Die Wirecard (DE:WDIG) (WKN: 747206)-Aktie ist am heutigen Montag (31.08.2020) um weitere fast 28 % auf 0,62 Euro gefallen. Anleger sollten hier wirklich keine Hoffnungen mehr auf eine Rettung hegen. Das Insolvenzverfahren wurde bereits eröffnet und der zuständige Verwalter Michael Jaffé hat die Aufgabe übernommen, alle verwertbaren Unternehmensteile zu verkaufen. Aufgrund der sehr hohen Schulden besteht keine Hoffnung mehr auf einen Unternehmensfortbestand.
Ganz vorbei ist der Fall Wirecard aber noch nicht. Viel zu viele Fragen sind noch offen. Auf die meisten wird es wahrscheinlich nie eine Antwort geben. Für den Staat könnte Wirecard allerdings nachträglich noch einmal sehr teuer werden.
Wirecard könnte hohen Steuerbetrag zurückfordern So hat das Unternehmen aufgrund seiner manipulierten Abschlüsse mindestens für die Jahre 2015 bis 2019 zu hohe Steuern gezahlt. Erwirtschaftete es aber tatsächlich nur Verluste, müssten seitens des Fiskus Steuern zurückgezahlt werden.
Dafür müsste allerdings zunächst aufgeklärt werden, ab wann Wirecard seine Bilanzen gefälscht hat und welche Abschlüsse nicht den Tatsachen entsprechen. Diese Aufklärungsarbeit könnte eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, wenn sie überhaupt möglich ist. Allein für die Jahre 2015 bis 2019 hate Wirecard 216,5 Mio. Euro Ertragssteuern gezahlt.
Vermögensarrest als Chance auf Verlustminderung Etwas Geld könnten die Investoren über einen Vermögensarrest bei den ehemaligen Hauptverantwortlichen erwirken. Ein Einzelaktionär, der gleichzeitig Anwalt ist, hat diesen Weg beschritten. Er fordert für seinen Verlust von 20.000 Euro vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Markus Braun persönlichen Schadenersatz.
Da ein sehr offensichtlicher Betrug vorliegt, räumt das Oberlandesgericht München dem Vermögensarrest Aussicht auf Erfolg ein. Es ordnete zumindest einen „dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen des Antragstellers“ an. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende beteuert derweil seine Unschuld und erklärte, dass die Summe aus Aktienverkäufen für die Ablösung eines Privatkredits verwendet wurde. Wie viel Geld Dr. Braun und sein Gehilfe Jan Marsalek tatsächlich besitzen, kann nur vermutet werden. Letzterer konnte bis heute nicht aufgespürt werden.
Jan Marsalek nicht greifbar Er wurde zunächst auf den Philippinen vermutet, bis sich herausstellte, dass es sich dabei um eine absichtlich falsch gelegte Fährte handelte. Später wurde angenommen, dass sich Jan Marsalek nach Weißrussland abgesetzt hat. Aktuell vermuten die Ermittler, dass er sich in der Nähe von Moskau aufhält und vom dortigen Auslandsgeheimdienst abgeschirmt wird. Da er seine Gelder aber sehr wahrscheinlich nicht in Russland geparkt hat, wäre auch bei ihm Vermögen verwertbar.
Wirecard-Bank-Aufsichtsrat unter Druck und politische Wellen Unterdessen werden Stimmen laut, die bei der nicht von der Insolvenz betroffenen Wirecard-Bank eine Absetzung des Aufsichtsrats fordern. Er ist bisher unverändert geblieben und setzt sich unter anderem aus dem Dr.-Braun-Vertrauten Wulf Matthias und aus Stefan Klestil zusammen. Die Ermittler überprüfen nun auch hier, ob und welche Verbindungen bestanden haben beziehungsweise ob es eine Mitwisserschaft gab.
Politisch schlägt der Skandal ebenfalls hohe Wellen. Hier geht es darum, wer ab wann welche Kenntnisse über mögliche Unregelmäßigkeiten hatte. Je größer Wirecard wurde, desto mehr Einfluss und Kontakte bekam der Konzern auf die Politik. Dennoch wird die Aufklärung auch hier sehr schwer möglich sein, denn Wirecards Betrügereien reichen nicht, wie vermutet, bis 2015, sondern bis ins Jahr 2006 zurück.
Christof Welzel besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2020