Kenosha (Reuters) - US-Präsident Donald Trump hat sich bei seinem umstrittenen Besuch in der nach Schüssen auf einen Afroamerikaner von Unruhen erschütterten Stadt Kenosha demonstrativ auf die Seite der Polizei gestellt.
“Um die politische Gewalt zu stoppen, müssen wir auch die radikale Ideologie konfrontieren. Wir müssen die gefährliche Anti-Polizei-Rhetorik verurteilen”, sagte Trump am Dienstag vor einer Gruppe ortsansässiger Unternehmer in einer Schulturnhalle. “Das sind keine friedlichen Proteste, sondern das ist wirklich Inlandsterror.” Sowohl Wisconsins demokratischer Gouverneur als auch der Bürgermeister von Kenosha hatten den Republikaner öffentlich darum gebeten, nicht zu kommen, weil sie befürchten, dass seine Gegenwart die Lage zusätzlich aufheizen könnte.
Trump, der sich mitten im Wahlkampf befindet und für sich als Verfechter von Recht und Ordnung wirbt, ignorierte diese Appelle. Stattdessen drohte er erneut, selbst dann mehr Bundes-Einsatzbeamten in Städte zuschicken, wenn deren demokratische Bürgermeister dies nicht wollten. Er sehe sich in der Pflicht, dabei zu helfen, “Kenosha wieder aufzubauen”. Der Präsident versprach den Strafverfolgungsbehörden der Stadt eine Millionen Dollar an Bundesmitteln. Kleinen Unternehmen und Geschäften, die bei den Ausschreitungen zu Schaden kamen, sagte er vier Millionen Dollar Unterstützung zu. Dem gesamten Bundesstaat Wisconsin, in dem viele Wechselwähler leben und der bei der Präsidentenwahl im November das Zünglein an der Waage sein könnte, stellte er 42 Millionen Dollar für die öffentliche Sicherheit in Aussicht. Bei der Wahl 2016 hatte Trump in Wisconsin knapp die Mehrheit der Stimmen geholt. Aktuell liegt er in den meisten landesweiten Umfragen hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden.
TRUMP VERTEIDIGT WEISSEN MUTMASSLICHEN TODESSCHÜTZEN
Kenosha ist der jüngste Brennpunkt der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, deren Schauplatz zahlreiche Städte quer durch die USA sind, seit der Afroamerikaner George Floyd im Mai in Minneapolis bei einem Polizeieinsatz getötet wurde. Viele Proteste wurden begleitet von teils schweren Ausschreitungen, oft prallen Anhänger der “Black Lives Matter”-Bewegung auf Trump-Verfechter. So auch in Kenosha, wo der Auslöser sieben Schüsse eines weißen Polizisten in den Rücken des schwarzen Familienvaters Jacob Blake am 23. August waren. Der 29-Jährige ist seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Bei darauffolgenden Zusammenstößen hatte mutmaßlich ein 17-jähriger Weißer zwei Menschen, die gegen Rassismus protestierten, erschossen und einen dritten verletzt. Er ist wegen Mordes angeklagt. Trump verteidigte den Teenager vor seiner Abreise nach Kenosha. Der Jugendliche habe sich wohl nur selbst verteidigen wollen.
Am Dienstag blieb es zunächst offenbar weitgehend ruhig. Während die Autokolonne des Präsidenten in Kenosha einrollte, passierte sie sowohl Anhänger als auch Gegner Trumps, die “Black Lives Matter”-Schilder am Straßenrand hochhielten. Polizisten in Schutzausrüstung sorgten dafür, dass der Tross freie Bahn hatte. Trump besichtigte ein ausgebranntes Möbelgeschäft, das bei den Unruhen zerstört wurde. Dann schaute er in einem improvisierten Kommandozentrum der Nationalgarde vorbei, die einberufen wurde, nachdem friedliche Proteste nach mehreren Tagen Ausschreitungen mit Plünderungen, Brandstiftung und Schüssen wichen. Ein Besuch Trumps bei Blake war gleichwohl nicht geplant.