Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Der Ausverkauf der Tech-Aktien in den USA am gestrigen Tag war eine echte Nagelprobe für die europäischen Märkte - aber eine, der sie zumindest vorerst durchaus gewachsen waren.
Nachdem die europäischen Märkte am Dienstag im Einklang mit der Nasdaq und den anderen großen US-Aktienindizes kräftig eingebrochen waren, erholten sie sich am Mittwoch wieder, wozu auch ein kleiner Rebound der Nasdaq-Futures beitrug.
Dennoch gab es eine ausgeprägte Präferenz für defensive Titel wie Telekommunikation, Gesundheit und Basiskonsumgüter.
Gefragt waren unter anderem die Aktien von Orange (PA:ORAN) und der Deutschen Telekom (DE:DTEGn), die um 3,6% bzw. 2% zulegten. Die Aktien von Reckitt Benckiser (LON:RB) kletterten um 2,3%, die von Unilever (NYSE:UL) um 1,5% und die von Nestle (SIX:NESN) um 1,2%.
Auch die "neuen Defensivwerte" - insbesondere Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien - legten zu: Die Aktien von EDP Renovaveis (LS:EDPR) stiegen um 2,8% und die der Windturbinenhersteller Vestas (DE:VWS) Wind Systems (CSE:{564|VWS}}) und Siemens (DE:SIEGn) Gamesa (MC:SGREN) um jeweils mehr als 2%.
Im Gegensatz dazu waren die volatileren zyklischen Aktien leicht gefallen. Grund dafür war auch, dass der deutsche Autogipfel ohne ein konkretes Hilfsangebot der Bundesregierung endete und sich die Bankaktien nach der Euphorie um Fusionen und Übernahmen in Spanien konsolidierten (die Caixabank (MC:CABK) gewann trotzdem 1,2%, nachdem berichtet worden war, dass sie die Bedingungen ihres geplanten Zusammenschlusses mit Bankia (MC:BKIA) verbessern wolle). Luft- und Raumfahrtaktien präsentierten sich nach neuen Berichten über Produktionsmängel bei Boeing (NYSE:BA), einem ihrer größten Kunden, schwach. Meggitt (LON:MGGT), Senior (LON:SNR) und Rolls Royce (LON:RR) fielen alle um mindestens 4%.
Der Stoxx 600 kletterte um 0,7% und blieb damit in der seit Juni etablierten engen Handelsspanne.
Trotz einer massiven Bewertungslücke zu den USA ist der Appetit auf europäische Aktien weiter begrenzt. Die Zahl der Coronavirus-Fälle steigt in Spanien, Frankreich und Großbritannien stark an, während sie anderswo weniger dramatisch zunimmt. Obwohl die Krankenhausaufenthalte und die Sterblichkeitsraten immer noch weit unter den Werten des Frühjahrs liegen, ist die Furcht vor dem Beginn der Grippesaison deutlich spürbar.
Immer deutlicher wird auch, dass die Anleger die Risiken des jüngsten Brexit-Dramas erkannt haben: das Pfund Sterling rutschte ab, und britische Aktien entwickelten sich deutlich schwächer - der auf den Inlandsmarkt ausgerichtete FTSE 250 rangierte als einziger wichtiger Index am Mittwochmorgen im Minus.
Doch auch hier ist wohl die unberechenbare Corona-Politik der Regierung der wichtigere Faktor. Zu den größten Verlierern am Dienstag gehörten WH Smith (LON:SMWH), der Sandwich-Bar-Betreiber SSP Group (LON:SSPG) und Trainline (LON:TRNT). Auch die Papiere von AstraZeneca (NYSE:AZN) standen unter Druck, nachdem der Pharmakonzern die klinische Studie für einen möglichen Corona-Impfstoff gestoppt hat.
Angesichts der volatilen US-Märkte und der bevorstehenden Sitzung der Europäischen Zentralbank wäre es nicht überraschend, dass die Anleger in Europa lieber an der Seitenlinie bleiben. Offensichtlich ist nur, dass defensive Werte im aktuellen Umfeld gut nachgefragt werden.