamente hinter diesen Gewinnen in Frage und ob sie solide genug sind, um einen plötzlichen Preiskollaps abzuwenden.
Schwer einzuschätzende Nachfrage
“Für mich ist die Fleischnachfrage sehr, sehr schwer zu lesen,” sagt Don Roose, der Futures auf Schwein, Rind und andere Agrarprodukte seit mehr als 30 Jahren folgt. Und weiter:
“Es ist eher das Angebot, das wir kennen. Während die Exporte aus den USA in den vergangenen Monaten rückläufig wearen, wissen wir, dass wir im verbleibenden vierten Quartal ein Rekordangebot an Schweinefleisch haben werden. Uns so wird das nach 2019 bleiben, als das Angebot etwa 4,5% über dem von 2018 liegen wird. Dazu kommt eine Rekordproduktion von Rind. Für mich bedeutet das, dass die Nachfrage sehr stark sein wird. Aber wird sie das? Niemand ist sich da sicher.”
Der Referenzkurs am Dienstag für den am stärksten gehandelten Monatskontrakt an der CME für Dezember lag auf 56,57 USD. Der technische Tagesausblick von Investing.com führt ihn als “Stark Verkaufen” und Fibonacci verortet starken Widerstand ab 68,93 USD.
Lebendrind allerdings bekam ein “Stark Kaufen” Prädikat, ohne das es unmittelbare Verkaufsempfehlungen für den am aktivsten gehandelten Dezemberkontrakt gäbe, der zuletzt zu 117,40 USD gehandelt wurde.
Mitte August noch lagen die Schweinefleischpreise unter ihrem Niveau vom Jahresanfang und waren damit der drittschlechteste Entwicklung unter 60 globalen Rohstoff und Devisenfutures. Auch die Rinderpreise lagen erheblich im Minus, um rund 11%.
China und die Schweinepest
Und die Erholung seither kann auf zwei Dinge zurückgeführt werden: China und die asiatische Schweinepest.
Eine Epidemie hat sich seit 2014 grenzüberschreitend unter Schweinen ausgebreitet und ist letzte Woche in Westeuropa angekommen. In China gab es am 3. August den ersten Tod eines Schweins. Seither kam es zu 29 Ausbrüchen, die die Behörden zur Notschlachtung von fast 40.000 Tieren zwang.
Oberflächlich gesehen ist der Verlust von weniger als 50.000 Schweinen kaum eine Bedrohung für den größten Erzeuger und Verbraucher, als das Land jedes Jahr fast 55 Mio Tonnen an dem Fleisch produziert, allein für den heimische Verbrauch und weitere 1,5 Mio Tonnen vor allem aus Deutschland kauft.
Aber anders als die bisherigen Notschlachtungen hat die Schweinepest in China sich erheblich auf die Stimmung niedergeschlagen. Und diese Angst ist auf die weltweiten Fleischmärkte übergesprungen, wo enorme Gewinne für andere Länder und deren Bauern verortet werden, sollte die Krankheit zu einer Pandemie werden und die Chinesen einen größeren Teil des Verbrauchs durch Importe abdecken müssen.
“Wir denken, dass sich erst zum Jahresende klären wird, wohin die Reise bei der Schweinepest in China gehen wird,” sagt Shawn Hackett von Hackett Financial Advisors, einer Agrarmarktberatung aus Boca Raton in Florida.
Könnte die Krise in China ein Geschenk für die Amerikaner sein?
Hackett weiter:
“Eine 10 prozentige Verminderung der chinesischen Schweinefleischproduktion durch mit der Schweinepest verbundene Notschlachtungen oder einfach nur Schweinesterben, würde den Verlust von 5,46 Mio Tonnen bedeuten. Die Chinesen würden zweimal mehr Schweinefleisch konsumieren oder importieren, als im Exportmarkt verfügbar ist, um die Lücke im Angebot zu füllen. Das ist einfach nicht zu schaffen.”
Spekulationen haben in den vergangenen Monaten die Runde gemacht, dass die Vereinigten Staaten, die mit einer Produktion von 11 Mio Tonnen der drittgrößte Erzeuger von Schweinefleisch in der Welt sind, hinter Europa mit 23 Millionen, zu den Gewinner zählten, sollte die Krise in China schlimmer werden.
Das erklärt die Rallye bei CME-Schweinefleisch, die den Rindermarkt mit nach oben gezogen hat, auch wenn die chinesischen Importe von US-Rindfleisch vernachlässigbar sind.
Allerdings gibt es ein Problem mit diesen Wetten auf China: Sein Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten kostet die amerikanische Fleischindustrie viel Geld, als Peking einen 62 prozentigen Zoll auf Schweinefleisch und Abgaben von bis zu 50% auf Rindfleischprodukte aus den USA verhängt hat.
Und das ist, was Analysten wie Roose verwirrt. Er geht davon aus, dass sollten die beiden Länder nicht bald Frieden schließen, die abgehobenen Fleischpreise an der CME kaum zu verteidigen sind.
“Die Theorie ist, dass China Schweinefleisch aus dem Rest der Welt kaufen wird und der Rest der Welt aus den USA, genau wie wir das bei Sojabohnen sehen, gegen die China ebenfalls Zölle verhängt hat. Wird das so kommen? Ich weiß nicht, aber die Möglichkeit besteht.”