Was haben Aktien, was Immobilien nicht haben? Diese Frage könnten sich viele Investoren angesichts des andauernden Immobilienbooms stellen. Mich interessiert das. Denn auch wenn ich Aktien prinzipiell favorisiere, schaue ich mich gelegentlich bei anderen Vermögensklassen um. Auch bei Immobilien. Man lernt ja schließlich nie aus!
Hin und wieder entdecke ich dabei Eigenschaften, die ich bei Aktien vermisse. Aber oft erkenne ich auch Vorteile, die mir vorher gar nicht bewusst waren. Ein Vorteil, den Aktien haben und Immobilen nicht haben, ist mir in letzter Zeit besonders ins Auge gestochen.
Fluch und Segen der ständigen Preisfindung Für die einen ist es ein Fluch, für die anderen ein Segen. Aber die ständige Neubewertung von Aktien an den weltweiten Börsen hat nun mal Tradition.
Fluch, weil die mitunter heftigen Kursschwankungen vielen Investoren oft den letzten Nerv rauben. Der sauber ausgetüftelte Investitionsplan endet wahrscheinlich nicht selten im Panikverkauf, weil in Nachricht X über Unternehmen Y dies oder das verbreitet wird. Eurokrise, Zollstreitigkeiten, Trump, Putin, Zombieapokalypse – praktisch alles kann sich innerhalb kürzester Zeit auf die Kurse niederschlagen. Selbstverständlich hübsch präsentiert als Grafik in den tagesaktuellen Nachrichten. Für manch nervenschwachen Investor wäre es sicher das Beste, niemals im Leben auch nur einmal eine Kursgrafik anzusehen.
Dieses Problem haben Immobilienbesitzer nicht. Hier erfährt niemand, um wie viel Prozent das gute Stück heute im Wert gefallen oder gestiegen ist. Das höchste der Gefühle sind mal mehr und mal weniger detaillierte Erhebungen zur Preisentwicklung des örtlichen Immobilienmarkts. Vergleichbar mit der brutalen Aktualität der Börsen ist das meiner Meinung nach nicht.
Vorsicht vor Fantasiebewertungen Aber bei genauerer Betrachtung ist die gut sichtbare Bewertung von Aktien ein Vorteil, den Immobilien nicht haben, aber meiner Meinung nach ganz gut gebrauchen könnten. Denn eine träge Wertermittlung dürfte wohl in vielen Fällen zu einer Pi-mal-Daumen-Bewertung führen, die nichts mit der Realität zu tun hat.
Deine Terrakottainstallation im Garten ist hübsch anzusehen und hat ein ebenso hübsches Sümmchen gekostet? Schön! Wenn das den Wert der Immobile nicht auf einen Schlag vervielfacht, was dann? Ganz zu schweigen von der kürzlich vollendeten Betonsanierung. Der Nachbar hat sein Haus vor ein paar Wochen für Summe X verkauft. Der hatte keine Terrakotta. Nicht mal ein Gartenhaus hatte der. Da muss deine Immobilie doch locker die Summe X plus Y wert sein.
Ja, das kann alles genau so sein. Aber ebenso gut kann das auch ganz anders sein. Denn erst der warme Handschlag eines Kaufinteressenten, der deine Immobilie definitiv für die Summe X plus Y kaufen würde, ist die Garantie dafür, dass deine Immobilie auch genau diesen Marktwert hat. Alles andere ist reine Fantasie.
Wenn ich die Emotion rieche, werde ich skeptisch Ich kann mich sehr gut in Immobilienbesitzer hineinversetzen. Das über Jahrzehnte gepflegte Haus am See ist definitiv der schönste Wohnort der Welt. Logisch. Warum sonst hätte man dort gewohnt, gelebt, geliebt und investiert.
Aber leider bedeutet das nicht, dass andere Menschen das genauso sehen. Erst recht bedeutet das nicht, dass andere Menschen für das Traumhaus die erhoffte Traumsumme auf den Tisch legen würden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die emotionale Bewertung einer Immobilie oft mit dem tatsächlichen Marktwert in Konflikt gerät.
Bei Aktien geht es zuweilen auch sehr emotional zu. Wenn die Herde einmal Blut geleckt hat, fallen regelmäßig alle Hemmungen. Aber prinzipiell weiß man immer, wo man wirklich steht, und bekommt die mitunter harte Realität täglich in den Nachrichten serviert.
Das ist hart, aber fair. Daher: 1 zu 0 für Aktien.
Motley Fool Deutschland 2019