Nutzfahrzeugaktien sind selten. Mit der nun gelisteten Aktie von TRATON (DE:8TRA) (WKN:TRAT0N) steht uns immerhin eine gute Alternative zur schwedischen Volvo (ST:VOLVb) (WKN:871229)-Aktie zur Verfügung. Da liegt es doch nahe, mal genauer hinzuschauen, wie die beiden im Vergleich dastehen. Lies hier, warum ich mich letztlich für TRATON entscheiden würde.
Wichtige Fakten zuerst Beide Konzerne haben Wurzeln in Schweden, sind bekannt für ihre 40-Tonner und spielen international ganz vorne mit. Lass uns zum Einstieg ermitteln, wie die Größenverhältnisse der Unternehmen sind:
Volvo AB | Traton SE | Verhältnis | |
Kernmarken | Volvo, Renault Trucks, Mack, UD | MAN, Scania, VW Trucks Brasilien | |
Allianzmarken | Eicher, Dongfeng | Sinotruk, Navistar International, Hino | |
Marktkapitalisierung (28.06.) | 29,6 Mrd. EUR | 13,2 Mrd. EUR | 2,24 |
Umsatz 2018 | 37,0 Mrd. EUR | 25,9 Mrd. EUR | 1,43 |
Operativer Gewinn 2018 | 3,3 Mrd. EUR | 1,5 Mrd. EUR | 2,20 |
Eigenkapital (31.03.) | 12,9 Mrd. EUR | 13,1 Mrd. EUR | 0,98 |
Mitarbeiter (31.03.) | 106.280 | 80.940 | 1,31 |
Finanzdienstleistungen: Portfoliowert (31.03.) | 14,9 Mrd. EUR | 9,1 Mrd. EUR | 1,64 |
Auftragseingang Q1 (Trucks) | 45.884 | 64.357 | 0,71 |
Umsatz Q1 (Industriegeschäft) | 9,8 Mrd. EUR | 6,3 Mrd. EUR | 1,56 |
Operativer Gewinn Q1 (Industriegeschäft) | 1.144 Mio. EUR | 457 Mio. EUR | 2,50 |
Volvo ist der deutlich größere und profitablere Konzern, was sich in einer mehr als doppelt so hohen Bewertung ausdrückt. Kennzahlen wie Mitarbeiter und Eigenkapital zeigen auf der anderen Seite, dass TRATON durchaus in Schlagweite ist.
Wenn es um den Lkw-Absatz der Kernmarken geht, ist Volvo etwas größer. Nimmt man jedoch die Allianz-Partner hinzu, dann verfügt der europäische Marktführer TRATON über die größte Plattform, sogar noch vor Daimler (WKN:710000).
Wie die beiden aufgestellt sind Auch wenn beide große Rivalen im Nutzfahrzeugbereich sind, gibt es doch deutliche Unterschiede. TRATON ist ganz klar primär auf der Straße zu Hause und bietet dafür eine umfassende Palette, vom Kastenwagen über Busse jeder Größe bis hin zu kräftigen Zugmaschinen. Das Motorengeschäft sowie Offroad-Anwendungen wie Baustellen und Bergbau wirken da eher wie Randbereiche.
Das sieht bei Volvo ganz anders aus. Der breiter aufgestellte Konzern legt sich genauso problemlos mit Offroad-Spezialisten wie Liebherr, Caterpillar (WKN:850598) und Komatsu (WKN:854658) an. Auch das Militärgeschäft unternimmt Volvo weiterhin in Eigenregie, während es bei TRATON in ein Joint Venture mit Rheinmetall (WKN:703000) ausgelagert wurde. Die Unverwüstlichkeit steht bei Volvo über alle Geschäftsbereiche hinweg im Vordergrund. Zu TRATON fallen mir eher Attribute wie Komfort und Effizienz ein.
Die Marke Volvo würde ich dank dieser starken Identität höher einschätzen. Auch in der aktuellen Nordic-50-Liste von BrandFinance stehen die Schweden auf Platz 3 gegenüber Platz 22 von Scania. Die zusammengerauften TRATON-Marken brauchen vielleicht noch etwas Zeit, um sich zu sortieren und eine gemeinsame Identität zu schaffen.
Wer die bessere Technologiestrategie hat Die großen Themen der Automobilindustrie stehen auch bei den Brummi-Bauern im Vordergrund: Elektrifizierung, Automatisierung und Konnektivität sowie alternative Kraftstoffe. Beide haben unzählige Pilotprojekte am Laufen und treiben einen großen Aufwand.
Besonders aufsehenerregend ist die autonome Zugmaschine von Volvo, die in Zusammenarbeit mit NVIDIA (WKN:918422) entwickelt wird und ohne Fahrerhaus auskommt. Sie soll in passenden Einsatzszenarien für deutlich sinkende Kosten sorgen. Bei TRATON auf der anderen Seite gefällt mir die Digitalsparte RIO, die sich zu einer zentralen Plattform der Transport- und Logistikbranche entwickeln könnte. Innovativen Start-ups erlaubt sie das Andocken, sodass hier zügig ein großes Ökosystem entsteht.
Was die Einführung von Elektromodellen angeht, wird nun die Schlagzahl erhöht. Die Elektro-Vans von MAN und Renault Trucks haben den Anfang gemacht. Nun sollen auch E-Busse und E-Trucks kommen und spätestens 2025 das komplette Spektrum abdecken. Mit modularen Gleichteilstrategien über Segment- und Markengrenzen hinweg soll die Elektrifizierung kostengünstig hochgefahren werden.
Beide hatten zunächst eher eine abwartende Haltung eingenommen und den noch jungen Markt Start-ups und Nischenplayern überlassen. Mit zunehmender Marktreife drängen sie jedoch mit Nachdruck in den Markt und setzen dabei die richtigen Akzente. Wer letztlich erfolgreichere Lösungen hervorbringen wird, ist derzeit noch kaum absehbar, aber für die kleineren Wettbewerber dürfte es mittelfristig schwer werden, dort gegenzuhalten.
Die Entscheidung Es sind feine Unterschiede, die den Ausschlag für die eine oder die andere Aktie geben. Volvo hat eine bärenstarke Marke und ist breiter diversifiziert, was ein Vorteil sein könnte, wenn die Nachfrage nach Straßennutzfahrzeugen einbrechen sollte. Zudem ist Volvo über ein Joint Venture auch stark im immer wichtiger werdenden indischen Markt vertreten, während MAN sich 2017 von dort zurückzog und Scania eher ein Nischenanbieter ist.
TRATON hat jedoch die etwas größere Plattform, wenn es wie geplant gelingt, die amerikanischen und asiatischen Allianzpartner immer enger an sich zu binden. Das könnte ein entscheidender Faktor sein, wenn es darum geht, zukunftsweisende Lösungen in den Markt einzuführen. Denn nur wenn es schnell gelingt, große Stückzahlen auf die Straßen zu bringen, stellen sich auch Skaleneffekte ein, die die Kosten drücken.
Von der Qualität der Unternehmen her wage ich kaum ein Urteil zu fällen, auch wenn die aktuell noch deutlich höhere Profitabilität für Volvo spricht. Das Gesamtbild ergibt jedoch, dass die substanzstarke TRATON ebenfalls Vorzüge ausspielen kann und aus meiner Sicht mindestens halb so viel wert sein sollte. Da hat die günstig in den Markt gekommene Aktie durchaus noch etwas aufzuholen, weshalb ich mich zum jetzigen Zeitpunkt eher für TRATON entscheiden würde.
Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von NVIDIA.
Motley Fool Deutschland 2019