Obwohl die Rendite der einjährigen US-Staatsanleihen mit 4,07% ein neues Zyklushoch erreichte, legten die US-Indizes gestern gleich vom Handelsstart weg über nahezu alle Sektoren zu, was schließlich dann auch Europas Börsen mitzog. Wie wichtig der derzeitige Einbruch der Gas Futures für Europa ist, zeigt sich beispielhaft am heute gemeldeten Anstieg der Erzeugerpreise in Deutschland im August. Dieser fiel höher aus als prognostiziert, den weitaus größten Anteil daran hatten die Energiepreise. Während aber der Preis des relevanten Dutch TTF Gas Base Future im Vormonat im Durchschnitt bei 240 Euro lag, steht er bislang im September gut zehn Prozent niedriger. Noch auffälliger ist der Kurssturz von 40% seit der Hysterie-Spitze vom 26. August. Der deutliche Rückgang ist der Tatsache geschuldet, dass die Läger weit über Plan gefüllt sind und sich mit den neuen LNG-Terminals das Versorgungsproblem ohnehin entspannen wird. Sollte das Nuklearabkommen mit dem Iran unterzeichnet werden, ist auch beim Ölpreis Entspannung zu erwarten. Mit anderen Worten: es ist legitim, wieder von Peak-Inflation zu träumen. Damit fände aber die aggressive Politik der Notenbanken in überschaubarer Zeit ein Ende. Kurzfristig jedoch bleibt die Lage extrem nebulös, denn die Geldhüter wollen schnelle Resultate schaffen, ihnen ist die globale Preis treibende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen immer noch viel zu hoch. Dazu passend hat Schweden vorhin den Leitzins stärker als erwartet um 100 Basispunkte von 0,75% auf 1,75% angehoben. Die Zentralbank sieht den Leitzins im vierten Quartal nun im Durchschnitt bei 1,90% und in 2023 bei 2,50 Prozent. Hat dieser große Zinsschritt Vorbildfunktion für die EZB? Jedenfalls hat die Riksbank damit einen Eimer kaltes Wasser über die zum Handelsstart bestehende Euphorie an Europas Börsen geschüttet. Japan kennt das Inflationsproblem weiterhin nicht: zwar ist auch dort der Preisanstieg höher ausgefallen als prognostiziert. Mit +3% ist der Anstieg der Verbraucherpreise aber im globalen Vergleich moderat. Zudem hält die Bank of Japan derzeit immer noch an ihrem 2016 eingeführten Prinzip fest, die Renditekurve zu steuern, wobei sie die Langfristzinsen quasi bei 0% eingemauert hat. Wegen der dadurch bedingten Unattraktivität gegenüber z.B. USD-Bonds schwächelt die Währung, zudem sind die Refinanzierungskosten für Unternehmen weiterhin niedrig. Kein Wunder, dass unverändert unter den großen Industrienationen die japanische Börse den robustesten Eindruck macht. Von der heute beginnenden FED-Sitzung wird erwartet, dass die Zinsen morgen um weitere 75 Basispunkte angehoben werden. Von 96 Ökonomen, die Bloomberg befragt hat, erwarten nur 2 einen größeren Schritt von 100 Basispunkten. Powell wird wohl sagen, dass die FED die Zinsen step by step weiter auf über 4% erhöhen und die US-Notenbank dann eine Pause einlegen wird. Relevant wird sein, ob das FED-Ziel knapp über 4 oder eher bei 4,5% liegen wird. Das ist der Wert, den die Swapkontrakte für März 2023 implizieren. 4% sind mit dem jüngsten Einbruch eingepreist, aber 4,5 wäre für die Börsen sicher zu viel. Das würde wohl die wichtigen 10y Treasuries von 3,5 auf 3,75% schieben und weitere Anleger aus US-Aktien in US-Anleihen treiben. Die Entschlossenheit, mit der die Notenbanken der Inflation entgegen treten, ist trotz allem berechtigtem Zuspruch ein zweischmeidiges Schwert. Denn während die Inflation per se bereits die privaten Haushalte ärmer macht, indem sie Kaufkraft abschöpft, führte die aggressive Politik der Zentralbanken zudem auch noch zu einem spürbaren (gewollten (?)) Vermögensschwund in den Depots der Anleger. Die letzte große noch bestehende Blase ist der globale Immobilienmarkt. Hier wäre ein Crash verheerend, weil dieser einen volkswirtschaftlichen Flächenbrand auslösen würde. Achtung: auch dort zeigen sich nun erste Risse!