FRANKFURT/PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Vordergründig ähnelt die Ausgangssituation der Aktienmärkte Europas für 2022 der vor einem Jahr. Corona ist weiterhin das dominante Thema. Noch immer ruht die Hoffnung auf einer Rückkehr zur Normalität und einer fortgesetzten Erholung der Weltwirtschaft. Doch mit der Inflation ist ein weiteres Thema in den Vordergrund gerückt. Für europäische Aktien sind Experten insgesamt zuversichtlich, doch könnte der Ritt in den nächsten zwölf Monaten holpriger werden.
Selbst wenn die Inflation nicht weiter anzieht, wird sie wohl auf erhöhtem Niveau bleiben. Ursachen sind laut Volkswirt Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel die sich nur langsam abbauenden Lieferkettenstörungen, hohe Energie- und Rohstoffpreise, der Fokus der Politik auf höhere Löhne sowie staatliche Investitionsoffensiven. Dabei stecken die Währungshüter laut den Experten des Vermögensverwalters Fiduka in einer Zwickmühle. "Zum einen rechtfertigt eine pandemiegeschwächte Weltwirtschaft weiterhin geldpolitische Unterstützung, zum anderen steigen die Risiken einer unkontrollierten Inflationsentwicklung." Das spiegelt sich in der Aktienauswahl der Vermögensverwalter wider. Zahlreiche Häuser favorisieren Substanzwerte mit vergleichsweise günstiger Bewertung. "Vieles spricht dafür, dass Value-Aktien 2022 besser laufen sollten", meint etwa Stefan Breitner, Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement der Fondsgesellschaft DJE. Die Investmentexperten Pascal Blanque und Vincent Mortier vom französischen Vermögensverwalter Amundi empfehlen solide Unternehmen mit inflationssicheren Geschäftsmodellen. Vorsichtig sind sie dagegen bei Wachstumsaktien, die in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Sollte die Inflation hoch bleiben und die Notenbanken geldpolitisch stärker bremsen als geplant, könnten hoch bewertete Wachstumstitel weiter unter Druck geraten. Die Einschätzungen der Experten sprechen tendenziell für den deutschen Aktienmarkt. Traditionelle Branchen sind in dem auf 40 Werte gewachsenen Leitindex Dax (DAX) hoch gewichtet, während Technologiewerte eine eher untergeordnete Rolle spielen. Auch andere Aspekte sprechen für deutsche Aktien. So könnten die prominent im Dax vertretenen Autowerte von einer Besserung der momentanen Chipknappheit profitieren, merkt Kapitalmarktanalyst Robert Halver von der Baader Bank an.