von Robert Zach
Investing.com - Jan Hatzius, der Chefvolkswirt von Goldman Sachs (NYSE:GS), rechnet nun mit einer noch aggressiveren Fed in den kommenden Monaten, nachdem der Wall Street Journal-Journalist Nick Timiraos jüngst in einem Artikel schrieb, dass die Federal Reserve ihren Leitzins voraussichtlich in diesem Monat um 75 Basispunkte anheben wird.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Nick Timiraos Informationen aus dem inneren Kreis der Fed durchsickern lässt, um die Markterwartungen in die von den Notenbankern gewünschte Richtung zu lenken. Bereits im Juni publizierte der Wirtschaftsjournalist nur wenige Tage vor dem Zinsentscheid einen Artikel und gab latente Hinweise darauf, dass die Fed die Leitzinsen doch um 75 Basispunkte und nicht wie vom Markt erwartet um 50 Basispunkte anheben würde. Timiraos behielt am Ende Recht und gilt seither als Fed-Flüsterer.
Letzte Woche berichtete das WSJ, dass das FOMC "offenbar auf dem besten Weg ist, die Leitzinsen in diesem Monat um weitere 0,75 Prozentpunkte anzuheben". Das bestätigt praktisch die marktseitigen Erwartungen.
Laut dem FedWatch-Tool von Investing.com rechnen derzeit 85 Prozent der Marktteilnehmer mit einer Erhöhung der Federal-Funds-Rate um 0,75 Prozentpunkte auf eine Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent.
Aufgrund des WSJ-Artikels hat nun auch Hatzius sein Basisszenario geändert. Dieses sieht nun eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte im September (im Vergleich zu 50 Basispunkten zuvor) und eine Anhebung um 50 Basispunkte im November (im Vergleich zu 25 Basispunkten zuvor) vor.
"Wir erwarten weiterhin eine Anhebung um 25 Basispunkte im Dezember, was den Leitzins Ende 2022 auf 3,75 bis 4 Prozent bringen würde", schrieb er in einer Kundenmitteilung.
Hatzius hält es außerdem für möglich, dass das FOMC seinen Plan einer Drosselung des Zinserhöhungstempos noch etwas hinauszögern wird.
"Unser Index für die finanziellen Bedingungen hat sich aufgrund der nachteiligen Veränderung der marktseitigen Erwartungen deutlich verschärft. Dies dürfte ausreichen, um das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2022 auf einem soliden Pfad unterhalb des Potenzials zu halten. Wie sich die Belastung durch die strengeren finanziellen Bedingungen mit anderen zentralen Wachstumsimpulsen im Jahr 2023 saldiert, ist allerdings ungewiss. Wir könnten uns vorstellen, dass sich der Zinszyklus über dieses Jahr hinaus fortsetzt", fügte der Ökonom hinzu.
Fed-Chef Jerome Powell hatte zuletzt immer wieder deutlich gemacht, dass die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität hat. Die Leitzinsen sollen so lange erhöht werden, bis sich die Teuerung klar in Richtung des 2 Prozent-Ziels der Fed bewegt.
Den Zins-Gipfel sieht die Mehrheit der Marktteilnehmer nun im Mai 2023 bei 4,00 bis 4,25 Prozent.