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Shortseller bereiten sich auf eine Rezession vor und setzen auf defensive Aktien. Die Wetten gegen den europäischen Bankensektor gingen jedoch zuletzt deutlich verloren.
Shortseller setzen offenbar auf eine Rezession damit einhergehend deutlich auf fallende Aktienkurse. Eine Analyse von S3 Partners zufolge wurden allein im März Shortpositionen im Wert von 44,4 Mrd. USD aufgebaut. Insgesamt soll das Volumen ausstehender Shortposition damit 1 Billion USD erreicht haben. Das Handelsblatt schrieb dazu: „Nahezu die gesamte Wall Street scheint sich auf einen möglichen Kursabsturz vorzubereiten“.
„Umsatzwachstum oft nur inflationsbedingt“
Viele Shortseller haben in den letzten Monaten Verluste eingefahren. Der Grund: Die Märkte entwickelten sich trotz Inflation, steigender Zinsen und der Turbulenzen im Bankensektor positiv. Viele Analysten rechnen jedoch damit, dass sich die Lage in nächster Zeit eintrübt.
Mike Wilson von Morgan Stanley (NYSE:MS) etwa geht von einem Kurseinbruch um bis zu 20 % aus. Wilson verweist darauf, dass die Märkte das erwartete Ende des aktuellen Zinserhöhungszyklus feierten. Dafür seien die schwächeren Inflationsraten ursächlich - und genau dies werde zu einem Problem.
Die sinkende Inflation ist für Wilson ein Indiz für eine sinkende Nachfrage. Viele Unternehmen erzielten derzeit nur Umsatzzuwächse, weil die Preise stiegen. Eine rückläufige Teuerungsrate würde im Umkehrschluss zu schwächeren Unternehmensgewinnen führen – und zwar durchaus für mehrere Monate.
Massive Gewinneinbrüche im ersten Quartal?
Wilson steht mit seiner Meinung nicht allein. Jean Boivin und Wei Li vom Vermögensverwalter Blackrock rechnen mit massiven Gewinneinbrüchen im ersten Quartal.
Den Shortsellern kämen sinkende Kurse sicherlich gelegen. Im Januar 2023 wurden sie von steigenden Kursen überrascht und mussten ihre Positionen glattstellen. Laut S3 Partners wurden dabei Verluste im Umfang von 90 Milliarden USD realisiert.
Allein bei Wetten gegen europäische Banken im April verloren Shortseller dem Analyseunternehmen Ortex zufolge rund 1 Milliarde USD. Im März waren mit Shortpositionen auf europäische Banken noch Gewinne im Umfang von 2,7 Milliarden USD erzielt worden.
Der Grund ist wiederum eine überraschend starke Kursentwicklung: Der Aktienindex STOXX European Banks ist gegenüber den Tiefstständen Ende März um bis zu 18 % gestiegen. Italiens UniCredit (BIT:CRDI) (WKN: A2DJV6, ISIN: IT0005239360) – laut Ortex und S&P Global Market Intelligence eine der am häufigsten geshorteten Aktien – hat seitdem um 35 % auf den höchsten Stand seit 2016 zugelegt.
BoA-Umfrage: Fondsmanager meiden Banken
Dabei scheinen institutionelle Investoren häufig noch an der Seitenlinie zu stehen. Einer Umfrage der Bank of America (NYSE:BAC) zufolge hatten Fondsmanager ihr Engagement in Banken im April auf den niedrigsten Wert seit Mai 2020 reduziert.
Ein Grund für die Kursrallye bei Banken ist die Beruhigung nach den Turbulenzen um Silicon Valley Bank (OTC:SIVBQ) und Credit Suisse (SIX:CSGN). Doch die Institute verdienen generell wieder besser. Carlo Franchini, Leiter des Bereichs institutionelle Kunden bei der Banca Ifigest konstatiert, dass die Zinserträge durch die Zinserhöhungen erheblich gesteigert worden seien.
Dafür sprechen auch Daten von Refinitiv IBES, denen zufolge europäische Finanzwerte im ersten Quartal ein Gewinnwachstum von 31 % vermelden. Für das Gesamtjahr wird ein Gewinnwachstum von 19,5 % prognostiziert.
Shortseller setzen auf konjunktursensitive Werte
James Rutland, Fondsmanager bei Invesco in London, verweist auf die „viel stärkere Kapitalbasis“ der Institute im Vergleich zur Vergangenheit. Die positiven Auswirkungen des höheren Zinsniveaus spiegelten sich deshalb noch nicht hinreichend in den Kursen von Bankaktien (NASDAQ:KBWB) wider.
Auch S&P Global Market Intelligence sieht eine gezielte Positionierung von Leerverkäufern für eine mögliche Rezession. Shortseller verstärkten ihre Wetten auf den Nicht-Basiskonsumgütersektor, während Shortpositionen in Basiskonsumgüteraktien zurückgefahren würden. Nicht-Basiskonsumgüter waren laut S&P Ende März der Sektor mit den meisten Leerverkäufen im S&P 500, wobei 5,8 % der ausstehenden Aktien leer verkauft wurden.
Basiskonsumgüter gelten als klassische defensive Werte und damit gut geeignet für konjunkturelle Schwächephasen. Neben der weiteren Rezession spricht auch ein Nachholeffekt für diese Aktien. So haben sich laut einer Auswertung des Wall Street Journal Nicht-Basiskonsumgüter-Aktien in diesem Jahr mit einem Plus von 15 % überdurchschnittlich entwickelt. Basiskonsumgüter sind im Jahresvergleich um etwa 1,4 % gestiegen.