FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Furcht vor schneller steigenden Zinsen in den USA hat den deutschen Aktienmarkt nach seinem jüngsten Höhenflug am Donnerstag belastet. Der Leitindex Dax (DAX) war im frühen Handel zwischenzeitlich um gut anderthalb Prozent abgesackt, bevor er sich wieder etwas erholte. Bis zum Mittag stand noch ein Minus von 0,88 Prozent auf 16 128,16 Punkte zu Buche. Am Vortag hatte das Börsenbarometer einen historischen Höchststand nur um wenige Punkte verfehlt.
Der MDax (MDAX) der mittelgroßen Unternehmen verlor am Donnerstag 1,07 Prozent auf 35 251,14 Punkte. Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) ging es um 1,13 Prozent nach unten.
Für Verunsicherung sorgten jüngste Aussagen der US-Notenbank (Fed). Wie aus dem am Vorabend veröffentlichten Protokoll der Fed hervorgeht, sprachen sich einige ihrer Mitglieder dafür aus, schon kurz nach der ersten Zinserhöhung mit der Verringerung der Bilanzsumme der Notenbank zu beginnen. Damit würden auslaufende Anleihen nicht mehr ersetzt, was die Anleihenkurse drücken und die Renditen entsprechend erhöhen dürfte. Dies wiederum würde Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren weniger attraktiv erscheinen lassen.
Zudem wurde wiederholt betont, dass sowohl die Wirtschafts- als auch die Inflationsentwicklung für einen rascheren Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik sprächen. Eine schnellere Anhebung der Zinsen als zuvor erwartet könne gerechtfertigt sein, hieß es.
Das Protokoll der Fed habe die Märkte überrascht, da es eine recht aggressive geldpolitische Sicht der Notenbanker offenbare, schrieb Analystin Birgit Henseler von der DZ Bank. "Angesichts der Lieferkettenproblematik, die sich nicht so schnell entspannen wird, sind die Risiken für anhaltend hohe Inflationsraten enorm."
Die Sorge vor unerwartet schnell steigenden Zinsen hatte vor allem an der Technologiebörse Nasdaq einen Ausverkauf ausgelöst. Die stark wachstumsorientierten Tech-Unternehmen gelten als besonders zinssensibel, weil mit höheren Zinsen auch die Finanzierungskosten steigen. Als besonders verwundbar dürften sich die am höchsten bewerteten Anlagen erweisen - zu denen nicht zuletzt die Tech-Aktien zählen, schrieb Analyst Jeffrey Halley vom Handelshaus Oanda.
Auch europaweit gerieten die Aktien technologieorientierter Unternehmen (STOXX Europe 600 Technology) stark unter Druck. Hierzulande fielen Infineon (4:IFXGn) im Dax um mehr als zwei Prozent. Im MDax büßten die Anteilsscheine von Teamviewer (4:TMV) und von Nemetschek (4:NEKG) um rund vier beziehungsweise fast sechs Prozent ein.
Zudem machten Anleger weiterhin einen großen Bogen um Aktien aus den Corona-Gewinnerbranchen. Im Dax etwa zählten die Anteilsscheine des Online-Händlers Zalando (4:ZALG) und die Papiere des Lieferdienstes Delivery Hero (4:DHER) mit Verlusten von fünf beziehungsweise drei Prozent mit zu den schwächsten Werten.
Hintergrund der Kursverluste bei den sogenannten "Stay-at-Home-Aktien" ist die Aussicht, dass das Coronavirus bald keine relevante Bedrohung mehr für das Gesundheitssystem darstellen könnte. Denn die hohe Übertragbarkeit der neuen Corona-Variante Omikron könnte dazu führen, dass die Bevölkerung als Ganzes vergleichsweise schnell eine höhere Immunität erreicht. Im Idealfall dürften so die milderen Verläufe Druck vom Gesundheitssystem nehmen. Damit wiederum würden coronabedingte Einschränkungen weiter zurückgenommen werden, so dass sich die Innenstädte wieder füllen dürften.
Die Anteilsscheine von Flatexdegiro (4:FTKn) knickten im Nebenwerteindex SDax (SDAX) um mehr als acht Prozent ein. Das vierte Quartal und der Ausblick des Online-Brokers auf das laufende Jahr hatten die Anleger enttäuscht.