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Sackgasse Geldpolitik: EZB und Fed suchen verzweifelt nach Lösungen

Veröffentlicht am 10.03.2023, 03:36
Aktualisiert 10.03.2023, 11:29
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Von Geoffrey Smith

Investing.com -- Den globalen Finanzmärkten stehen ein paar turbulente Wochen bevor.

Die Anleger mussten sich in den letzten Tagen mit der Tatsache abfinden, dass die Zinsen in den USA und in der Eurozone höher steigen werden, als noch zum Jahreswechsel angenommen. Die Hoffnungen auf ein schnelles Ende der geldpolitischen Straffung und einen baldigen "Pivot" zu Zinssenkungen bis zum Jahresende erscheinen inzwischen dahin.

Die kurzfristigen Zinsfutures spiegeln jetzt die Erwartung eines Zinsgipfels der Fed Funds Rate von 5,5 % und eines Refinanzierungssatzes der EZB von 4 % wider. Das wären 0,75 % bzw. 1 % über dem derzeitigen Niveau. Zinssenkungen werden frühestens im Jahr 2024 erwartet.

Da die beiden größten Zentralbanken der Welt die Finanzbedingungen weiter straffen, droht der Gegenwind für die globalen Märkte, die sich seit 2009 dank des billigen Zentralbankgeldes prächtig entwickelt haben, zumindest auf kurze Sicht noch stärker zu werden.

Dennoch gibt es Gründe zu der Annahme, dass weder die Sitzung der EZB am kommenden Donnerstag in Frankfurt noch die der Federal Reserve eine Woche später ganz so hawkish ausfallen wird wie derzeit befürchtet.

Erstens ließ sich der Fed-Chef Jerome Powell am Dienstag reichlich Spielraum, als er vor dem Bankenausschuss des Senats erklärte, dass die Fed zu stärkeren Zinserhöhungen zurückkehren könnte, "wenn die Gesamtheit der Daten darauf hindeuten würde, dass eine schnellere Straffung gerechtfertigt ist".

Der daraus resultierende Glaubwürdigkeitsverlust, nur wenige Monate nach der Feststellung, dass ein disinflationärer Trend eingesetzt habe, bedeutet, dass eine Erhöhung um 25 Basispunkte immer noch das wahrscheinlichste Szenario für die Sitzung der Fed ist.

Zum anderen dürfte es der EZB überhaupt nicht schmecken, den Anfang machen zu müssen. Zwar wird sie ihren Leitzins mit ziemlicher Sicherheit um 50 Basispunkte anheben, aber der Schlüsselparameter - Lagardes Prognosen für die nächste Sitzung im Mai - steht im Schatten des Bewusstseins, dass es sich selten auszahlt, aggressiver zu agieren als die Fed.

Mit 1,06 Dollar ist der Euro gegenüber dem Dollar immer noch preiswert. Unternehmen aus der Eurozone genießen dadurch einen klaren Finanzierungsvorteil gegenüber ihren US-Pendants (ein dringend benötigter Vorteil, wenn man bedenkt, wie viel höher die Energie- und Lohnnebenkosten in Europa sind als in den USA).

Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass Lagarde sich sofort auf eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte im Mai festlegen wird.

Warum sollte sie auch? Die Inflation geht zurück (auch wenn sich die Teuerungsrate im Februar beschleunigt hat), und die wichtigsten Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sie ab dem zweiten Quartal weiter und schneller sinken wird, schließlich werden die diesjährigen Preise an der Preisspitze von vor einem Jahr gemessen. Insbesondere die Erzeugerpreisinflation verlangsamt sich drastisch und lag im Februar bei 'nur' 15 %, nachdem sie im September mit über 43 % einen Höchststand erreicht hatte.

Wie Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, argumentiert, sind die Erdgaspreise "nach wie vor der wichtigste Inflationstreiber in der Eurozone", und diese erreichten am Donnerstag den niedrigsten Stand seit Sommer 2021, nachdem ein großes LNG-Exportterminal im Golf von Mexiko die behördliche Freigabe zur Wiederaufnahme des Betriebs erhalten hatte.

Die niederländischen TTF-Futures, der Referenzpreis für Nordwesteuropa, für den es so aussah, als würde er sich nach dem Wegfall des billigen russischen Gases in einem Bereich einpendeln, der dem Vier- oder Fünffachen seines historischen Durchschnitts entspricht, notiert heute nur noch doppelt so hoch. Das ist zwar vor allem für die energieintensive Industrie immer noch schmerzhaft (siehe BASF's Kapazitätsstilllegungen im letzten Monat), aber für andere Unternehmen der Eurozone wird es wohl weniger den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.

Doch auch wenn die Inflation zweifelsfrei zurückgeht, besteht nach wie vor eine große Unsicherheit darüber, in welchem Umfang und wie schnell sie sinken wird. Vor allem die Lebensmittelpreise geben nach wie vor Anlass zur Sorge. Hier wirken sich die Störungen im globalen Düngemittelhandel erst mit Verzögerung auf die Ernten aus.

Konstantinos Venetis von TS Lombard betont in einer Vorschau auf die Sitzung der Bank of England, die einen Tag nach der Fed-Sitzung stattfindet, dass die Inflation niemals geradlinig zurückgeht - etwas, das sowohl die Falken als auch die Tauben im geldpolitischen Ausschuss frustrieren dürfte. Ihre Pendants in Washington und Frankfurt werden das wahrscheinlich genauso sehen.

Alle drei Zentralbanken dürften sich in den nächsten zwei Wochen mit den ersten Anzeichen von Stress im US-Bankensystem befassen. Der Kollaps von Silvergate (NYSE:SI), einem Institut, das sich auf Bankgeschäfte für den Kryptosektor konzentrierte, mag als etwas Spezielles für diese isolierte Nische der Finanzmärkte angesehen werden. Aber die Probleme der Silicon Valley Bank (NASDAQ:SIVB), die auf Milliarden von nicht realisierten Verlusten bei Krediten an Startups sitzt, sind eine ganz andere Sache. Schließlich hat ein Großteil des US-Finanzsystems im letzten Jahrzehnt in der einen oder anderen Form stark auf Startups gesetzt.

Vor der letzten Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Zentralbanken die Zinsen noch lange nach dem Bekanntwerden systemischer Probleme angehoben, was den anschließenden Absturz schlimmer machte, als er ansonsten vielleicht gewesen wäre.

"Wir nähern uns dem Punkt, an dem die makroökonomischen Kosten zu starker und zu langer Zinserhöhungen die Vorteile überwiegen", warnt Venetis. "Da der Straffungszyklus in eine reife Phase eintritt, ist ein nuancierterer Ansatz in der Geldpolitik gerechtfertigt."

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