Börsen-Zeitung: Tapering verliert Schrecken, Börsenkommentar
'Marktplatz', von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - Kurz vor dem Rückzug vieler Marktteilnehmer in
die Feiertage hat ihnen der scheidende Chairman der amerikanischen
Notenbank, Ben Bernanke, noch einen weiteren Paukenschlag beschert.
Hatte er im September noch bezüglich des Beginns des Tapering, der
Reduzierung der Anleihekäufe, zurückgerudert, was den Aktienmärkten
einen kräftigen Schub verlieh, folgte nun - früher als von der
Mehrheit erwartet - die erste Kürzung. Auch dies löste einen
Kursschub an den Aktienmärkten aus, der den Dax am Freitag bis auf
knapp 9400 und damit in die Nähe seines bei 9425 Zählern liegenden
Rekordstandes trieb.
Die Reaktion folgt einem altbekannten Muster. Solange Unsicherheit
über eine potenzielle Belastung herrscht, dämpft das den Markt.
Sobald es aber zum Schwur kommt und das gefürchtete Ereignis
tatsächlich stattfindet, verwandelt es sich in eine bekannte Größe
und verliert seine belastende Wirkung. Mit dem Kursanstieg reagieren
die Aktienmärkte aber auch logisch. Mehrfach war in den
zurückliegenden Monaten das merkwürdige Phänomen zu beobachten, dass
die Kurse stiegen, weil in den USA grottenschlechte Konjunkturdaten
veröffentlicht worden waren. Denn dass - so die verquere Logik -
garantierte aus Sicht der Marktteilnehmer, dass die Fed die Schleusen
auf absehbare Zeit weit geöffnet lassen würde. Nun aber hat der Markt
honoriert, dass die amerikanischen Währungshüter die US-Wirtschaft
jetzt definitiv für stabil genug und ihre Aussichten für hinreichend
gut halten, um ihr das Tapering zuzumuten.
Warum auch sollte die geldpolitische Wende die Konjunktur und den
Aktienmarkt ins Straucheln bringen? Schließlich beginnt das Tapering
mit einer harmlosen Reduzierung der Käufe von 85 Mrd. auf 75 Mrd.
Dollar monatlich. Auch in den kommenden Monaten dürfte die Fed ihre
Käufe in wohldosierten Schritten verringern und außerdem die
Möglichkeit in der Hinterhand halten, bei der Reduzierung einen Gang
zurückzuschalten. Vor allem aber besteht die Garantie, dass der
Leitzins bis in das übernächste Jahr hinein nahe null verharren wird.
Katastrophen sehen anders aus.
Allerdings hat alles seinen Preis: Bei allen großen Veränderungen
gibt es nicht nur Gewinner. Verlierer der krisenbedingt sehr hohen
Liquidität und niedrigen Zinsen sind die Sparer und Besitzer von
Geldvermögen, während beispielsweise Aktionäre und Eigentümer von
Immobilien zu den Gewinnern zählen. Wenn sich mit der nach wie vor
den globalen Trend setzenden Fed der geldpolitische Wind zu drehen
beginnt, werden das - in Verbindung mit einer sich beschleunigenden
Konjunktur - die Staatsanleihen mit Top-Bonität zu spüren bekommen.
Anleger müssen bei diesen eigentlich sicheren Papieren nach Abzug der
Inflation real negative Erträge befürchten. Darüber hinaus könnten
die Emerging Markets noch einmal Turbulenzen erleben, wenn steigende
Zinsen in den Industrieländern und ein festerer Dollar Hand in Hand
gehen mit einem Kapitalabzug oder zumindest mit einem deutlichen
Rückgang der Zuflüsse. Vor allem für von Außenfinanzierung abhängigen
Schwellenländern kann dies zu einem gravierenden Problem werden.
Darüber hinaus werden Edelmetalle negativ betroffen sein. Zwar
scheint das Abwärtspotenzial nach den bereits deutlichen Verlusten
nicht allzu hoch. Allerdings gilt dies unter den neuen Vorzeichen
auch für ihr Aufwärtspotenzial.
Ansonsten scheinen die Aussichten für Risiko-Assets auch im
kommenden Jahr gut zu sein. Um das Ertragsproblem bei Staatsanleihen
zu lösen, werden viele Marktteilnehmer - soweit sie das überhaupt
dürfen - keine andere Wahl haben, als ihre Risiken hochzufahren. Im
Anleihebereich werden sie auf der Suche nach Zusatzrendite zu
niedrigeren Bonitäten greifen, und auch Aktien dürften bis auf
Weiteres Mittel anziehen.
Risikolos ist das Ganze aber nicht. Es kann nur funktionieren,
wenn sich die Entwicklung von Konjunktur und Gewinnen tatsächlich so
verbessert, wie allgemein erwartet wird. Zudem müssen nicht nur
größere Enttäuschungen von dieser Seite ausbleiben. Es dürfen auch
keine Schocks wie z.B. ein Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise
kommen. Darauf ist der Markt nicht eingestellt, wie sich an den
Volatilitätsindizes, die als Angstindikator gelten, ablesen lässt.
Diese befinden sich auf sehr niedrigen Niveaus, was als Zeichen der
Sorglosigkeit interpretiert werden kann. Das bedeutet zwar nicht,
dass zwangsweise eine Marktschwäche folgen muss. Ein gutes Zeichen
war es aber noch nie.
(Börsen-Zeitung, 21.12.2013)
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Frankfurt (ots) - Kurz vor dem Rückzug vieler Marktteilnehmer in
die Feiertage hat ihnen der scheidende Chairman der amerikanischen
Notenbank, Ben Bernanke, noch einen weiteren Paukenschlag beschert.
Hatte er im September noch bezüglich des Beginns des Tapering, der
Reduzierung der Anleihekäufe, zurückgerudert, was den Aktienmärkten
einen kräftigen Schub verlieh, folgte nun - früher als von der
Mehrheit erwartet - die erste Kürzung. Auch dies löste einen
Kursschub an den Aktienmärkten aus, der den Dax am Freitag bis auf
knapp 9400 und damit in die Nähe seines bei 9425 Zählern liegenden
Rekordstandes trieb.
Die Reaktion folgt einem altbekannten Muster. Solange Unsicherheit
über eine potenzielle Belastung herrscht, dämpft das den Markt.
Sobald es aber zum Schwur kommt und das gefürchtete Ereignis
tatsächlich stattfindet, verwandelt es sich in eine bekannte Größe
und verliert seine belastende Wirkung. Mit dem Kursanstieg reagieren
die Aktienmärkte aber auch logisch. Mehrfach war in den
zurückliegenden Monaten das merkwürdige Phänomen zu beobachten, dass
die Kurse stiegen, weil in den USA grottenschlechte Konjunkturdaten
veröffentlicht worden waren. Denn dass - so die verquere Logik -
garantierte aus Sicht der Marktteilnehmer, dass die Fed die Schleusen
auf absehbare Zeit weit geöffnet lassen würde. Nun aber hat der Markt
honoriert, dass die amerikanischen Währungshüter die US-Wirtschaft
jetzt definitiv für stabil genug und ihre Aussichten für hinreichend
gut halten, um ihr das Tapering zuzumuten.
Warum auch sollte die geldpolitische Wende die Konjunktur und den
Aktienmarkt ins Straucheln bringen? Schließlich beginnt das Tapering
mit einer harmlosen Reduzierung der Käufe von 85 Mrd. auf 75 Mrd.
Dollar monatlich. Auch in den kommenden Monaten dürfte die Fed ihre
Käufe in wohldosierten Schritten verringern und außerdem die
Möglichkeit in der Hinterhand halten, bei der Reduzierung einen Gang
zurückzuschalten. Vor allem aber besteht die Garantie, dass der
Leitzins bis in das übernächste Jahr hinein nahe null verharren wird.
Katastrophen sehen anders aus.
Allerdings hat alles seinen Preis: Bei allen großen Veränderungen
gibt es nicht nur Gewinner. Verlierer der krisenbedingt sehr hohen
Liquidität und niedrigen Zinsen sind die Sparer und Besitzer von
Geldvermögen, während beispielsweise Aktionäre und Eigentümer von
Immobilien zu den Gewinnern zählen. Wenn sich mit der nach wie vor
den globalen Trend setzenden Fed der geldpolitische Wind zu drehen
beginnt, werden das - in Verbindung mit einer sich beschleunigenden
Konjunktur - die Staatsanleihen mit Top-Bonität zu spüren bekommen.
Anleger müssen bei diesen eigentlich sicheren Papieren nach Abzug der
Inflation real negative Erträge befürchten. Darüber hinaus könnten
die Emerging Markets noch einmal Turbulenzen erleben, wenn steigende
Zinsen in den Industrieländern und ein festerer Dollar Hand in Hand
gehen mit einem Kapitalabzug oder zumindest mit einem deutlichen
Rückgang der Zuflüsse. Vor allem für von Außenfinanzierung abhängigen
Schwellenländern kann dies zu einem gravierenden Problem werden.
Darüber hinaus werden Edelmetalle negativ betroffen sein. Zwar
scheint das Abwärtspotenzial nach den bereits deutlichen Verlusten
nicht allzu hoch. Allerdings gilt dies unter den neuen Vorzeichen
auch für ihr Aufwärtspotenzial.
Ansonsten scheinen die Aussichten für Risiko-Assets auch im
kommenden Jahr gut zu sein. Um das Ertragsproblem bei Staatsanleihen
zu lösen, werden viele Marktteilnehmer - soweit sie das überhaupt
dürfen - keine andere Wahl haben, als ihre Risiken hochzufahren. Im
Anleihebereich werden sie auf der Suche nach Zusatzrendite zu
niedrigeren Bonitäten greifen, und auch Aktien dürften bis auf
Weiteres Mittel anziehen.
Risikolos ist das Ganze aber nicht. Es kann nur funktionieren,
wenn sich die Entwicklung von Konjunktur und Gewinnen tatsächlich so
verbessert, wie allgemein erwartet wird. Zudem müssen nicht nur
größere Enttäuschungen von dieser Seite ausbleiben. Es dürfen auch
keine Schocks wie z.B. ein Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise
kommen. Darauf ist der Markt nicht eingestellt, wie sich an den
Volatilitätsindizes, die als Angstindikator gelten, ablesen lässt.
Diese befinden sich auf sehr niedrigen Niveaus, was als Zeichen der
Sorglosigkeit interpretiert werden kann. Das bedeutet zwar nicht,
dass zwangsweise eine Marktschwäche folgen muss. Ein gutes Zeichen
war es aber noch nie.
(Börsen-Zeitung, 21.12.2013)
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