BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Nach dem Kompromiss im Streit um ein Öl-Embargo gegen Russland dringt der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber, auf eine Abschaffung des Prinzips der Einstimmigkeit in der Europäischen Union. "Wir müssen endlich die Grundarchitektur der europäischen Entscheidungsmechanismen auf den Prüfstand stellen", sagte Weber am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk.
"Ich bin nicht mehr bereit, dass wir uns von einem einzigen Land in der EU dann stoppen lassen. Wenn die EU handeln will, muss sie handeln. Deswegen muss die Einstimmigkeit abgeschafft werden und endlich die Mehrheitsentscheidung angewandt werden", sagte Weber. Die Debatte über das Einstimmigkeitsprinzip flammt seit Jahren immer wieder auf.
Weber mahnte zugleich eine verbindliche Solidarität in der europäischen Energiepolitik an. Wenn Länder wie Ungarn oder Tschechien bereit zu einem Verzicht auf Pipeline-Öl wären, dann bräuchten sie garantierten Zugang zu Hochsee-Öl.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatte die EU lange über ein Embargo diskutiert. Insbesondere Ungarn aber verwies auf seine große Abhängigkeit von russischem Öl und blockierte eine Einigung. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht zum Dienstag nach Beratungen mit den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel mitteilte, sollen auf Drängen Ungarns hin nun vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden. Per Pipeline erfolgende Transporte werden zunächst weiter möglich sein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach dennoch von einschneidenden Sanktionen gegen Russland.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sagte auf die Frage im Deutschlandfunk, ob der Beschluss dazu ein Zeichen der Geschlossenheit oder ein erstes Bröckeln der Einheit der EU sei: "Leider beides." Melnyk bezeichnete das sechste Sanktionspaket als sehr wichtig, die Öl-Entscheidung nannte er allerdings einen "Halbschritt".