FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 25. April 2016. Nach der Erholung an den Aktienmärkten warnen technisch orientierte Analysten vor der Gefahr einer Überhitzung. Die fundamentalen Signale stimmen dagegen zuversichtlich.
Dem Kälteeinbruch zum Trotz freuen sich Anleger über steigende Temperaturen an den Börsen. In der vergangenen Woche markierten wichtige Aktienbarometer neue Jahreshochs. Der deutsche Leitindex hat sich dabei oberhalb der Marke von 10.000 Punkten festsetzen können. "Selbst wenn zum Wochenausklang die Kurse im Verbund mit dem Ölpreis etwas nachgaben, scheint die Wende erfolgt", bemerkt Claudia Windt von der Helaba.
Für Robert Halver hat der Rohölpreis seinen Boden endgültig gefunden. Trotz einer disziplinlosen OPEC gehen von dem schwarzen Gold keine großen Gefahren mehr für Schwellenländer und Aktienmärkte aus, wie der Analyst der Baader Bank einschätzt. Derzeit dienten US-Aktien als sicherer Anlagehafen. Sie profitierten gegenüber einem "sklerosen" Europa von einer vergleichsweise hohen politischen Stabilität und einem freundlichen Investitionsklima. Zudem werde die Europäische Zentralbank weiterhin alles unternehmen, um die Eurozone mit ihrer "Pattex-ähnlichen" Geldpolitik zusammenzuhalten.
US-Notenbank gibt die Richtung vor
Das positive internationale Marktumfeld könnte nach Auffassung von Chris-Oliver Schickentanz die Federal Reserve zu einer Argumentation für eine Zinsanhebung im Juni um 25 Basispunkte veranlassen. Dem Commerzbank-Analysten zufolge spricht auch die Belebung der chinesischen Konjunktur für einen Zinsschritt, selbst wenn die Erholung vor allem fiskalischen und geldpolitischen Impulsen geschuldet sei. Anleger rechneten offenbar nicht damit. Die Märkte hätten mit Blick auf die FOMC-Sitzung am Mittwoch nicht einmal für Dezember einen Zinsschritt voll eingepreist.
Risiken überwiegen
Aus technischer Perspektive sollte nach Ansicht von Karen Szola eine Konsolidierung des DAX nicht überraschen. "Die Markttechnik ist nun deutlich überhitzt", urteilt die technische Analystin von Euro am Sonntag und Börse Online. Schon vor dem Ausbruch hätten die Indikatoren auf eine nicht mehr wirklich trendkonforme Situation gedeutet. An diesem Zustand habe sich nichts verbessert. Ob der "Kombi-Ausbruch über das 10.000 Punkte-Bollwerk" und der Sprung über die 200-Tage-Linie nachhaltig waren, werde sich erst zeigen. Eine solche Formation sei Ende November nach wenigen Tagen in eine Bullenfalle gemündet. Auch jetzt hält Szola eine solche Reaktion für nicht ganz abwegig, denn einige Entwicklungen am Markt machten stutzig. "So passen Ölpreis-Rally, anziehender Goldpreis und steigende Aktienmärkte nicht zusammen und sollten zumindest etwas vorsichtig machen." Szola rät daher zu einer Absicherungsstrategie.
Etabliere sich der DAX allerdings tatsächlich nachhaltig über der 200-Tage-Linie bei aktuell 10.280 Punkten sowie oberhalb des überwundenen Abwärtstrends um 10.200 Zähler, sei ein übergeordnetes Kaufsignal generiert worden, das zu weiteren Gewinnen führen werde. "Danach könnte es recht zügig zu den nächsten Widerständen in den Bereich um 10.800 bzw. 11.000 DAX-Punkte gehen."
Komme es zu einer scharfen Korrektur, werde der deutsche Aktienindex seine altbewährte Seitwärtszone zwischen etwa 10.000 und 8.900 bzw. 9.000 Zählern wieder aufsuchen. Diese habe sich Ende 2013 herausgebildet und diene bis dato immer wieder als Auffangbecken.
Nur ein Fehlausbruch?
Auch für Franz-Georg Wenner stehen die Chancen für eine Fortsetzung der Rally eher schlecht. Der DAX habe aus charttechnischer Sicht nur auf den ersten Blick sehr positive Signale geliefert. Der Sprung über den viel beachteten langfristigen Durchschnitt könne sich durchaus als Fehlausbruch erweisen. Anleger sollten die Bedeutung der 200-Tage-Linie daher nicht überbewerten, wie der Betreiber von chartanalysen-online rät. "Schwerer wiegt die Tatsache, dass der DAX zuletzt um mehr als 5 Prozent über seiner 21-Tage-Linie notierte." Ähnliche Abweichungen vom Monatsmittelwert hätten in der Vergangenheit häufig auf eine bevorstehende Konsolidierung gewiesen. "Weitere Warnsignale liefern die niedrige Volatilität sowie die mit 90 Prozent sehr hohe Quote an DAX-Aktien, die über ihrem Monatsmittelwert notieren."
Auf der Unterseite liege eine erste schwache Nachfragezone bei 10.350 Punkten. "Sollte der Markt tiefer fallen, ist mit einem Rücklauf an das Ausbruchsniveau bei 10.120 Zählern zu rechnen." Hier könne der Markt im positiven Szenario ausreichend Kraft für einen erneuten Aufwärtsimpuls sammeln. "Aus der Breite der jüngsten Trading-Range errechnet sich ein Kursziel von rund 10.800 Punkten." Knapp darüber bei 10.900 verlaufe die seit einem Jahr bestehende Abwärtstrendlinie. Erst wenn diese gebrochen wird, wäre für Wenner der Weg auf der Oberseite endgültig frei.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten
Mittwoch, 27. April
20.00 Uhr. Deutschland: Zinsentscheid US-Notenbank. Die Federal Reserve wir nach Meinung der DekaBank auch im April nicht an ihrer Zinsschraube drehen. Bei dem kommenden Entscheid würden weder neue Projektionen veröffentlicht noch finde anschließend eine Pressekonferenz statt. Etwaige Neueinschätzungen der FOMC-Mitglieder könnten daher nur dem Statement entnommen werden, das vermutlich auf eine zuletzt etwas schwächere gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik hinweisen werde. Spannender seien aber mögliche Änderungen in der Passage zu den globalen und den Finanzmarktrisiken. Nach Einschätzung der DekaBank-Analysten werden die Mitglieder des Offenmarktausschusses auf noch bestehende Risiken hinweisen, die es zu beobachten gelte. Hierdurch wäre eine Leitzinserhöhung beim Folgemeeting im Juni noch möglich, aber nicht gänzlich vorbereitet.
Freitag, 29. April
11.00 Uhr. Euroraum: Konsumentenpreise April, vorläufiges Bruttoinlandsprodukt erstes Quartal. Trotz der insgesamt guten Situation am deutschen Arbeitsmarkt lässt sich laut HSBC noch immer kein Preisdruck in Deutschland ausmachen. Die Inflationsrate habe sich aller Voraussicht nach von 0,3 auf 0,1 Prozent abgeschwächt. Auch das Anziehen der Kerninflation in der Eurozone von 0,8 auf 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sehen die HSBC-Analysten als nicht nachhaltig. Vielmehr sei der Anstieg auf temporäre Faktoren in Zusammenhang mit den frühen Osterfeiertagen zurückzuführen. Mit moderat zulegenden Teuerungsraten um 0,1 Prozent erwartet die HSBC für April einen teilweisen Umkehreffekt.
Für das Bruttoinlandsprodukt für das erste Quartal rechnen die HSBC-Analysten mit einem leichten Wachstum auf 0,4 gegenüber dem Vorquartal. Positive Effekte wie der private Konsum wirkten sich ebenso aus wie die Ausgaben der öffentlichen Hand.
von: Iris Merker© 25. April 2016 - Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.