Hannover, 25. Apr (Reuters) - Die Krise der Stahlindustrie hat sich zu Jahresbeginn noch einmal verschärft. Die seit Jahren unter massiver Überproduktion auf dem Weltmarkt und Dumpingpreisen chinesischer Konkurrenten leidenden deutschen Hersteller produzierten im ersten Quartal drei Prozent weniger Stahl. "Unsere Prognose für die Produktion von Rohstahl in diesem Jahr bleibt deshalb bei 41,5 Millionen Tonnen, was einem Rückgang von drei Prozent im Vergleich zu 2015 entspricht", sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, am Montag auf der Hannover Messe.
Die europäische Stahlindustrie bekam die Billigkonkurrenz aus Fernost in den ersten Monaten 2016 noch deutlicher zu spüren als zuletzt. In diesem Zeitraum stiegen alleine die chinesischen Stahlimporte in die EU um ein knappes Viertel, während die Produktion der europäischen Stahlkocher um sieben Prozent sank. Gehe die Politik nicht mit verschärften Handelsregeln gegen das Dumping der Asiaten vor, drohe der Verlust von Marktanteilen, warnte Kerkhoff: "Das gilt auch für die vergleichsweise starken Unternehmen in Deutschland."
Die Schwerindustrie, zu der Konzerne wie Thyssenkrupp TKAG.DE und Salzgitter SZGG.DE gehören, sieht sich wegen der massenhaften Billigimporte aus Asien und ständig steigender Strompreise in die Zange genommen. Die Politik müsse endlich gegensteuern, Handelsschranken gegen das Dumping hochziehen und die Folgen der Energiewende für die stromintensive Produktion des Stahls abfedern, bekräftigte Kerkhoff Forderungen der Stahlkocher. "Ich bleibe dabei: 2016 ist das Schicksalsjahr der deutschen Stahlindustrie." Am Donnerstag befasst sich der Bundestag mit Lage und Perspektiven der Branche, die in Deutschland vor zehn Jahren noch 48,3 Millionen Tonnen Stahl herstellte.
Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl betragen wegen eines scharfen Einbruchs der Nachfrage die Überkapazitäten der Stahlhersteller global rund 700 Millionen Tonnen. Rund die Hälfte des Stahls wird in China produziert. Das Land ist für ein Drittel der globalen Stahlexporte verantwortlich, zugleich befinden sich Expertenschätzungen zufolge rund zwei Drittel der Überkapazitäten dort. In der Europäischen Union hat der Preiskampf seit 2008 zu einem Rückgang der Rohstahlproduktion und rund zehn Millionen Tonnen geführt, 80.000 Arbeitsplätze fielen weg. Derzeit sprechen so gut wie alle Stahlkocher in Europa über Fusionen oder Übernahmen, im Zentrum stehen die europäische Stahlsparte von Thyssenkrupp und das britische Stahlgeschäft des indischen Tata-Konzerns TATA.NS .