(neu: weitere Aussagen aus der Pk, Analyst ergänzt, Aktienkurs aktualisiert)
DARMSTADT (dpa-AFX) - Der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck (DE:MRCG) KGaA blickt nach einem starken zweiten Corona-Jahr optimistisch in die Zukunft. Dank guter Geschäfte seiner Laborsparte mit Impfstoffentwicklern und -herstellern in der Pandemie wuchs das Dax -Unternehmen 2021 so stark wie nie. Aber auch die Pharmasparte und das Elektronikgeschäft mit Halbleitermaterialien trugen zu den Zuwächsen bei, wie Merck am Donnerstag mitteilte. In diesem Jahr sollen Umsatz und Betriebsgewinn aus eigener Kraft stark steigen. An der Börse reagierten die Anleger erfreut.
Vom Krieg in der Ukraine sieht sich Merck unterdessen finanziell direkt kaum betroffen. Es gebe jedoch wachsende Herausforderungen in der Logistikkette, sagte Merck-Vorstandschefin Belén Garijo bei der Vorlage der Zahlen.
Die Merck-Aktie baute ihre Gewinne im Handelsverlauf aus und führte auch am frühen Nachmittag den schwächelnden Dax weiter an, zuletzt mit einem Aufschlag von knapp drei Prozent. Für die Anleger sind die vergangenen Wochen allerdings eher trübe verlaufen, seit dem Rekordhoch bei 231,50 Euro Ende Dezember hat das Papier mehr als ein Fünftel an Wert eingebüßt. Aus Sorge vor einem nachlassenden Rückenwind durch die Pandemie hatten Anleger sich von Corona-Gewinnern wie Merck getrennt. Zudem belasteten der allgemeine, durch Inflations- und Zinssorgen ausgelöste Kursverfall an den Börsen sowie zuletzt der Ukraine-Krieg.
Auch bei Experten kamen die Aussagen des Merck-Managements gut an: Analyst Richard Vosser von JPMorgan (NYSE:JPM) sprach von einem starken Ausblick des Konzerns auf das laufende Jahr. So werde die Konsensschätzung für das operative Ergebnis (Ebitda) voraussichtlich um vier Prozent steigen. Das sollte den Aktienkurs stützen, erwartet der Experte.
Der Dax-Konzern hat bisher in der Pandemie eine Sonderkonjunktur erlebt, da die Darmstädter weltweit viele Corona-Impfstoffentwickler und auch den Mainzer Hersteller Biontech (NASDAQ:BNTX) beliefern. Nach kräftigen Zuwächsen bereits im ersten Corona-Jahr setzte sich der Aufwind auch 2021 fort: Der Umsatz kletterte im vergangenen Jahr um gut 12 Prozent auf knapp 19,7 Milliarden Euro. Beim Gewinn konnte Merck noch stärker zulegen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg um gut 17 Prozent auf 6,1 Milliarden Euro.
Unterm Strich wuchs der Gewinn um mehr als die Hälfte auf fast 3,1 Milliarden Euro. "Im Geschäftsjahr 2021 haben wir ein Rekordwachstum erzielt und unsere Margen gesteigert", sagte Garijo. Für Anleger soll es mit 1,85 Euro Dividende je Aktie so viel geben wie nie, 45 Cent mehr als im Vorjahr.
Im laufenden Jahr sollen alle drei Geschäftsbereiche zum geplanten starken organischen Wachstum beitragen, stärkster Wachstumsmotor bleibe dabei das Laborgeschäft. Merck veröffentlicht traditionell zur Jahresbilanz noch keine konkreten Umsatz- und Ergebnisziele, diese folgen in der Regel erst mit der Zahlenvorlage zum ersten Quartal. Im vergangenen Jahr hatte das Management dank des guten Laufs gleich dreimal die Prognose angehoben.
Der Ausblick der Darmstädter auf das laufende Jahr sei zwar nur ein qualitativer, schrieb Daniel Grigat vom Investmenthaus Stifel. Unterstelle man dem Passus "starkes Wachstum" aber ein Plus von sieben Prozent in diesem Jahr, so wäre das mehr als die aktuelle Konsensprognose. Noch stärker könne das operative Ergebnis (Ebitda) die Markterwartungen überbieten.
Konzernchefin Garijo bekräftigte zudem das Ziel von 25 Milliarden Euro Umsatz bis 2025, für das Merck wie schon bekannt kräftiger als in den vergangenen Jahren investieren will. Im Laborgeschäft hatte sich der Konzern zuletzt mit Übernahmen im Bereich der mRNA-Technologie weiter verstärkt.
Damit setzt Garijo auf einen vielversprechenden Trend: Die Pharmaindustrie hofft, das Bauplanprinzip der Messenger-RNA nicht nur wie aktuell in der Pandemie bei Corona-Impfungen einsetzen zu können, sondern etwa auch bei Medikamenten gegen Krebs. Auch in Zukunft seien bei Merck vorrangig ergänzende ausgewählte Zukäufe geplant, ergänzte die Firmenlenkerin.
Der Krieg in der Ukraine habe "keinen materiellen Einfluss" auf das Geschäft und die Prognose von Merck, sagte Garijo weiter. Der Konzern erziele nur etwa ein Prozent des Gesamtumsatzes in Russland und der Ukraine. Merck habe weder eigene Produktionsstandorte noch Beschäftigte in Ukraine. In Russland zählt Merck 400 Leute zur Belegschaft und macht vor allem Pharmageschäft. In der Verteilung der Medikamente komme es im Moment jedoch zu Verzögerungen, etwa durch lange Wartezeiten an den Grenzen, sagte Garijo. Gleichzeitig stiegen die Kosten. "Wir beobachten die Situation aufmerksam." Ziel bleibe es, in den beiden Ländern den Zugang zu den Arzneien des Konzerns aufrechtzuerhalten.
Angetrieben wurde Merck im vergangenen Jahr von der boomenden Laborsparte mit Produkten und Dienstleistungen für die Arzneiherstellung und -forschung. Hier stieg der Umsatz aus eigener Kraft um mehr als ein Fünftel. Im Zusammenhang mit der Pandemie kamen rund 1,15 Milliarden Euro Umsatz zusammen, wie die Firmenlenkerin sagte. In diesem Jahr sollen es 900 Millionen Euro werden.
Etwas weniger kräftig als die Laborsparte legte der Pharmabereich zu, wo sich neue Medikamente etwa gegen Krebs und Multiple Sklerose auszahlten. Zudem wuchs das Geschäft mit Fruchtbarkeitsbehandlungen auch wegen Nachholeffekten. In der Pandemie waren Kinderwunschkliniken zeitweise geschlossen. Im Pharmageschäft hatte Merck allerdings zuletzt auch einige Flops in Medikamentenstudien erlitten, Projekte komplett eingedampft und auch seine Wachstumsambitionen für das Geschäft mit neuen Arzneien etwas heruntergeschraubt.
In der Spezialchemie profitierte Merck von einem stark wachsenden Geschäft mit Halbleitern, in das der Konzern mit der Übernahme des US-Zulieferers Versum eingestiegen war. Weltweit sind Halbleiter knapp, gerade in der Autobranche. Der Konzern macht nach dem Umbau der Sparte inzwischen 60 Prozent der Umsätze in dem Bereich mit Halbleitermaterialien. In den kommenden Jahren sollen die Kapazitäten weiter ausgebaut werden.
Unterdessen erholte sich im vergangenen Jahr auch das Geschäft mit Farbpigmenten. Verluste gab es hingegen erneut bei Flüssigkristallen etwa für Smartphone-Bildschirme, wo harte Konkurrenz aus Asien Merck seit längerem zusetzt.