Die Verhandlungen um das EU-Mercosur-Abkommen gehen diese Woche in die nächste Runde, bevor am 5. und 6. Dezember ein Treffen in Uruguay stattfindet, bei dem die Beteiligten hoffen, das Freihandelsabkommen beschließen zu können. Doch Frankreich versucht verstärkt, die Unterstützung Italiens, Österreichs, Polens und der Niederlande zu gewinnen, um die Einigung zu stoppen.
Nach 25 Jahren Verhandlungen fehlt dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten immer noch die einstimmige Unterstützung der Mitgliedstaaten, da die Befürchtungen über die Zukunft des Agrarsektors mit den strategischen Plänen des Blocks kollidieren.
Am 28. Juni 2019 wurde eine politische Einigung erzielt, um den Handel zwischen den 27 Mitgliedstaaten der EU und den vier Gründungsmitgliedern des südamerikanischen Blocks, Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, zu öffnen. Bolivien ist dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercado Común del Sur), der unter der spanischen Abkürzung Mercosur bekannt ist, im Jahr 2024 beigetreten und hat daher an den bisherigen Verhandlungen nicht teilgenommen.
Mit dem Abkommen soll eine der größten Freihandelszonen der Welt geschaffen werden, die 750 Millionen Menschen und etwa ein Fünftel der Weltwirtschaft umfassen würde.
Frankreich auf der Suche nach Verbündeten
Frankreich ist nach wie vor gegen das Abkommen. Für eine Sperrminorität, die das Abkommen verhindern könnte, braucht es mindestens vier Länder, die insgesamt 35 % der europäischen Bevölkerung ausmachen.
Deutschland und Spanien stehen an der Spitze einer Koalition von 11 Staaten, die das Abkommen befürworten und neue Handelsmöglichkeiten finden wollen - zu einer Zeit, in der Donald Trump der Europäischen Union mit einem Handelskrieg droht und die EU ihre Abhängigkeit von den chinesischen Märkten verringern will.
"Die Gründe, warum wir Zweifel haben, werden weit über Frankreich hinaus geteilt", sagte ein französischer Diplomat gegenüber Euronews, der zuversichtlich ist, dass es seinem Land gelingen wird, andere davon zu überzeugen, das Abkommen abzulehnen.
Die Landwirtschaftsministerien Polens und Italiens haben in den letzten Wochen Vorbehalte gegen ein Mercosur-Abkommen geäußert. Das polnische Landwirtschaftsministerium gab eine öffentliche Erklärung ab, in der es darauf hinwies, dass das Handelsabkommen den polnischen Agrarsektor und insbesondere die Geflügelwirtschaft gefährden würde. Vergangene Woche forderte der italienische Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, dass die Landwirt:innen des Mercosur den gleichen "Verpflichtungen" unterworfen werden wie ihre Kolleg:innen in der EU, und bezeichnete das Abkommen in seiner derzeitigen Form als "inakzeptabel".
Irland, der fünftgrößte Rindfleischexporteur der Welt, hat ebenfalls ernste Bedenken gegen das Abkommen und befürchtet, dass der Wettbewerb die Preise auf seinen wichtigsten europäischen Märkten wie Frankreich halbieren würde. Auch die belgischen Landwirt:innen haben gegen das Handelsabkommen protestiert.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Länder Frankreich anschließen und versuchen werden, das Abkommen zu verhindern.
"Es bleibt sehr offen"
Die Position des polnischen Landwirtschaftsministers wurde von seiner Regierung nicht bestätigt. Der italienische Außenminister Antonio Tajani milderte die Äußerungen seines Kollegen aus dem Landwirtschaftsministerium ab und sagte, er sei für das Abkommen, solange es der italienischen Landwirtschaft nicht schade.
Ein Beamter des französischen Wirtschaftsministeriums sagte Euronews, man hoffe in Paris, dass Rom sich zu den Gegnern des Abkommens gesellen werde, sobald der designierte italienische EU-Kommissar Raffaele Fitto am Mittwoch offiziell vom Europäischen Parlament bestätigt worden sei.
Unterdessen stimmte das österreichische Parlament 2019 gegen das Abkommen in seiner damaligen Form und bekräftigte seine Haltung 2021. "Wenn es etwas Neues in dem Abkommen gäbe, müssten wir noch einmal reden. Es bleibt sehr offen", sagte ein österreichischer Diplomat gegenüber Euronews.
Die EU-Kommission hat die Risiken für die Landwirtschaft, die sich aus dem Abkommen ergeben könnten, heruntergespielt.
"In empfindlichen Sektoren haben wir Mengen festgelegt, die von den Märkten aufgenommen werden können", erklärte ein EU-Beamter Mitte November gegenüber der Presse. Dieser Beamte ging davon aus, dass der Anstieg der Rindfleischimporte infolge des Abkommens nicht mehr als 99.000 Tonnen pro Jahr betragen könnte, was etwa 1,6 % der gesamten EU-Produktion entspricht; bei Schweinefleisch wären es 25.000 Tonnen (0,1 %) und bei Geflügel bis zu 188.000 Tonnen (1,4 %).
Frankreich führt auch Umweltargumente gegen das Abkommen an und erklärt, dass die Standards der Mercosur-Staaten niedriger sind als die der EU.
"Wir wollen, dass das Pariser Abkommen eine wesentliche Klausel des Deals ist", sagte die französische Wirtschaftsministerin Sophie Primas bei der Ankunft zu einem Treffen der Wirtschaftsminister:innen in Brüssel letzte Woche.
Frankreich wirbt auch um die Niederlande. Im Jahr 2020 stimmte die untere Kammer des niederländischen Parlaments gegen das Mercosur-Abkommen. Die niederländische Wirtschaftsministerin Reinette Klaver wiederholte ihre Bedenken während des Treffens der Wirtschaftsminister:innen letzte Woche in Brüssel.
"Das Unterhaus steht dem Abkommen sehr kritisch gegenüber, insbesondere dem landwirtschaftlichen Teil", sagte sie gegenüber der Presse.
Deutschland verspricht sich Export-Anstieg
Deutschland und Spanien befürworten das Abkommen indessen nachdrücklich. Laut Lora Verheecke, Professorin für europäische Handelspolitik an der Katholischen Universität Lille, rechnet Deutschland mit einem Anstieg der Exporte durch das Abkommen.
"Für Deutschland sind es eindeutig die Autoexporte, aber auch die Exporte von Chemikalien, Pharmazeutika und Pestiziden. Und für Spanien sind es Agrarexporte, aber eher Agrarprodukte mit hoher Wertschöpfung. Wir denken da zum Beispiel an Olivenöl und Serrano-Schinken", sagte sie.
Mit Blick auf das Uruguay-Treffen Ende nächster Woche dürfte die Überzeugungsarbeit von allen Seiten zunehmen.