Nicht viele können sich an das letzte Mal erinnern, als der Erdgasmarkt, der wegen seiner Geschichte von wilden Preiskapriolen auch als der ‘Wilde Westen” unter den Rohstoffen gilt, an einem einzigen Tag einen Satz um 18% gemacht hat.
Das passierte am 28. Oktober 2010, als ein Derecho, eine schwere Sturmfront mit schweren Gewitterstürmen, einen vorwinterlichen Schneesturm im Großteil der Vereinigten Staaten brachte, der zu einem Hochspringen der Heiznachfrage führte.
Explosiver Preisanstieg
An jenem Tag vor acht Jahren gewann der Frontmonat-Gaskontrakt an der New York Mercantile Exchange fast 60 US-Cent pro Million British thermal units hinzu, um dann den Handel zu einem Referenzpreis von 3,89 USD pro mmBtu zu beenden.
So, als an diesem Mittwoch der NYMEX Frontmonatskontrakt auf Gas den Handel 74 US-Cent oder 18% höher in der Nähe eines 5-Jahreshochs von 4,84 USD beendete, wegen der Furcht vor einem vorzeitigen Wintersturm, gingen den Marktteilnehmern die Superlative aus, um die Preisexplosion zu charakterisieren, bei einem Rohstoff, dessen Kurs sich über die letzten vier Jahre selten um mehr als ein paar Prozent am Tag bewegt hat.
Der Preis von Erdgas ist in diesem Jahr um mittlerweile fast 60% gestiegen, dem höchsten Zuwachs am Rohstoffmarkt. Der nächstbeste Wettbewerber, Hafer, hat sich um lediglich 20% verteuert.
Das steht im scharfen Kontrast zu US-Erdöl, einem anderen Energieträger, der in den vergangenen sechs Wochen allein um die 25% an Wert verloren hat.
'Angst und Schrecken' am Gasmarkt
“Geringe Vorräte und kalte Witterung haben endlich die Händler in Angst und Schrecken versetzt,” schrieb Dan Flynn von der Chicagoer Price Futures Group nach der Gasrallye am Mittwoch und bezog sich auf Wintersturm Avery, der den Wettermodellen nach auf dem Weg in den Nordosten der Vereinigten Staaten war, nachdem er eine Mischung aus Regen, Schnee und Eis in Teilen der Flusstäler des mittleren Mississippis und des Ohios niedergehen ließ.
Einige Analysten zeigten Reue, dass sie andere mit ihren Prognosen in die Irre geführt haben. “Viele Dinge, die sich vorhergesagt habe, waren falsch, da ich bärisch eingestellt war,” gab Scott Shelton zu, ein Energiebroker bei ICAP aus Durham in North Carolina, der täglich Mitteilungen zu Gas und Öl verbreitet.
Shelton sagte, dass während seine ursprünglichen Einschätzungen großartig aussahen, als der Markt sich in seine Richtung bewegte, “es jetzt völlig schiefgelaufen ist” da er die Vorhersagen von kälter als üblichem Wetter für November unterschätzte. Sheltons Worte unterstreichen die Vorsicht einiger Marktteilnehmer, die sich an den Preisausschlag von 2010 erinnern konnten: Erdgas sollte immer als schläfriger Markt angesehen werden, der plötzlich aufwachen und seine Zähne zeigen kann und in der Lage ist, auch unter den besten Händlern mit plötzlichen zweistelligen Preisschwüngen ein Blutbad anzurichten.
Während es zu früh ist, um zu wissen, wer die Gewinner und Verlierer der gewaltigen Bewegung vom Mittwoch waren, gibt es eine lange Liste von Händlern, die sich in der Vergangenheit die Finger verbrannten, als sie falsch auf die Gasnachfrage während der Spitzenverbrauchszeiten für Klimaanlagen im Sommer und für Wärme im Winter wetteten.
Unter den Opfern, dürfte der denkwürdigste Brian Hunter sein, einem in Kanada geborenen Gashändler, der nach einigen hochkarätigen Gewinnen in frühen 2000ern in 2006 fast 7 Mrd USD in den Sand setzte und seinen Arbeitgeber, den Hedgefonds Aramanth Advisors, auch in die ewigen Jagdgründe schickte. Interessanterweise fiel Hunter einem besonderen Geschäft bei Erdgas, genannt der ‘Witwenmacher’ zum Opfer, der eine Wette zwischen den Monaten März und April ist, wenn das Frühlingswetter häufig zwischen kalt und warm hin und her springt, was für Gashändler besonders riskante Situationen ergibt.
Unter den Gewinnern war der wahrscheinlich größte John Arnold, ein früherer Enron-Händler, der seinen selbst gegründeten Hedgefonds Centaurus Advisors benutzte, um die Gegenposition von Hunters Wette in 2006 aufzubauen, was ihn mit 33 Jahren zu einem der jüngsten Milliardär in den USA machte.
Ein schwer zu verstehender Markt
Auch ohne solche Geschichten ist Erdgas ein Markt voller Kontraste. Obwohl es der Brennstoff der Wahl für US-Stromerzeuger ist und verflüssigt in etwa drei Dutzend Länder exportiert wird, liegt das open Interest (Gesamtmenge der offenen Positionen) bei US-Erdgasfutures unter 76 Mrd USD, gegenüber mehr als 116 Mrd USD für US-Rohöl.
In diesem Jahr war der Markt für die meisten Händler besonders schwer zu verstehen. Reichliche Mengen an Gas aus der primären Gasförderung und als Begleitprodukt der Schieferölförderung, hat die Produktionsmenge auf ein Rekordniveau steigen lassen—nicht unähnlich der Situation beim Öl.
Trotz der hohen Förderung sind die Gasvorräte niemals übermäßig angestiegen, er dank des heißen Sommers, dann wegen der frühen Kälte, die Klimaanlagen bzw. Heizgeräte Überstunden machen ließen. Während Preise jenseits von 3 USD pro mmBtu in den letzten Monaten normal geworden waren, kam der Schock, der sie in dieser Woche über 4 USD schickte, als die Bullen am Markt für November eine kälter als übliche Witterung annahmen.
Und bevor die Bären wussten, was da auf sie zukam, lief der Markt auf einen Preis von 5 USD zu. Mit mindestens 3-1/2 Monaten der kalten Jahreszeit noch vor uns, scheint der Weg des geringsten Widerstands zur Zeit nach oben zu führen.
Dan Myers, Analyst bei Gelber & Associates aus Houston meint:
“Der Trend zu Prognosen auf eine kältere Witterung im späten November verstärkt die Ansicht am Markt, dass wir uns schnurstracks auf einen schweren Winter zubewegen.”
Dominick Chirichella vom Energy Management Institute aus New York fügte an:
“Niedrige Vorräte und Temperaturen halten die Bären vom Markt fern und die Bullen in Kontrolle.”