Investing.com - Am Goldmarkt stehen die Ampeln am Dienstag vorerst auf Grün. Dabei bekommt der Goldpreis unter anderem Unterstützung von der abkühlenden Rallye beim Dollar und stagnierenden Renditen.
So ist es im Asien-Handel am Dienstag nicht zu erneuten hohen Abgaben gekommen und auch im europäischen Frühhandel präsentiert sich der Goldpreis recht stabil.
Ob der Goldpreis damit bereits über den Berg ist oder es sich lediglich um die Ruhe vor dem nächsten Sturm handelt, ist fraglich. Analysten glauben jedoch, dass der Goldpreis noch tiefer fallen kann, bevor ein tragfähiger Boden möglich ist.
Wenngleich der Flash-Crash am Montag durch eine Kombination aus technischen Faktoren und mangelnder Liquidität ausgelöst wurde, so behält der ursprüngliche Grund doch seine Gültigkeit: Starke US-Arbeitsmarktdaten belegen, dass sich die größte Volkswirtschaft der Welt auf dem Weg der Erholung befindet. Dies schafft die Voraussetzungen für ein Zurückfahren der Stimulus-Maßnahmen der Fed, wodurch eine der wichtigsten Stützen wegfallen könnte, die den Goldpreis im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch getrieben haben - sehr zum Leidwesen der Gold-Bullen.
Ein stärkerer Dollar und die wachsende Erwartung, dass die Inflation nur vorübergehend ist, sorgen für zusätzlichen Gegenwind. Und auch die Gold-Bestände der börsengehandelten Fonds haben sich in diesem Jahr deutlich verringert.
Gepaart mit dem jüngsten Richtungswechsel der Federal Reserve, der auf ein baldiges Tapering hindeutet, stehen dem Gold daher schwere Zeiten ins Haus, meint BNY Mellon-Analyst Geoffrey Yu.
"Schaut man sich die aktuelle Preisentwicklung an, droht der Goldpreis im Zuge der Tapering-Pläne weiter unter Druck zu geraten", schrieb er in einer Notiz.
Zwei Fed-Vertreter erklärten gestern, die US-Wirtschaft wachse schnell, und während der Arbeitsmarkt noch Raum für Verbesserungen habe, sei die Inflation bereits auf einem Niveau angelangt, das einige der Bedingungen für den Beginn von Zinserhöhungen erfüllt.
Laut Raphael Bostic, Präsident und Vorstandsvorsitzender der Federal Reserve Bank of Atlanta, könnte bereits im Oktober/Dezember diesen Jahres mit dem Zurückfahren der Anleihekäufe beginnen, gute Arbeitsmarktzahlen könnten diese Pläne sogar noch beschleunigen.
Seit Freitag nach der Bekanntgabe starker US-Arbeitsmarktdaten, die als Voraussetzung für eine Rücknahme der laxen geldpolitischen Bedingungen gelten, war der Goldpreis zeitweise um bis zu 6 Prozent eingebrochen. Besonders gestern im asiatischen Handel, als der Goldpreis binnen Minuten um mehr als 80 Dollar abstürzte, lief den Anlegern ein kalter Schauer über den Rücken.
"Das Ausmaß des Goldpreis-Rückgangs nach den Arbeitsmarktdaten mag zwar eine Überraschung gewesen sein, aber seine Anfälligkeit für solche Datenpunkte sollte nicht in Frage gestellt werden. Viele Vermögensverwalter sind nach wie vor von den angeblich inflationsschützenden Eigenschaften des Goldes angetan, aber diese sollten stets im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Inflation und der Inflationserwartungen auf die Realrenditen betrachtet werden", kommentierte er die jüngsten Verluste beim Goldpreis.
Die Realrendite errechnet sich in der Regel durch Abzug der Inflationsrate von der nominalen Rendite zehnjähriger Staatsanleihen.
"Die Aussicht auf eine höhere Inflation in diesem Jahr hat die Messlatte für einen Anstieg der Realrenditen höher gelegt, aber die Fed hat dem Markt genug Signale gegeben, dass die realen Renditen wahrscheinlich ihren Tiefpunkt gesehen haben. Der Chart zeigt, dass sich der Goldpreis zwischen Mai und Juli nicht in dem Maße erholen konnte, wie die Realrenditen in diesem Zeitraum gefallen sind. Selbst der jüngste Einbruch der nominalen Renditen für Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten hat beim Goldpreis nicht die gleiche Begeisterung ausgelöst wie die Bewegungen im Mai."
Mit der fortschreitenden konjunkturellen Erholung und zunehmend besser ausgelasteten Kapazitäten in der Industrie sowie einer Rückkehr der Inflation zum Trend könnten die Realrenditen also weiter zulegen und damit den Goldpreis belasten.
Die Anleger richten ihr Augenmerk nun auf die am Mittwoch anstehenden Daten zur Verbraucherinflation in den USA. Tags darauf folgen die Erzeugerpreise.
Obwohl Gold als Absicherung gegen eine höhere Inflation gilt, verliert es im Falle strafferer Finanzierungsbedingungen entweder durch einen Anstieg der Realrenditen oder einer Zinserhöhung durch die Fed an Attraktivität, da sich die Opportunitätskosten für das Halten des renditelosen Metalls erhöhen.
"Es fällt schwer, im Moment bullish für Gold zu sein," zitierte Bloomberg Marcus Garvey, Leiter der Metallstrategie bei Macquarie Group Ltd. "Wenn sie sich abschwächt und zeigt, dass einige der jüngsten Preissteigerungen nachlassen, dann gibt es weniger Aufwärtsimpulse für die Inflation. Aber das würde die Erwartungen an das Tapering nicht wirklich verringern, da die Inflation bereits ausreicht, um einen Haken an die Teuerung zu machen", fügte er hinzu.
Und auch technisch macht der Goldpreis nicht gerade den Eindruck, als ob er seine Höchststände aus August 2020 so schnell wiedersehen könnte.
Nach dem Preissturz auf das Fünfmonatstief bei 1665 Dollar unternimmt der Goldpreis derzeit einen halbherzigen Erholungsversuch auf 1735 Dollar. Ein dynamischer Breakout unter den kleinen Doppelboden bei 1677 Dollar sei angesichts der charttechnisch angeschlagenen Ausgangslage nach wie vor möglich, so DBS Bank-Stratege Benjamin, der ohne eine Erholung über das übergeordnete Widerstandscluster bei 1803 bis 1831 Dollar schwarz für das gelbe Metall sieht. "Danach könnte Gold dann das Unterstützungsband zwischen 1637 und 1618 Dollar ins Visier nehmen."
Auch Christoph Geyer, technischer Analyst der Commerzbank (DE:CBKG), sieht die jüngste Goldpreis-Erholung skeptisch.
"Zunächst sollte nicht damit gerechnet werden, dass der neue Widerstand (alte Unterstützung bei ca. 1.760 USD) sofort zurückerobert wird. Das Verkaufssignal des MACD-Indikators ist noch intakt", sagte er in einer Notiz.
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