(neu: Aussagen aus Pressekonferenz, Kurs, Analysten)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Industriekonzern Thyssenkrupp (ETR:TKAG) hat im vergangenen Geschäftsjahr erneut einen Milliardenverlust verzeichnet. Eine schwache Nachfrage und niedrigere Stahlpreise belasteten. Auf das schwächelnde Stahlgeschäft schrieb Thyssenkrupp rund eine Milliarde ab. Dazu belasteten Kosten für die Restrukturierung. Das Marktumfeld dürfte dabei weiter schwierig bleiben. Das Management um Konzernchef Miguel López stimmte auf ein weiteres Übergangsjahr ein. Strategisch rief er ein "Jahr der Entscheidungen" aus.
Die seit längerer Zeit schwächelnde Aktie setzte am Dienstag zu einer Erholung an. Der Kurs legte nach zeitweise noch höheren Gewinnen gegen Mittag noch um rund sechs Prozent zu. Die Aktie bewegt sich nun wieder auf dem Niveau von Ende Juli, hat seit Jahresbeginn aber mehr als 40 Prozent verloren. Ein Händler lobte den ausgewiesenen freien Barmittelfluss, merkte aber an, dass dieser im neuen Geschäftsjahr 2024/25 deutlich negativ sein dürfte. Analyst Christian Obst von der Baader Bank bemerkte, es würden nach wie vor "Barmittel verbrannt".
"Das laufende Geschäftsjahr ist ein Übergangsjahr auf dem Weg, unsere mittelfristigen Finanzziele auch in einem herausfordernden Umfeld zu erreichen", sagte Konzernchef López in Essen. Unter anderem strebt der Konzern eine bereinigte Ebit-Marge von vier bis sechs Prozent an - wann diese erreicht werden soll, wollte Finanzchef Jens Schulte nicht sagen. Im aktuellen Marktumfeld sei dies nicht möglich. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug die Marge 1,6 Prozent.
"Mit Blick auf unsere strategischen Leitthemen wird das laufende Geschäftsjahr ein Jahr der Entscheidungen - insbesondere für Steel Europe und Marine Systems", sagte Lopez. Nach dem Ausstieg des Finanzinvestors Carlyle aus dem Bieterprozess hält Thyssenkrupp an einer Verselbstständigung der Marinesparte fest. Favorisiert wird nun ein Spin-off, der Bereich bleibt aber den Angaben zufolge auch für industrielle Partnerschaften weiter offen. Darüber hinaus führt Thyssenkrupp weiterhin Gespräche mit der Bundesregierung zur Beteiligung des Staates.
Das Stahlgeschäft arbeitet weiter an einem neuen Geschäftsplan. Dieser soll in ein bis zwei Monaten fertiggestellt werden. Um die Neuaufstellung war zuletzt ein heftiger Streit entbrannt, Teile des Vorstands und des Aufsichtsrats der Sparte warfen hin. Die Arbeitnehmerseite befürchtet den Abbau tausender Stellen. Der neue Chef, Dennis Grimm, hatte in einem Gespräch zuletzt härtere Einschnitte angekündigt als bisher geplant. Thyssenkrupp will sich von dem schwankungsanfälligen Geschäft trennen und hat 20 Prozent an EPCG verkauft, eine Gesellschaft des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Angestrebt ist die Bildung eines gleichberechtigten Gemeinschaftsunternehmens.
Im vergangenen Geschäftsjahr musste Thyssenkrupp erneut hohe Summen auf die Stahlsparte abschreiben. Damit steht das Geschäft noch mit rund 2,4 Milliarden Euro in den Büchern. Dies war mitverantwortlich für einen Jahresverlust von 1,4 Milliarden Euro, nach einem Fehlbetrag von 2 Milliarden ein Jahr zuvor. Dennoch will Thyssenkrupp eine unveränderte Dividende von 15 Cent je Aktie zahlen.
Eine sinkende Nachfrage und niedrigere Stahlpreise sorgten für einen Umsatzrückgang von sieben Prozent auf 35 Milliarden Euro. Der Auftragseingang nahm um elf Prozent auf 32,8 Milliarden Euro ab. Neben schwachen Geschäften der Stahl- sowie der Handelssparte verzeichnete auch das Automotive-Geschäft Rückgänge. Nur die Marinesparte konnte zulegen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel insgesamt um knapp ein Fünftel auf 567 Millionen Euro. Damit erreichte das Unternehmen seine zuletzt gesenkte Prognose.
Dabei verzeichnete Thyssenkrupp operativ einen versöhnlichen Abschluss: Der Umsatz verharrte im vierten Geschäftsquartal mit 8,8 Milliarden Euro auf dem Vorjahresniveau und das bereinigte Ebit stieg um 72 Prozent auf 151 Millionen Euro. Mit Ausnahme des Stahlgeschäfts konnten alle Sparten ihre Ergebnisse verbessern. Damit fielen die Zahlen besser aus als von Analysten erwartet. Positiv entwickelte sich auch der freie Mittelzufluss vor Übernahmen und Fusionen: Er erreichte rund eine Milliarde Euro, nachdem das Marine-Geschäft vorzeitige Zahlungen von Kunden verbuchen konnte.
Für das neue Geschäftsjahr zeigte sich das Unternehmen vorsichtig. "Von den Märkten können wir keine Rückendeckung erwarten", sagte López. Dabei soll Thyssenkrupp wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Das Konzernergebnis soll 100 bis 500 Millionen Euro erreichen. Dabei geht das Unternehmen von einer Stabilisierung seiner Geschäfte im Stahl, Handel sowie Automotive in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres aus.
Der Umsatz soll zumindest das Vorjahresniveau erreichen und um bis zu drei Prozent zulegen. Das bereinigte Ebit sehen die Essener bei 0,6 bis 1 Milliarde Euro. Alle Geschäfte sollen dazu beitragen. Profitieren werde Thyssenkrupp auch von seinem Transformations- und Sparprogramm. Dieses soll noch einmal ausgeweitet werden.
Laut Analyst Dominic O'Kane von der Bank JPMorgan (NYSE:JPM) bewegt sich der Ausblick auf dem Niveau der Markterwartungen.