von Tanzeel Akhtar
Das englische Original des Artikels erschien am Montag, dem 26. März 2018, unter dem Titel 'What's Fueling The Drop-Off In Initial Coin Offerings?' auf Investing.com.
- Anzahl der Erstemissionen digitaler Münzen (initial coin offerings, ICOs) soll im März 2018 fallen
- US-Regeln zu ICOs sind undurchsichtig und gegen eine Anzahl von Projekten wird ermittelt
- ICOs haben keinen Erfolg wegen Phishing und Online-Betrug
- Mehr Wachsamkeit, bessere Daten könnten die nächste Welle von Token-Angeboten beflügeln
Letzte Woche nahm ich an einem der größten Ereignissen zu digitalen Wertanlagen der Welt teil, derToken2049 in Hongkong. Kryptofans aus ganz Asien und anderen Teilen der Welt kamen dort zusammen, um digitale Wertanlagen und auf der Blockchain aufbauende Tokens und Technologie zu diskutieren. Außerdem kamen viele Teilnehmer um über Emissionen digitaler Münzen (Initial Coin Offerings, ICOs) zu sprechen, der Kryptoversion von Börsengängen (Initial Public Offering, IPO) an den Aktienmärkten. Die Anzahl der Leute, die über eine Münzemission reden, überwältigend zu nennen, wäre eine Untertreibung.
Einem Report der Wagniskapitalfirmen FabricVentures und TokenData nach, wurden basierend auf deren Berechnungen in 2017 mehr als 5,6 Mrd USD an Geldern eingesammelt. "Im Vergleich dazu wurden über 'traditionelles' Wagniskapital lediglich 1 Mrd USD für Blockchain-Startups eingesammelt, nachdem in 2016 'nur' 240 Mio USD über Tokenverkäufe zusammen gekommen waren" so der Report weiter.
Quelle: FabricVentures / TokenData
ICOs haben Milliarden an Dollars durch den Verkauf digitaler Wertanlagen eingesammelt. Aber in jüngster Zeit werden diese immer noch unregulierten Kapitalaufnahmen immer stärker unter die Lupe genommen. Auf einer vom MIT gesponserten Bitcoin Expo am Sonnabend, dem 17. März, behauptete einer der Redner, Christian Catalini, dass “40% bis 50% aller ICOs derzeit unter Wasser sind, d.h. die Tokens werden unter dem Ausgabekurs gehandelt.”
Wie von news.Bitcoin.com berichtet wurde, obwohl eine irre Menge an Kapital in ICOs geflossen ist, Statistiken für 2018 zeigen, dass von 74 der bisher in diesem Jahr abgeschlossenen Emissionen rund 76% im roten Bereich enden werden. Wieso werden so viele Token mit Verlust gehandelt, oder schlimmer, werden komplett wertlos? Einige machen die jüngst durchwachsene Entwicklung von bekannten Token wie Bitcoin und Ethereum verantwortlich.
Allerdings, weniger verbreitete Münzen wie EOS, das in den letzten sieben Tagen um fast 40% gestiegen ist und Cardano, das im gleichen Zeitraum fast 12% an Wert gewonnen hat, zeigen, dass es immer noch ein positives Momentum in den Token-Märkten gibt.
Überwachung durch US-Regulierer
Die US-Regulierung zu ICOs ist immer noch schwammig und fokussiert auf Kryptowährungen. Unterdessen betreibt die Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) derzeit Ermittlungen in Dutzenden Verfahren. Berichte deuten an, dass die Behörde Vorladungen an 'Dutzende' von Firmen versandt hat, von denen sie glaubt, dass sie Kapitalmarktgesetze durch ihre Verbindungen zu ICOs verletzen könnten. In der Tat, die Berichte stellen fest, dass die Ermittlungen der SEC zum Einfrieren von Kapital geführt haben, was die Vollendung einiger ICOs blockierte und das Aussetzen des Handels anderer Tokens erzwang.
Das Wall Street Journal berichtete, dass im März sowenig ICOs wie seit letztem August nicht mehr stattfinden werden. Mehr als 180 Erstemissionen sollen im März über die Bühne gehen, so Daten von Token Report. Dieser Wert dürfte die Gesamtzahl von 175 im Januar übersteigen, aber hinter den Wert vom Februar von 197 zurückfallen. Auch sollen die Projekte im März lediglich 795 MIo USD einsammeln, ein 45 prozentiger Rückgang gegenüber den 1,44 Mrd USD im Februar.
Was steckt hinter dem Zurückfallen? Yoav Keren, CEO der New Yorker Firma BrandShield glaubt, dass einer der Hauptgründe für die Probleme von ICOs ein direktes Ergebnis des weitverbreiteten Phishings und Online-Betrugs ist, die ein zunehmender Faktor in der Kryptowährungsindustrie geworden sind, zusammen mit dem Fehlen offizieller Regulierung in dem Bereich.
“Kryptowährungsunternehmen sind einer Vielzahl von Bedrohungen in allen Stadien des Lebenszyklus ausgesetzt: Während des ICO Prozesses riskieren Unternehmen, die sich nicht gegen Phishing schützen, den Verlust erheblicher Gelder, die von fehlgeleiteten Token-Käufern auf Phishing-Webseiten umgeleitet werden. Während des Tagesgeschäfts, gibt es für die Eigentümer von Kryptowährungen das Risiko dieses durch diverse Betrugs- und Phishingversuche zu verlieren.
Dieser Markt insbesondere ist anfällig für Risiken, da viel Geld und keine Regulierung Betrüger anlockt und die Sicherheit nicht im Vordergrund steht. Am Ende, hat jeder Betrug einen Welleneffekt auf den Vertrauensmangel im Markt."
ICOs machen Daten öffentlich und transparent
Nolan Bauerle, CoinDesks Forschungschef sieht die Situation ein wenig anders. Er glaubt, dass ICOs den Investoren eine Möglichkeit bieten, Innovation zu kaufen, während sie gleichzeitig Unternehmen im Frühstadium finanzieren.
Er schließt aus der Tatsache, dass es uns möglich ist, den Erfolg der aufgenommenen Mittel und den Kapitalrendite innerhalb derart kurzer Zeitrahmen zu messen, sowohl ein Ergebnis der Transparenz ist und ein Beweis von Innovation. Aus Bauerles Sicht, ist der Rückgang nur ein vorübergehender statistischer Effekt. Seiner Ansicht nach ist die Erfolgsquote im Kryptobereich in der Tat besser als bei Nicht-Krypto-Startups.
Bauerle hebt zudem hervor, dass als Wagniskapitalgeber (venture capitalists, VCs) die frühe Finanzierungsphase vollständig bestimmten, die Art von Transparenz, die wir bei ICOs sehen, nicht verfügbar war.
“Die Anzahl der Leute, die sowohl die Aufnahme von Fonds und die frühen Renditen in Frage stellen konnten, war auf einen kleinen Gruppe von Wagniskapitalgebern beschränkt, die überhaupt von den Möglichkeiten wussten. Es war ein kleiner geschlossener Zirkel aus den üblichen VCs.
Da die Zahlen in der ICO-Welt öffentlich und transparent sind, gibt es viele neue Teilnehmer und viele Möglichkeiten der Überprüfung. Zusammenfassend kann man sagen, dass Erfolg und Misserfolg bei ICOs in etwa dem gleichen Maße wie bei VCs da sind, der größte Unterschied ist die Transparenz und die Möglichkeit dies live in Märkten mit Millionen von Käufern und Verkäufern zu messen.
Als Anekdote, VCs akzeptieren, dass 90% ihres Portfolios abgeschrieben werden muss, was weitaus über den 40% bis 50% an ICOs liegt, die unter ihrem Ausgabekurs gehandelt werden.”
Der Wert der Token darf nicht mit dem Wert eine gesamten ICO-Projekt verwechselt werden, betont Moshe Joshua, Chefproduktentwickler bei Blackmoon Crypto. Er genkt, es gibt einen Mangel an Daten von der Verkäuferseite, sowie viele Kryptoinvestoren, die zu leicht von Hype und der Angst etwas zu verpassen motiviert werden. Das führt zu einer Proliferation von Fehlinformation anstelle genauer Daten und zur Hypervolatilität.
“Es handelt sich in den meisten Fällen um einen gewöhnlichen Fehler. Die Volatilität der Kurse sollte mit einem Mangel an einem Standardprotokoll in Verbindung stehen, wenn es um die Analyse von Investmenttaktiken geht.
Genauer—momentan gibt es einen Mangel an Forschung von der Verkäuferseite, d.h. derzeit überwiegen an den großen Kryptobörsen unerfahrene Kryptoinvestoren, die zu leicht zu raschen Entscheidungen verleitet werden können, was in der Tat die plötzlichen Kursbewegungen auslöst. Als Schlussfolgerung, sollte bei den meisten Projekten der Kurs eines Tokens in USD nicht als Indikator für Erfolg oder Scheitern eines Projekts angesehen werden.”
Die Emissionstätigkeit mag im März tatsächlich nachgelassen haben. Generell scheint man sich jedoch einig zu sein, dass es noch zu früh ist, ICOs für tot zu erklären. Im Gegenteil, das Aufkommen neuer Regulierung verbunden mit der schon erreichten oder einer noch höheren Transparenz könnte zu einer neuen Welle von Token-Angeboten führen.