BERLIN (dpa-AFX) - Arbeitgeber und Gewerkschaften fordern Änderungen am Mindestlohn-Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Nachbesserungsbedarf sehen sie allerdings an unterschiedlichen Stellen. Der Koalitionspartner CSU zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit dem Nahles-Entwurf, nachdem er zuvor auf zahlreichere Ausnahmen gepocht hatte.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der Mediengruppe 'Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung' (Freitag): 'Uns war wichtig, dass Ausnahmen für Schüler, Praktikanten, Ehrenamtliche und Langzeitarbeitslose vorgesehen sind.' Im Gesetzgebungsverfahren wolle die CSU darauf achten, dass darüber hinaus durch den Mindestlohn keine Arbeitsplätze gefährdet würden - etwa bei Saisonarbeitskräften und Zeitungszustellern.
Die Arbeitgeberseite sprach von einem Job-Killer. 'Ich fordere die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf in entscheidenden Punkten zu ändern, um den Schaden auf dem Arbeitsmarkt zu begrenzen', erklärte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Das Alter der Ausbildungsanfänger liege mit durchschnittlich 19,8 Jahren über der im Entwurf vorgesehenen Grenze von 18 Jahren. Kramer forderte mindestens 21 Jahre. Es drohe ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit. Nicht ausbildungsfähige junge Menschen könnten für 8,50 Euro kaum auf einen Arbeitsplatz hoffen.
DGB-Chef Michael Sommer zählte indes die geplanten Ausnahmen für Jugendliche bis 18 Jahre und für Langzeitarbeitslose zu den 'Schattenseiten' des Entwurfs. 'Es ist nicht einzusehen, warum man erst volljährig werden muss, um den Mindestlohn zu bekommen.' Grundsätzlich zeigte sich Sommer zufrieden. Das Vorhaben sei ein wichtiger Schritt zu einer neuen Ordnung der Arbeit und ein Meilenstein in der Sozialpolitik. 'Der Mindestlohn schließt eine Gerechtigkeitslücke.'
Würden jedoch Langzeitarbeitslose wie vorgesehen vom Mindestlohn ausgenommen, bedeute dies, 'dass sie künftig als Lohndumpingreserve ausgenutzt werden', argumentierte Sommer. 'Mit diesen Ausnahmen wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.' Das Erwerbslosenforum Deutschland kritisierte, die Mindestlohnregelung von Nahles grenze Erwerbslose aus.
Der Chef des Arbeitgeberverbandes BDA Kramer argumentierte, für Langzeitarbeitslose bedeute der gesetzliche Mindestlohn 'ein vielfach unüberwindbares Hindernis für den Einstieg in Arbeit'.
Nach Darstellung von Verdi-Chef Frank Bsirske in der 'Passauer Neuen Presse' (Donnerstag) haben die Erfahrungen mit Branchenmindestlöhnen in Deutschland gezeigt, 'dass es keine negativen Auswirkungen am Arbeitsmarkt gibt. Das musste auch die alte, schwarz-gelbe Bundesregierung einräumen'. Diese Erfahrungen deckten sich auch mit denen in Großbritannien.
Die IG Metall sprach sich ebenfalls gegen Ausnahmen beim Mindestlohn für Minderjährige aus. In Metall-Tarifbereichen seien die Lohnabschläge für Jüngere endlich beseitigt worden, jetzt sollten sie beim Mindestlohn wieder etabliert werden, kritisierte der Zweite Vorsitzende Jörg Hofmann. Er verlangte strikte Vorgaben für die geplante Mindestlohnkommission. Die Lohnfindung gehöre nicht zu den Aufgaben der Kommission.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken erklärte, die Mindestlohnregelung müsse den Besonderheiten der Saisonarbeit Rechnung tragen. Der Verband befürchtet, dass die Erzeugung insbesondere von Obst und Gemüse in andere Länder abwandert.gf