Investing.com - Den Befürwortern von Alternativen zum Dollar stehen keine leichten Zeiten bevor.
Nach fast zwei Jahren extremen Gelddruckens zur Rettung der US-Wirtschaft im Zuge der Pandemie steuert die US-Notenbank Fed auf einen aggressiven Kurswechsel zu, um die Kaufkraft der Weltreservewährung zu verteidigen.
Dass das entmutigende Nachrichten für all jene sind, die darauf setzten, dass die Pandemie den endgültigen Niedergang der Papierwährung einläuten würde, versteht sich von selbst. Kryptowährungen, allen voran Bitcoin, stehen knapp 50 % unter ihren Höchstkursen aus dem Vorjahr, während Gold - der traditionellere "Wertspeicher" - um fast 10 % abgerutscht ist. Und für sie - also Bitcoin und Gold - dürfte es noch schlimmer kommen, bevor es wieder besser wird.
Anlagen zur Inflationsabsicherung funktionieren in der Regel nicht dann am besten, wenn die Inflation bereits am höchsten Punkt angelangt ist, sondern dann, wenn die Zentralbank den Eindruck erweckt, als sei sie bereits extrem weit "hinter der Kurve" zurückgefallen und zu langsam, um eine gefährliche Kette von Ereignissen zu stoppen, bei der sich Löhne und Preise gegenseitig hochtreiben.
Dieser Moment, in dem der Markt kurzzeitig an der Entschlossenheit der Zentralbank gezweifelt hatte, alles, wirklich alles, zur Bekämpfung der Inflation zu tun, war vorbei, als Fed-Chef Jerome Powell Anfang Dezember vor dem Kongress sagte, es sei "Zeit, das Wort vorübergehend" zu streichen. Zuvor war die Federal Reserve noch felsenfest davon überzeugt, dass sich die durch die Pandemie verursachten Verwerfungen bei den Verbraucherpreisen in kurzer Zeit selbst korrigieren würden.
Spätestens seit Dezember befindet sich die Fed nun im Aufholmodus und macht dem Markt mit deutlichen Worten klar, dass sie eine Abwertung des Dollars unter allen Umständen verhindern will. Im Rahmen der Bestätigungsanhörung vor dem Senat für seine zweite Amtszeit sagte Powell, er werde eine "Verfestigung" der Inflation nicht zulassen. Diese Aussage war wichtiger als das 40-Jahreshoch, das die Inflation in den USA im Dezember erreicht hatte.
Zwar zögerten die Märkte anfangs, solche Zusagen für bare Münze zu nehmen, doch allmählich beginnen sie zu realisieren, der Fed ist es ernst. Den Fed-Daten zufolge erreichten die marktseitigen Erwartungen für die Inflation in fünf Jahren Mitte Oktober mit 3,17 % ihren Höhepunkt. Ende dieser Woche waren sie bereits auf 2,74 % zurückgefallen.
Die Underperformance von Bitcoin gegenüber Gold in dieser Zeit - nach einer ebenso starken Outperformance in den vorangegangenen 12 Monaten - lässt viele zu dem Schluss kommen, dass es sich bei digitalen Währungen gar nicht um Instrumente zur Inflationsabsicherung handelt, sondern eher um Risiko-Assets, die sich parallel zu Aktien und anderen spekulativen Anlagen entwickeln.
In einer Kundeninformation verwies Morgan Stanley-Analystin Sheena Shah darauf, dass Bitcoin in den letzten sechs Monaten eine positive Korrelation von 0,34 zum S&P 500 aufwies (eine Korrelation von 1 entspräche einer perfekten Übereinstimmung), während er sich tendenziell in die entgegengesetzte Richtung zu Gold bewegte. Hier lag die negative Korrelation bei 0,1.
Shah illustrierte in einer grafischen Darstellung, dass insbesondere Bitcoin stark mit der globalen Geldmenge M2 korreliert ist - eine Beziehung, die in den letzten acht Jahren konstant geblieben ist. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Zentralbanken, die für weit mehr als die Hälfte der weltweiten Geldmenge stehen, ihre Geldpolitik straffen, lässt dies für Kryptowährungen nichts Gutes ahnen.
All jene, die in der Hoffnung auf etwas Risikostreuung Kryptowährungen für ihr Portfolio gekauft haben, mag das freilich missfallen. Tatsache ist jedoch, dass die Portfolios in den letzten zwei Jahren dank des billigen Geldes der Zentralbanken extrem gehebelt worden sind. Allein die von der US-amerikanischen Regulierungsbehörde für die Finanzindustrie (FINRA) erfassten Margin-Guthaben sind in den zwei Jahren seit Beginn der Pandemie um 63 % auf fast 920 Milliarden Dollar angeschwollen. Höhere Zinsen verteuern das Halten von Vermögenswerten mittels Hebelung, und Kryptowährungen - die keine Kupons oder Dividenden erwirtschaften - sind besonders anfällig bei einer drohenden Enthebelung.
Dasselbe gilt natürlich auch für Gold. Die Analysten von JPMorgan (NYSE:JPM) prognostizieren eine Rückkehr zu einem Goldkurs von 1.520 Dollar je Feinunze - etwa 16 % unter dem aktuellen Preisniveau - bis zum Schlussquartal des laufenden Jahres. Grund dafür sei der steigende Realzins, der zum Umstieg auf zinsreiche Anleihen verleite.
Der Unterschied zu Bitcoin besteht aber darin, dass der Nutzen von Gold so viel besser begründet ist. Daten des World Gold Council deuten darauf hin, dass die beiden wichtigsten Kategorien von Endkäufern - Juweliere und Zentralbanken - in der zweiten Jahreshälfte 2021 beide wieder zu Nettokäufern avanciert sind. Die Käufe indischer Juweliere erreichten im November ein höheres Niveau als vor der Pandemie, während Chinas Goldimporte im Oktober den höchsten Stand seit 2019 markierten. Und die Zentralbanken der Industrieländer waren im November zum ersten Mal seit 2013 Nettokäufer von Gold.
Der Use-Case für Bitcoin ist insgesamt weniger überzeugend. Die einzigen Funktionen, bei denen er die Fiat-Währung konstant übertrifft, sind - selbst jetzt nach einem Jahrzehnt schneller und gut finanzierter Innovationen - illegale Transaktionen wie Ransomware-Angriffe und Geldwäsche. Und für die kurzfristige Nachfrage ist das Momentum oder, mit anderen Worten, die Spekulationsfreude der Marktteilnehmer ausschlaggebend.
Mittelfristig könnten eine bessere Regulierung und ein wachsendes Ökosystem zugehöriger Vermögenswerte wie NFTs den Use-Case für Kryptowährungen so weit erweitern, dass ihre Bewertung auf einem stabileren Fundament steht. Zudem könnte der Generationswechsel dazu führen, dass der Teil der Bevölkerung, der den Banken und Zentralbanken einfach nicht traut, mit der Zeit von Keynes' "barbarischem Relikt" auf digitale Vermögenswerte umsteigt.
Kurzfristig wird sich aber wohl keiner der beiden Vermögenswerte besonders gut entwickeln. Bestenfalls kann man sagen, dass das Rückschlagspotenzial für den Goldkurs wesentlich begrenzter ist als für Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Cardano. Der Goldpreis profitiert mehr von den Fundamentaldaten, dem Momentum, der regulatorischen Sicherheit und nicht zuletzt von seiner Geschichte. Kryptowährungen stehen dagegen zum ersten Mal vor einem besonders scharfen Straffungszyklus, während Gold seit Beginn der Zivilisation allen vergleichbaren Phasen standgehalten hat.