Jim Cramer ist in den USA einer der meistbeachteten Börsenkommentatoren. Er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Monatelang feierte er die fulminanten Entwicklungen an der Technologiebörse NASDAQ Nasdaq 100. Doch am 8. September, als die Kurse zur Abwechslung mal wieder stärker korrigierten, wendete er sich eindringlich an junge Investoren.
Das hat Jim Cramer gesagt Im Interview in der CNBC-Sendung Squawk Box wurde er gefragt, was er von der aktuellen Marktsituation halte. Zunächst antwortete er, dass er es grundsätzlich für möglich halte, dass Käufer in den Markt kommen, um den Verkaufstrend umzudrehen. Dann machte er jedoch ein ernstes, fast verzweifelte, Gesicht und fuhr wie folgt fort:
Ich beschwöre die Menschen, die noch Börsenneulinge sind: Weißt du, was du besitzt? Weißt du, warum du es besitzt? Besitzt du es nur wegen des Momentums? Wenn Letzteres zutrifft, dann verkaufe jetzt sofort!
Dazu muss man wissen, dass Jim Cramer ein eiserner Verfechter einer hohen Aktienquote ist und normalerweise überaus positiv gestimmt ist. Wie kommt es also, dass er nun scheinbar zu panischen Verkäufen aufruft?
Wie Jim Cramers Aufruf einzuordnen ist Seit der Technologieindex NASDAQ 100 über die Marke von 11.000 Punkte gestiegen ist, hat Jim Cramer bereits mehrfach dazu geraten, zumindest einen Teil der Gewinne zu sichern. Die verrückte Rallye nach dem Coronacrash habe zweifellos Millionäre unter den unerschrockenen Robinhood-Anlegern und anderen hervorgebracht. Doch solange man nicht verkaufe, stünde das Vermögen nur auf dem Papier.
Wichtig an seinen Aussagen ist, dass sie sich an junge Anleger und andere Börsenneulinge richtet, die die Erfahrung der geplatzten Dotcom-Blase von 2000 nicht haben und vielleicht auch die Finanzkrise um 2008 nur am Rande miterlebten. Für sie kennt die Börse nur eine Richtung, vor allem, wenn sie ihren Fokus etwa auf heiße FANG-, Halbleiter- oder Cloud-Aktien gerichtet haben.
Jim Cramer sagt daher, dass es seine Pflicht sei, noch unerfahrene Anleger eindringlich davor zu warnen, jetzt weiter Rekordkursen hinterherzujagen. Es seien nun sehr große Verluste möglich. 2000 hätten Börsenkommentatoren viel zu wenig getan und damit untätig zugesehen, wie unzählige Investoren um ihr Vermögen gebracht wurden. Wer jetzt Kasse mache, der verhindere, dass die Geschichte sich wiederholen könne.
Ein zweiter Punkt ist jedoch genauso wichtig und betrifft uns alle: Wenn wir nicht genau wissen, was wir uns da eigentlich ins Depot geholt haben und der einzige Grund für den Aktienkauf die Trendfolge war, dann sind wir planlos, wie hoch der faire Wert der Aktien sein könnte. Das ist gefährlich.
Was Anleger jetzt tun sollten Andersherum bedeutet das, dass wir nicht panisch verkaufen müssen, soweit wir über eine fundamental begründete Investmentthese verfügen und uns Gedanken zur Werthaltigkeit gemacht haben. Von daher wäre jetzt vielleicht der Zeitpunkt, jede einzelne Position im Portfolio daraufhin abzuklopfen, ob der aufgerufene Kurs noch zu den Gewinnpotenzialen passt.
Denn klar ist, dass Hype-Aktien, die sich zum Teil in kürzester Zeit vervielfacht haben, ein viel größeres Rückschlagspotenzial haben als etwa ein Traditionskonzern, dessen Kurs sich in diesem Jahr kaum von der Stelle bewegt hat.
Noch ist es nicht zu spät, mit guten Gewinnen herauszukommen, sagt Jim Cramer. Auch ich denke, dass es gut möglich ist, dass es in einigen Monaten viele lange Gesichter gibt. Denn viele haben mit den eingesparten Urlaubs- und Ausgehbudgets an der Börse spekuliert, gerne auch gehebelt. Wer jetzt nicht erkennt, dass es auch mal über längere Zeit nach unten gehen kann, wie etwa von 2000 bis 2003 oder von 2007 bis 2009, der wird wahrscheinlich nicht nur all seine Gewinne verlieren, sondern letztlich sogar tief in den roten Zahlen landen.
Da wir allerdings auf der anderen Seite auch nicht sicher sein können, dass sich tatsächlich ein solches Desaster entwickelt, heißt die beste Strategie, jetzt von Momentum auf Qualität umzuschichten. Es gibt sie noch, die starken Unternehmen mit viel Substanz zum fairen Preis. Bei diesen ist es recht unwahrscheinlich, dass wir mittel- bis langfristig eine geringere Rendite als auf dem Bankkonto erwirtschaften.
Momentumaktien können hingegen ohne Weiteres um 80 oder 90 % einbrechen und sich nie wieder vollständig erholen. Wer 2000 dabei war, weiß, wovon ich spreche.
Motley Fool Deutschland 2020