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WTI Öl weiter im Rallye-Modus: Schaufelt sich die US-Ölindustrie ihr eigenes Grab?

Veröffentlicht am 20.05.2020, 12:36
© Reuters.
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von Robert Zach

Investing.com - Die Ölpreise reiten weiter auf einer Euphoriewelle. Angetrieben von freiwilligen und unfreiwilligen Produktionskürzungen sowie Anzeichen für eine Wiederbelebung der Ölnachfrage - vor allem in China, dem größten Ölimporteur auf der ganzen Welt, wo die Nachfrage Bloomberg zufolge bereits das Vorkrisenniveau erreicht haben soll - geht es seit Anfang Mai kontinuierlich bergauf für das schwarze Gold. Bislang beläuft sich der Monatsgewinn auf mehr als 70 Prozent.

Das an der ICE gehandelte Barrel der Sorte Brent Öl zur Juli-Lieferung (CBN20) legte um 2,11 Prozent auf 35,38 Dollar zu. Für das an der Warenterminbörse NYMEX in New York gehandelte Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI-Öl) mit einer Laufzeit bis Juli (CLN20) geht es um 1,53 Prozent nach oben auf 32,46 Dollar.

Der gestern abgelaufene WTI-Juni-Future war bei 32,50 Dollar ausgelaufen, womit ein erneutes Chaos am Ölmarkt verhindert wurde. Der Kassapreis lag sogar höher als der Preis für die Terminware, auch bekannt als Backwardation. Allerdings war die Backwardation nur im abgelaufenen Kontrakt zu beobachten und nicht über mehrere Laufzeiten der Terminkurve hinweg. Trotzdem ist es ein Zeichen dafür, dass sich die Situation am Ölmarkt weiter entspannt. JP Morgan vertritt die Meinung, dass der globale Ölmarkt im August in ein Defizit abgleiten könnte. Auch die Citigroup (NYSE:C) rechnet damit, dass aus dem Überschuss ein Defizit im dritten Quartal werden könnte. Gleichwohl könnte sich die Rallye selbst Steine in den Weg legen, sollte sie ohne Zwischenstopps weitergehen, da damit die Produktionskürzungen schneller zurückgefahren werden dürften als erwartet und das, obwohl die Nachfrage weiterhin fragil ist.

"Eine weitere Kursrally am Ölmarkt würde ein falsches Signal an die Produzenten aussenden, da sie in einem sich erholenden Markt wahrscheinlich eher zögern würden, ihre Produktion weiter zu drosseln“, sagte Warren Patterson, Rohstoffleiter bei der ING in einer Notiz.

Im Energiebericht vom 6. April der Federal Reserve Bank of Dallas geht aus einer Umfrage unter 92 Erdöl- und Explorationsunternehmen hervor, dass der Durchschnittspreis von WTI Öl im Permischen Becken zwischen 46 bis 52 Dollar liegen sollte, damit die Produzenten profitabel Öl fördern können. Im Eagle Ford wurden 46 Dollar angegeben. Bei bestehenden Ölanlagen in den Regionen Perm, Eagle Ford und Bakken würde bereits ein WTI-Ölpreis von nur 23 bis 32 Dollar ausreichen, um die Kosten zu decken, wie aus einer separaten Umfrage unter 95 Teilnehmern hervorging.

Hinzu kommt das von der Federal Reserve auf den Weg gebrachte Kreditprogramm für die Main Street, das die angeschlagenen Energieunternehmen, die durch den Preissturz bei Öl dringend nach Cash Flow suchen, über Wasser halten dürfte. Totgesagte Schieferölunternehmen werden damit künstlich am Leben erhalten. Geht diese Entwicklung mit einem steigenden Ölpreis einher, kann der Produktionsrückgang, den die EIA voraussagt, auch nur kurzweilig sein.

Die Ölproduktion der sieben wichtigsten Schieferbecken in den USA dürfte auf das tiefste Niveau seit 2018 zurückgehen. Die Gesamtförderung werde der Energy Information Administration (EIA) zufolge im kommenden Monat um 197.000 Barrel pro Tag auf 7,822 Millionen Barrel fallen. Rystad Energy geht sogar von einem Rückgang auf 7,56 Millionen Barrel pro Tag aus.

Allein im Permischen Becken in der Grenzregion zwischen Texas und New Mexico werde die Förderung um 87.000 Barrel pro Tag auf 4,29 Millionen Barrel im Juni zurückgehen, hieß es in dem Bericht. Damit liegt sie aber immer noch deutlich oberhalb der Förderniveaus, welche zu Beginn des Jahres 2019 zu beobachten waren.

Durch die Coronakrise und den drastischen Einbruch der Ölnachfrage haben die US-Produzenten ihre Aktivitäten zuletzt deutlich zurückgefahren. Der US-Ölfeldausrüster Baker Hughes teilte am Freitag mit, dass die Zahl der aktiven Öl-Bohrlöcher in den USA in der Woche bis zum 15. Mai um 34 auf 258 gesunken sei. Das ist der tiefste Stand seit Ende Juli 2009. Vor einem Jahr lag die Zahl noch bei 805.

Nachfrageseitig beginnt mit dem Memorial Day Wochenende die Reisesaison in den USA. Was wäre verlockender als nach mehrwöchigen Ausgangs- und Kontaktsperren einen Trip zu unternehmen, um endlich wieder die Seele baumeln zu lassen. Sobald jedoch wieder mehr Menschen auf Reisen gehen, steigt auch die Infektionsgefahr mit dem Virus, und damit das Risiko, dass die größte Volkswirtschaft auf der ganzen Welt wieder in den Lockdown zurückkehrt, sobald die Coronavirus-Fälle zunehmen. Dies wäre gleichzeitig der Anfang vom Ende der sich erholenden US-Ölnachfrage.

Schieferölunternehmen in den wichtigsten Ölregionen in den USA tun also gut daran, die Produktion vorerst tief zu belassen, um eine nachhaltige Stabilisierung am Ölmarkt zu gewährleisten, ansonsten droht den finanziell angeschlagenen Unternehmen ein weiterer Tiefschlag.

Die Preise am Mittwoch gestützt hatte der gestrige Rohöllagerbericht des American Petroleum Institutes. Die US-Rohöllagerbestände waren in der vergangen Woche um 4,8 Millionen Barrel gesunken, nach plus 7,5 Millionen in der Woche zuvor. Es war der größte Abbau seit Ende Dezember. Erwartet wurde ein Lageraufbau von 2,4 Millionen Barrel.

Die Ölbestände am wichtigen Auslieferungsplatz für WTI Öl in Cushing, Oklahoma, gingen um 5,0 Millionen Barrel zurück. Dieser Wert bereits am Montag vom Datendienstleister Seevol.com gemeldet. Damit dürfte die Sorge vor einem Volllaufen der Lager in Cushing weiter nachlassen.

Weniger konstruktiv war indes der moderate Rückgang der Benzinbestände um 651.000 Barrel, so Warren Patterson. Bei den Destillaten war sogar ein Lageraufbau von 5,08 Millionen Barrel zu beobachten.

Im Fokus der Ölmarkthändler steht nun der offizielle Rohöllagerbericht der US-Energiebehörde EIA um 16.30 Uhr.

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