Nach einer mehrmonatigen Rally erreichte der Silberpreis am Pfingstmontag mit 32,51 US-Dollar den höchsten Stand seit dem Dezember 2012. In den letzten fünfeinhalb Wochen korrigierten die Silbernotierungen jedoch und fielen dabei zuletzt auch wieder deutlich unter die psychologische Marke von 30 US-Dollar. Dennoch ist bislang kein extrem starker Verkaufsdruck zu verzeichnen, da die Aufschläge auf physisches Silber in Shanghai nach wie vor über 13% betragen und den Silbermarkt damit weiterhin stützen.
Differenz Silber Spot in Prozent LBMA & Shanghai, vom 27.Juni 2024. Quelle: Inproved Analytics 2024
Mit Stand vom 26.Juni lagen die Aufschläge an der Shanghai Gold Exchange für physisches Silber mit 32,58 US-Dollar fast vier US-Dollar pro Unze weiterhin deutlich über dem Weltmarktpreis und damit über den westlichen Silberpreisen. Dies deutet nach wie vor auf eine starke lokale Nachfrage und begrenzte Verfügbarkeit von physischem Silber in China hin. Die anhaltend hohen Aufschläge in Shanghai haben bereits den Anstieg des Goldpreises seit Oktober 2023 unterstützt und seit Anfang März auch den Aufwärtstrend beim Silber erzwungen.
Insbesondere die industrielle Nachfrage aus der Solarindustrie in China und Indien hat für eine Dezimierung der physischen Bestände am chinesischen Markt gesorgt. Diese Entwicklung könnte im Prinzip jederzeit zu einem "Short Squeeze" an der COMEX führen, da die hohen Aufschläge in China Arbitragemöglichkeiten schaffen und den Fluss von physischem Silber in Richtung Osten verstärken. Grundsätzlich beeinflusst der chinesische Markt zunehmend die Preisfindung für Silber, während die Manipulation an westlichen Rohstoffbörsen durch ungedecktes Papier-Silber weiter unter Druck gerät.
Trotzdem sollte man deswegen nicht blind in das Lager der Perma-Bullen wechseln. Auch mit diesem starken fundamentalen Treiber im Rücken kann und wird der Silberpreis Auf und Abs erleben. Dabei könnte sich die insgesamt eher ungünstige Saisonalität bei den Edelmetallen bis zum Spätherbst weiter durchsetzen. Angesichts der zunehmend instabilen Blase bei den Tech-Aktien (NYSE:XLK) könnten zudem größere Verwerfungen im Finanzsystem auch wieder für Liquiditätsengpässe sorgen, die dann alles bis auf den US-Dollar vorübergehend unter Druck bringen würden. Erst wenn die Fed mit Zinssenkungen und Geldmengenausweitungen den Märkten erneut zur Hilfe eilen muss, dürften die Edelmetallpreise explodieren.
Die aktuelle US-Geldpolitik ist nach elf Zinserhöhungen in Serie und einer Zinspause seit Juli 2023 hingegen weiterhin vorsichtig und nicht expansiv. Neue Liquidität kam stattdessen vor allem durch staatliche Ausgabenprogramme und Konjunkturpakete, die mittels der Fiskalpolitik in die US-Wirtschaft gepumpt wurden. Dieser Faktor wird sich bis zur US-Wahl vermutlich immer weiter abschwächen. Wir bleiben daher aus makroökonomischer als auch aus saisonaler Sicht weiterhin bei unserer vorsichtigen und eher zurückhaltenden Einstellung, die wir in den letzten zweieinhalb Monaten Schritt für Schritt eingenommen haben.
Silber in US-Dollar - Tageschart
Silber in US-Dollar, Tageschart vom 27. Juni 2024. Quelle: Tradingview
Ausgehend von einem Tiefpunkt bei 22,27 US-Dollar konnte sich der Silberpreis seit dem 28.Februar in fünf Wellen deutlich nach oben bewegen. Seit dem Hoch bei 32,51 US-Dollar am 20.Mai ist diese Aufwärtsbewegung entweder nur unterbrochen oder aber beendet worden. Bislang steht in der Spitze ein Rücksetzer von -12,14% zu Buche. Mit 28,57 US-Dollar gelang den Bären am gestrigen Mittwoch ein minimal tieferes Tief gegenüber dem Tief am 13.Juni bei 23,65 US-Dollar. Damit ist der Rücksetzer weiterhin intakt, ein starkes Momentum konnten die Bären bislang jedoch nicht entfalten.
Solange die breite Unterstützungszone zwischen ca. 29 und 28 US-Dollar hält, könnte man daher von einer gesunden Konsolidierung auf hohem Niveau ausgehen. Rutschen die Silbernotierungen hingegen durch diese Unterstützung, trübt sich das charttechnische Bild weiter ein. Das aktive Verkaufssignal auf dem nicht abgebildeten Wochenchart würde dann weiter verstärkt werden und wohl eine Fortsetzung der Korrektur für mindestens ein bis zwei weitere Monate erzwingen.
Silber Saisonalität vom 27.Juni 2024. Quelle: Seasonax
Insgesamt macht der Silbermarkt eher den Eindruck, als dass hier noch mehr Konsolidierungsbedarf vorliegt. Die saisonale Komponente lässt allerdings ab Anfang Juli ein wichtiges Tief vermuten, von dem aus bis in den August bzw. sogar bis Anfang September durchaus eine stattliche Aufwärtsbewegung starten könnte.
Silber in Euro - Tageschart
Silber in Euro, Tageschart vom 27. Juni 2024. Quelle: Tradingview
Auf Euro-Basis wurde unsere Zielzone oberhalb von 30 Euro bislang verfehlt. Stattdessen sind die Silbernotierungen zuletzt aus dem Aufwärtstrendkanal nach unten gerutscht und hängen so gerade noch an der Unterstützungszone. Da der Tageschart bereits überverkauft ist, dürfte das Abwärtsrisiko vorerst überschaubar bleiben. Vielmehr wäre ein Anstieg bzw. eine Erholung bis in den Bereich um 28,50 Euro im Zuge einer Sommerrally im Juli und August durchaus möglich.
Konklusion: Silber - Konsolidierung vor der Sommerrally
Nachdem der Silberpreis ab Ende April die Führung im Edelmetall-Sektor übernommen hatte und stürmisch über 30 US-Dollar ausgebrochen war, hat sich die Lage in den letzten fünf Wochen deutlich beruhigt. Das Gold/Silber-Ratio konnte sich dabei von Werten bei 72,7 bis auf aktuell über 80 klar zu Gunsten des Goldes erholen. Die überverkaufte Lage auf dem Tageschart, vor allem beim Silberpreis, lässt jedoch zusammen mit dem saisonalen Muster im Laufe des Julis den Beginn einer typischen Sommerrally vermuten. Dabei dürfte es vermutlich nicht zu einem Ausbruch auf neue Hochs kommen, aber ein zäher Anstieg bis auf ca. 30,50 bis 30,90 US-Dollar wäre denkbar.