Die Ölpreise fallen unaufhörlich. Droht jetzt ganzen Staaten der Gesellschaftskollaps? Diese Frage möge sehr provokant wirken – ist sie aber nicht.
Der Fall von Rohöl der Sorte Brent auf unter 28 US-Dollar am Montag sowie ein erneutes deutliches Nachgeben des amerikanischen Rohöls auf 28,36 USD wird wohl einigen Finanzministern und Staatsoberhäuptern mehr als nur Kopfschmerzen bereiten.
Die Ausrufung des nationalen Notstandes, z.B. in Venezuela, möge nur die Spitze des Eisberges aus Katastrophen sein, die immer mehr Länder erfassen dürften. Haushaltsdefizite im weiten zweistelligen Milliardenbereich in Saudi-Arabien, die ohnehin schon leeren Staatskassen beim zweitgrößten Förderer Russland und selbst die hausgemachten Probleme der amerikanischen Frackingindustrie werden internationalen und geopolitischen Zündstoff geben.
Und zu guter Letzt spielt auch nun noch der Iran beim Drehen an der Preis- und Förderspirale mit eine Rolle – ein Land, das zwar nur durchschnittlich 2,8 Millionen Barrel in 2015 pro Tag förderte, aber sich nach jahrelangen Isolierungen nun Wohlstand durch den wieder möglichen offenen Handel erhofft. Auch dieses wird weiter Öl ins Feuer bedeuten und den Preisen mehr und mehr belastend zusetzen.
In Venezuela zeigte sich, wie enorm die Sprengkraft des schwarzen Goldes ist. Die sozialistische Regierung die durch das Öl des Landes die Subventionskassen öffnete und im Gießkannenprinzip Wohlstand auf Krampf verbreiten wollte, zahlte bereits die Zeche. Was passiert als nächstes, wenn nun durch die konservative und Anti-Chavez Regierung aufgrund der sich weiter verschlechternden Einnahmen weiter gekürzt wird (und werden muss)?
Soziale Unruhen der Ärmsten sind die logische Konsequenz, denen man jedoch kaum noch entgegentreten oder diese abwenden kann. Denn auch bei Militär, Polizei und dem Sicherheitspersonal wurde in den vergangenen Jahren in Venezuela mehr als gespart. In Caracas wurden ein Dritter aller Polizisten seit Ende 2014 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt und in Valencia (1,5 Millionen Einwohner) im Bundesstaat Carabobo gibt es ohnehin keine funktionierenden Schutzinstanzen mehr.
Sollten sich die Ölpreise nicht mittelfristig erholen, werden selbst politisch „sichere“ Staaten wie Russland oder Saudi-Arabien an ihre Grenzen stoßen. Das repressive Regime in Riad wird sich langfristig nicht mehr Sympathien durch großzügige Subventionen und Steuererleichterungen erkaufen können. Frei nach dem Prinzip „Gib dem Affen Zucker“, werden sich die Untertanen des Königshauses Saud in Zukunft nicht mehr freiwillig unterdrücken und moralisch bevormunden lassen, wenn die Gegenleistungen des Staates sukzessiv zurückgefahren werden.
Es bleibt also spannend. Öl kann zu einem noch gefährlicheren geopolitischen Spannungsmacher werden als es bislang eh schon war.