- Die Aktien der Credit Suisse (SIX:CSGN) werden nach einem Kurseinbruch um 30 % in den letzten 11 Tagen auf einem Rekordtief gehandelt
- Nach massiven Mittelabflüssen aus der wichtigen Wealth-Management-Einheit stoßen Anleger CS-Aktien ab
- Sollte sich das Tempo der Kapitalabzüge nicht verlangsamen, könnte das die Liquiditätsausstattung der Bank unter die regulatorischen Anforderungen drücken
Es sieht so aus, als befände sich der zweitgrößte Kreditgeber der Schweiz, die Credit Suisse (NYSE:CS), auf einer nicht enden wollenden Talfahrt.
Der Aktienkurs rauschte am Donnerstag bis zu 4,3 % in den Keller, erreichte ein neues Rekordtief und befindet sich auf dem besten Weg, die längste Verlustserie seit 2011 zu realisieren. Seit 11 Tagen in Folge ist der Kurs der Aktie gefallen und hat bis zu 40 % nachgegeben.
Wenn ein Kreditgeber von der Größe der Credit Suisse in eine solche Abwärtsspirale gerät, erinnert das die Investoren an die Finanzkrise von 2008, als mehrere Banken zusammenbrachen und staatliche Rettungsmaßnahmen erforderlich waren, um das globale Finanzsystem zu retten.
Steht der Credit Suisse ein ähnliches Schicksal bevor? Auf den ersten Blick scheint das nicht sonderlich wahrscheinlich zu sein. Die zweitgrößte Bank der Schweiz verwaltete bis vor kurzem ein Vermögen von rund 1,47 Bio. USD. Sie wies am 30. Juni eine Kernkapitalquote (Tier 1) von 13,5 % auf, die weit über dem internationalen regulatorischen Minimum von 8 % und den Anforderungen der Schweiz von rund 10 % lag. Ihre Liquiditätsdeckung ist eine der höchsten unter den europäischen und US-amerikanischen Banken.
Der Tiefflug der Credit-Suisse-Aktie könnte aufgrund der hohen Liquiditätsausstattung der Deal des Jahres sein. Aber die Zahlen vermitteln nicht immer das ganze Bild.
Verlust der Reputation
Das Hauptproblem der Credit Suisse ist ihre sinkende Reputation, was durch den Teufelskreis des Misstrauens unter Anlegern und vermögenden Auftraggebern geschürt wird. Die Bank hat eine Vorgeschichte von Skandalen und Turbulenzen im Management, die ihrer Stellung als einer der größten Vermögensverwalter für die Reichen dieser Welt geschadet haben.
Die Liste der Verfehlungen des Kreditinstituts ist lang und reicht von der Pleite der Archegos Capital Management im letzten Jahr über Bespitzelungsprogramme von Führungskräften bis hin zu Betrugsfällen im Private Banking.
Letzte Woche warnte die Bank, dass sie im 4. Quartal rund 1,6 Mrd. USD verlieren würde, nachdem Kunden begonnen hatten, ihre Investitionen und Einlagen abzuziehen. Zwischen dem 30. September und dem 11. November beliefen sich die Abflüsse auf etwa 6 % des Gesamtvermögens von 1,47 Bio. USD, d. h. rund 88,3 Mrd. USD.
Die Kunden der Sparte Vermögensverwaltung - das Herzstück der Bank - zogen 66,7 Mrd. USD von der Bank ab. Laut ihren Geschäftsberichten generiert die Bank in der Regel mindestens 30 Mrd. USD an Nettozuflüssen in einem Jahr und hat seit 2008 keinen jährlichen Nettoabfluss mehr verzeichnet.
Aufgrund dieser sich zuspitzenden Vertrauenskrise befinden sich die Bewertungsmodelle für die CS im roten Bereich, was bedeutet, dass Anleger die Finger von CS-Aktien lassen sollten.
Quelle: InvestingPro
Die Zukunft der Credit Suisse, der Bank, die die Schweiz zu einem Dreh- und Angelpunkt des internationalen Finanzwesens gemacht hat, hängt maßgeblich von der Umstrukturierung ab, die das neue Managementteam in Angriff nimmt. Die Bank kündigte im vergangenen Monat eine massive Umstrukturierung mit einer Auflösung der Investmentbank, der Trennung der Beratungs- und Kapitalmarkteinheit und dem Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen an.
Die Bank nimmt für die Finanzierung der Umstrukturierung 4 Mrd. Schweizer Franken (4,2 Mrd. USD) durch eine Bezugsrechtsemission und den Verkauf von Aktien an Investoren, darunter die saudische Nationalbank, auf.
Angesichts des tiefen Lochs, in dem die CS steckt, könnte man meinen, dass die Aktie des Unternehmens diese Risiken widerspiegelt. CS wird zu etwa 20 % des materiellen Buchwerts oder des Nettovermögens gehandelt. Mit anderen Worten: Man kann eine Aktie der Credit Suisse für 20 Cents zum Dollar kaufen. Wenn die Bank ihren Restrukturierungsplan dann erfolgreich umsetzt, bedeutet das Aufwärtspotenzial.
Aber wie ich bereits erwähnt habe, ist das Reputationsrisiko der CS zu groß, und das könnte die Abflüsse beschleunigen, falls es weitere schlechte Nachrichten gibt. Die Analysten von JPMorgan erklärten kürzlich in einer Anlegernotiz, dass CS "was die Stabilisierung des Geschäftsbereichs angeht, noch nicht über den Berg ist."
Andreas Venditti, Analyst von Vontobel, schreibt in seiner Notiz:
"Die massiven Nettoabflüsse in der Vermögensverwaltung, dem Kerngeschäft der CS neben der Schweizer Bank, sind sehr besorgniserregend - umso mehr, als sich da noch nichts grundsätzlich geändert hat."
Fazit
Die Credit Suisse ist auf einem langen und schmerzhaften Weg, um ihre Talfahrt zu stoppen und das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen. Bei diesen extrem niedrigen Kursen könnte die Aktie durchaus etwas Aufwärtspotenzial haben. Ich bin jedoch der Meinung, dass sich das Risiko eines Einstiegs nicht lohnt, zumal es in diesem Bärenmarkt viele andere attraktive Möglichkeiten gibt.
Offenlegung: Haris Anwar besitzt keine Aktien der Credit Suisse. Die in diesem Artikel dargelegten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des Verfassers wider und sind nicht als Anlageberatung zu verstehen.