Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Juni auf 97,4 Punkte gesunken, nach 97,9 im Monat zuvor (siehe schwarze Linie in der folgenden Grafik). Es ist der dritte Rückgang in Folge und das niedrigste Niveau seit November 2014. Grund dafür sind gesunkene Geschäftserwartungen. Deren (Teil-)Index ist auf 94,2 Punkte gefallen, nach 95,2 (grüne Linie), und erreichte damit den niedrigsten Stand seit der europäischen Schuldenkrise 2012. Da half es auch nicht, dass die Lageeinschätzungen von 100,7 auf 100,8 Punkte minimal zulegen konnten.
Denn zwar wird damit die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft von den rund 9.000 befragten Unternehmen etwas besser beurteilt, die Zukunft aber wieder schlechter eingeschätzt. Und damit zeichnet sich keine Belebung der konjunkturellen Dynamik ab.
Läuft der DAX noch der Wirtschaft voraus?
Vor diesem Hintergrund muss man die Frage stellen, ob der diesjährige Anstieg des DAX noch gerechtfertigt ist. Zwar gilt der DAX als Vorläufer der Wirtschaft, doch die Wirtschaftsdaten wollen dem deutschen Leitindex einfach nicht folgen. Immerhin hat dieser bereits Ende 2018 sein Tief markiert. Das ist nun sechs Monate her. Langsam müssten auch die Wirtschaftsdaten nach oben drehen, damit zwischen dem DAX und den Konjunkturdaten kein allzu großer zeitlicher Verzug herrscht. Zumal der ifo-Index ja eigentlich auch ein Frühindikator ist und er dem DAX eigentlich wesentlich schneller folgen sollte.
Verarbeitendes Gewerbe belastet
Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass die deutsche Wirtschaft bislang fast ausschließlich durch das verarbeitende Gewerbe stark belastet wird. So ist das ifo-Geschäftsklima in diesem Bereich inzwischen zum zehnten Mal in Folge gefallen. Und es liegt mit 1,5 Punkten auf dem tiefsten Stand seit Ende 2012. Der Grund dafür sind die Handelskonflikte, die auf den Export drücken. Der Handel, die Bauwirtschaft und das Dienstleistungsgewerbe stehen dagegen deutlich besser da. Je länger aber die Probleme im verarbeitenden Gewerbe anhalten, desto wahrscheinlicher sind Ansteckungseffekte auf die anderen Wirtschaftssektoren. Der aktuelle Rückgang der Geschäftserwartungen bei den Dienstleistungsunternehmen kann bereits ein Vorgeschmack darauf sein.
Wirtschaft und Aktienmärkte konsolidieren auf hohem Niveau
Wie man es also dreht und wendet, um den Kursanstieg im DAX begründen zu können, müssen die Wirtschaftsdaten bald eine Wende signalisieren. Sonst wären die Kursgewinne des laufenden Jahres lediglich eine Erholung auf die vorangegangenen Verluste und nicht als neuer Aufwärtstrend zu werten. Und in diesem Fall wäre die Sichtweise zu favorisieren, dass der DAX, genau wie die US-Indizes, in einer großen Seitwärtstendenz steckt.
Werfen wir dazu auch noch einmal einen Blick auf den DAX-Chart, den wir hier betrachtet hatten, als in dem Index noch größere Trendwendemuster drohten (siehe zum Beispiel Börse-Intern vom 17.10.2018). Weder die vermeintliche Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS), noch der Diamant (blaue Linien) oder der Bear-Keil (dicke rote Linien) konnten eine nachhaltig bearishe Wirkung entfalten.
Stattdessen kann man argumentieren, dass der DAX schon mit dem Allzeithoch von 2015 seinen Aufwärtstrend beendet hat und insbesondere mit dem Wiedererreichen der Marke von 12.390,75 Punkten im April 2017 in eine größere Seitwärtstendenz umgeschwenkt ist. Die deutsche Wirtschaft stagniert derzeit und konsolidiert damit zusammen mit dem DAX auf hohem Niveau.
Seit Anfang 2018 tendieren auch die US-Indizes seitwärts
Diese Sichtweise passt auch zu meiner weiterhin gültigen Einschätzung, dass die US-Indizes ebenfalls Anfang 2018 in große Seitwärtstendenzen übergegangen sind und sich diese noch eine Weile fortsetzen werden, was ich auch mit der Saisonalität begründe. Nicht nur der Dow Jones tendiert, wie zuletzt in der Börse-Intern vom 5. Juni mit einem entsprechenden Chart belegt, in der zweiten Hälfte eines Vorwahljahres seitwärts, sondern auch der DAX (siehe auch Börse-Intern vom 24. April).
Bleiben also die Wirtschaftsdaten schwach und kommt es hier in den kommenden Wochen und Monaten zu keiner klaren Wende, würde sich das Szenario einer großen Seitwärtskonsolidierung an den Aktienmärkten weiter etablieren. Charttechnik und fundamentale Daten passen dabei zurzeit sehr gut zusammen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus