* Insider: Euro-Rat will bei Entscheidungen früh eingebunden sein
* Lagarde soll wieder stärker den Konsens suchen
* Währungshüter laut Insidern gegen formelle Abstimmungen
- von Balazs Koranyi und Francesco Canepa und Frank Siebelt
Frankfurt, 14. Nov (Reuters) - Die Euro-Währungshüter haben Insidern zufolge die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde dazu aufgefordert, bei geldpolitischen Entscheidungen künftig stärker den Konsens zu suchen. Nach oftmals polarisierenden Alleingängen unter ihrem Vorgänger Mario Draghi wünschsten sich die obersten Euro-Notenbanker, künftig umfassender in die Entscheidungsfindung eingebunden zu werden, sagten vier mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Lagarde hatte am Mittwoch den EZB-Rat zu einem zwanglosen Gedankenaustausch in das Schlosshotel Kronberg im Taunus eingeladen, um dort in lockerer Atmosphäre über die künftige Arbeit des EZB-Gremiums zu beraten.
Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte zu Monatsbeginn den Italiener Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) abgelöst. Sie erbte einen geldpolitisch gespaltenen EZB-Rat. Denn das im September beschlossene große Maßnahmenpaket zur Stützung der schwächelnden Konjunktur war intern teilweise stark kritisiert worden. Ziel des informallen Treffens der Ratsmitglieder im Kronberger Schlosshotel, das einst im 19. Jahrhundert als Residenz für die deutsche Kaiserin Victoria gebaut wurde, war es auch die Wogen nach dem jüngsten Zwist im 25-köpfigen EZB-Rat zu glätten.
Den Insidern zufolge äußerten Euro-Wächter auf dem Treffen den Wunsch, künftig wieder eine stärkere Rolle bei der geldpolitischen Entscheidungsfindung zu spielen. Beschlüsse sollten zudem wieder mehr im Konsens gefunden werden statt durch einfache Mehrheiten zustande kommen. Dazu gehöre auch, dass geldpolitische Beschlussvorschläge den Notenbank-Gouverneuren frühzeitig zu übermitteln. Auch solle für sie die breitestmögliche Unterstützung gesucht werden, so wie es in der Anfangszeit unter Draghi und unter seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet gewesen sei. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Zu den Punkten habe auch gehört, dass die EZB in der öffentlichen Kommunikation keine geldpolitischen Vorfestlegungen treffen solle. Es sollten keine Hinweise gegeben werden, wie künftige Beschlüsse wahrscheinlich ausfallen werden, sagten meherer Insider. Kritiker hatten Draghi vorgeworfen, in öffentlichen Auftritten vor wichtigen geldpolitischen Entscheidungen bereits starke Vorfestlegungen zu treffen. Drei der mit der Situation vertrauten Personen wiesen zudem Überlegungen zurück, die EZB könne künftig auf Zinssitzungen formelle Abstimmungen über geldpolitische Vorschläge abhalten und diese später auch veröffentlichen. Dies würde die Freiheit der Euro-Wächter zu sehr einschränken, hieß es. Zudem werde dadurch wöglich eine Debatte über die nationalen Interessen losgetreten.
Am Führungsstil von Draghi war zuletzt kritisiert worden, dass er große geldpolitische Entscheidungen nur mit einem kleinen Zirkel von Beratern vorbereitet und den EZB-Rat erst sehr spät einbezogen habe. Den größten Zwist gab es auf seiner vorletzten Zinssitzung im September. Der EZB-Rat beschloss damals wegen der Konjunkturschwäche ein großes Maßnahmenpaket zur Stützung der Wirtschaft, wozu auch die Wiederaufnahme der billionschweren Anleihenkäufe zählte. Allerdings scherte immerhin rund ein Drittel der Währungshüter aus und war gegen deren Neustart. Lagarde hatte bereits angekündigt, den Zwist über die jüngsten Lockerungsschritte überwinden zu wollen. "Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, wie wir künftig wieder eine gemeinsame Linie finden können", hatte sie unlängst dem "Spiegel" gesagt.