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Veröffentlicht am 29.07.2013, 20:51
Börsen-Zeitung: Affentheater, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig

Frankfurt (ots) - Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel sich um ein

deutsches Unternehmen sorgt, dann müssen die Alarmlampen aufleuchten.

Nicht weil entsprechende Verlautbarungen aus Berlin irgendeine

ökonomische Aussagekraft hätten. Vielmehr ist eine Merkel-Wortmeldung

in der Regel ein Indiz dafür, dass die Ereignisse und ihre

öffentliche Rezeption jede vernünftige Dimension gesprengt haben.

Diese Feststellung gilt auch für Siemens. Prägnanter formuliert: Der

Machtkampf, der in München tobt, ist in ein Affentheater ausgeartet.

Je schneller dieses unwürdige Schauspiel endet, umso besser.

In dem Umfeld galoppierenden Wahnsinns mag es hilfreich sein, erst

einmal Selbstverständlichkeiten festzuhalten. An oberster Stelle

steht dabei: Siemens ist nicht von der Pleite bedroht. Den Eindruck

einer gravierenden Schieflage des Unternehmens nämlich mag man

gewinnen, wenn man die gegenwärtige Aufregung rund um Siemens

beobachtet. Dabei steuert der Konzern im laufenden Geschäftsjahr -

sofern nun nicht die Chance für Bereinigungen im Zahlenwerk genutzt

wird - auf einen Gewinn von rund 4 Mrd. Euro zu. In den Jahren 2001

bis 2006 hätte sich das damalige Management dafür feiern lassen, wenn

eine Marke in dieser Größenordnung erreicht worden wäre. Es gilt

also: Die heutige Siemens ist im Kern gesund.

Als weitere Selbstverständlichkeit - die zugegebenermaßen so

selbstverständlich leider nicht ist - sollte gelten: Das Wohl des

Unternehmens, seiner Beschäftigten und Aktionäre sowie damit indirekt

auch der deutschen Wirtschaft hat Priorität vor individuellen

Eitelkeiten agierender Personen.

Natürlich sind Ränkespiele, Machtproben und Umstürze erlaubt -

aber nur, wenn dabei der Kampf um den richtigen Weg für ein

Unternehmen an erster Stelle steht. Sie dürfen kein Selbstzweck sein

und schon gar nicht ausschließlich deswegen betrieben werden, weil

Person X die Person Y beerben will. Wie präsentiert sich das

Schlachtfeld rund um Siemens aus dieser Perspektive?

Kaiser ohne Kleider

Die Ausgangsfrage aller aktuellen Entwicklungen lautete: Was tun,

wenn der Kaiser nackt vor seinem Volke steht? Im Märchen findet sich

ein Kind, das die Wahrheit ausspricht. In modernen

Aktiengesellschaften hält jeder wohlweislich den Mund, vor allem weil

er um seine Karriere fürchtet. Vorstandsvorsitzende sind häufig

sakrosankt. Diese Verhaltensweise war in den vergangenen zwölf

Monaten auch bei Siemens zu beobachten. Viele Akteure in der Zentrale

am Wittelsbacher Platz erkannten, dass Vorstandsvorsitzender Peter

Löscher nicht das Format für die spezifischen Herausforderungen bei

Siemens in der aktuellen Situation besitzt und auch daran scheitert,

sich diese Größe anzueignen. Doch wer, bitte, sollte die bittere

Wahrheit formulieren? An dieser Stelle kommt Finanzvorstand Joe

Kaeser ins Spiel. Natürlich wusste er genau, was er tat, als er vor

den Zahlen zum dritten Quartal auf die sonst immer übliche Guidance

der Öffentlichkeit per Investorentag oder Zeitungsinterview

verzichtete. Das Ausbleiben der vorherigen Einstimmung des Marktes

erst ermöglichte es, die Gewinnwarnung für 2014 als Bombe platzen zu

lassen.

Natürlich war dem Finanzmarktfuchs klar, was es bedeutet, eine

derartige Meldung ohne informelle Zusatzerklärungen der IR-Abteilung

und auch noch während des Börsenhandels zu veröffentlichen. Natürlich

auch: Kaeser wusste seit längerem, dass am Donnerstag dieser Woche

nicht die Quartalszahlen das Hauptthema sein würden. Und an letzter

Stelle: Der Finanzvorstand dürfte sich natürlich mit anderen Akteuren

abgestimmt und Sachzwänge wie etwa zur Veröffentlichung der

Gewinnwarnung erzeugt haben.

Rückzug auf Zeit

Man mag sich über derartige Taktiken empören. Aber Kinder

offenbaren eben nur im Märchen die Blößen von Kaisern. Wichtiger ist,

dass der Finanzvorstand nicht nach Sonnenkönigtum strebt, sondern als

Macher den Konzern voranbringen will. Der Beifall des Kapitalmarktes

zeigt, dass Siemens - sollte der Finanzvorstand nicht noch auf den

letzten Metern straucheln - den richtigen Mann gefunden hat. Ins neue

Amt bringt Kaeser die Hypothek mit, dass er mitverantwortlich

zeichnet für manche Fehlentscheidungen der Vergangenheit. Umso

wichtiger ist es, dass er schon im Herbst beweist: In Stil und Inhalt

weht ein neuer Wind bei Siemens.

So weit, so ansatzweise geordnet. Der Machtkampf hätte damit am

Samstag sein Ende haben können mit einer Empfehlung des

Aufsichtsratspräsidiums: Löscher weg, Kaeser her. Die Sitzungen der

Anteilseigner- und Arbeitnehmerbänke am Samstag hätten eine

Festlegung auf diese Position ermöglicht, ohne der Sitzung am

Mittwoch ungebührlich vorzugreifen.

Stattdessen hängt die Causa in der Luft. Der Kern des Problems: Im

Aufsichtsrat will der stellvertretende Vorsitzende Joe Ackermann

gerne Aufsichtsratschef Gerhard Cromme beerben, doch dieser will

nicht seine letzte Machtbasis einbüßen - kurz: Es geht kreuz und

quer, auf beiden Seiten aus machttaktischen Erwägungen. Die Corporate

Governance bleibt auf der Strecke.

Dieses Affentheater muss ein Ende haben. Für einen kompletten

Neustart mit frischem Vorstands- und Aufsichtsratschef zugleich ist

es der falsche Zeitpunkt. Zu groß ist das Durcheinander. Für Cromme

gilt aber: Der Niedergang bei ThyssenKrupp und die Chaostage bei

Siemens zeigen, dass er seinen Aufgaben nicht gerecht wird. Er muss

nun intern klare Nachfolgeoptionen präsentieren und sich auf einen

Abschied zur Hauptversammlung 2014 vorbereiten.

Originaltext: Börsen-Zeitung

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