Am 12. März war in der Börse-Intern zu lesen, dass zinsloses Gold von steigenden Anleiherenditen zunehmend Konkurrenz bekommt. Und der Goldpreis würde sich auch deshalb schon in einem klaren Abwärtstrend befinden. Dazu erhielt ich wenig später folgende Leser-Mail:
„Eine Frage zu Ihrer Einschätzung bzgl. des Goldkurses, wonach er eher sinken wird: Aufgrund der aufkommenden Inflationssorgen, der extremen Börsen-Höchststände bei astronomischen KGVs, der Verschuldung, gleichzeitig sehr viel Geld im Umlauf: Ist da nicht absehbar, das Gold bald als sicherer Hafen wieder gesucht und gewünscht sein wird? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung.
Herzlichen Dank für Ihre informativen Einsichten.
Mit freundlichen Grüßen“
Ein temporärer Inflationsanstieg wird Gold nicht helfen
In der Börse-Intern vom 7. April bin ich inzwischen recht ausführlich auf das Thema Inflation eingegangen. Unter anderem habe ich dabei dargelegt, dass zwar die Inflation und auch die Inflationserwartungen steigen, der Anstieg der Inflation aber verhältnismäßig gering ausfällt und die höheren Inflationsraten wahrscheinlich nur vorübergehender Natur sein werden.
Auf diese These, dass die Inflation, nach einem vorübergehenden Anstieg durch Basiseffekte, nicht weiter ansteigen wird, sind auch die Experten der DWS kürzlich eingegangen, allerdings noch deutlich ausführlicher und umfassender als ich. Sie finden die DWS-Analyse unter folgendem Link: https://www.dws.com/de/insights/cio-view/makro/die-rueckkehr-der-inflation/
Ich finde das dort Geschriebene sehr plausibel. Und auch vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass Gold nicht stark nachgefragt wird, zumindest nicht als Schutz vor einer stark steigenden Inflation.
Der Goldpreis korreliert mit den Zinsen
Genau dies habe ich dem Leser auch in meiner Antwort geschrieben und zudem darauf hingewiesen, dass Gold weniger von einer steigenden Inflation, sondern insbesondere von sinkenden Zinsen profitiert, wobei eine hohe negative Korrelation zu den Realrenditen zu beobachten ist, also den nominalen Zinsen abzüglich der Inflation. Dies belegt auch eine Grafik der Berenberg Bank:
(Quelle: Berenberg)
Und so belastete Insbesondere der durch den Konjunkturaufschwung bedingte Realzinsanstieg zuletzt den Goldpreis. Schon öfter habe ich hier in der Börse-Intern darauf hingewiesen, dass sich die Goldhaltung mit steigenden Realzinsen verteuert, da die Opportunitätskosten der Kapitalbindung steigen.
Realrenditen sinken, Goldpreis steigt
Bis vor kurzem gingen die Renditen und die Inflation(serwartungen) Hand in Hand. Die Realrendite blieb dadurch konstant und ist nicht gesunken. In den USA war die Realrendite sogar gestiegen. Und dies hat den Goldpreis belastet.
Inzwischen wurde allerdings bekannt, dass die Inflation in den USA im März auf 2,6 % gestiegen ist, von 1,7 % im Februar (siehe auch „Die Inflation schießt nach oben, der Nasdaq 100 auch“).
Die Renditen in den USA sind aber nicht im gleichen Maße weiter gestiegen. Im Gegenteil: Sie haben knapp oberhalb von 1,6 % ein Hoch gebildet (die Kerninflationsrate lag im März bei 1,6 %) und sind jüngst unter diese Marke zurückgefallen.
Dadurch ist die Realrendite in den USA wieder deutlich gesunken. Und so konnte sich der Goldpreis stabilisieren und sogar etwas erholen.
Dabei hat der Kurs als Basis für die Erholung einen Doppelboden ausgebildet (siehe grüne Pfeile im Chart). Und dieser wurde heute bestätigt, weil das Zwischenhoch der beiden Tiefs bei 1.755 USD überwunden werden konnte (grüner Kreis, rote horizontale Linie).
Gelingt nun auch noch der bullishe Bruch des Abwärtstrendkanals (rot), dann hätte der Goldpreis sehr gute Chancen für eine deutliche Fortsetzung der Kurserholung. Es wäre sogar denkbar, dass das Edelmetall dann eine ABC-Korrektur (rote Buchstaben) hinter sich gelassen hat und der übergeordnete Aufwärtstrend wieder aufgenommen wurde.
Spätestens in der zweiten Jahreshälfte dürfte es Gold wieder schwer haben
Daran fehlt mir persönlich allerdings der Glaube. Denn wenn die Inflation weiter steigt, werden auch die Renditen weiter anziehen. Allerdings dürften die Notenbanken vorerst noch den Fuß auf dem Gaspedal halten, bis der Inflationsdruck zu hoch wird. Erst dann dürften sie das Tempo (Volumen) ihrer Anleihekäufe reduzieren, was aber wohl frühestens in der zweiten Jahreshälfte der Fall ein wird. Und so könnten die Realrenditen mit einer weiter steigenden Inflation sogar noch einmal deutlich fallen, was die Kurserholung im Goldpreis weiter antreiben dürfte.
Setzt sich die wirtschaftliche Erholung aber fort, werden die Notenbanken ihre expansive Geldpolitik zurücknehmen und einen Anstieg der Renditen zulassen. Und ist der Anstieg der Inflation tatsächlich nur temporär, wird dies eine Wende bei den Realrenditen bedeuten. Und daher bleibe ich bei meiner Aussage aus der Börse-Intern vom 12. März und den Analysen des Target-Trend-Spezial, dass Gold langfristig als Investment uninteressant ist.
Kann die Verschuldung dem Goldpreis helfen?
Allerdings kann Gold durchaus noch einmal interessant werden. Denn womit der Leser natürlich Recht haben könnte, ist, dass die extrem hohe weltweite Verschuldung zu einem systemischen Problem werden könnte. Und dann wäre Gold als sicherer Hafen womöglich noch einmal gefragt. Allerdings war die Verschuldung bislang nur in sehr seltenen Fällen ein echtes Problem.Kann eine Korrektur am Aktienmarkt Gold helfen?
Bleibt noch die These des Lesers, dass es aufgrund der „extremen Börsen-Höchststände bei astronomischen KGVs“ zu einer scharfen Korrektur an den Aktienmärkten kommen kann. Dies könnte einige Anleger verunsichern, die dann wieder den Schutz des sicheren Hafens Gold suchen. Allerdings hat sich zuletzt auch immer wieder gezeigt, dass Gold gerade bei starken und schnellen Abverkäufen an den Aktienmärkten ebenfalls fiel. Es ist also fraglich, ob Gold von einer Korrektur am Aktienmarkt profitieren kann.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus