von Robert Zach
Investing.com - Der im Zentrum eines milliardenschweren Bilanzskandals stehende deutsche Bezahldienstleister Wirecard hat soeben in einer Ad-hoc-Meldung mitgeteilt, dass der Wirecard-Chef zurückgetreten ist. Dr. Markus Braun sei "heute im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat der Wirecard AG (DE:WDIG) mit sofortiger Wirkung als Mitglied des Vorstands zurückgetreten".
Dr. James H. Freis, erst seit gestern Vorstandsmitglied, wurde zum Interimsgeschäftsführer mit Einzelvertretungsberechtigung berufen und wird vorläufig die Geschäfte der Wirecard AG lenken.
Nach der Meldung haben sich die Wirecard-Aktien (TG:WDIG) am Freitag von ihrem Tief seit 2013 moderat erholt, aber bleiben weiterhin deutlichst im Minus. Zuletzt verloren die Papiere des Zahlungsabwicklers 32 Prozent auf 24,72 Euro. Gestern waren die Wirecard-Anteilsscheine bereits um rund 65 Prozent abgestürzt.
Wirecard war gestern zum wiederholten Male nicht in der Lage, den Jahresabschluss 2019 vorzulegen. Grund dafür waren von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E&Y geäußerte Zweifel an der Existenz von 1,9 Milliarden Euro, gut 25 Prozent der Bilanzsumme, die auf Treuhandkonten bei zwei asiatischen Banken verbucht worden sein sollen, weshalb man das Testat fürs Erste verweigerte.
Die beiden Finanzinstitute mit den Namen BDO Unibank (PS:BDO) und Bank of the Philippine Islands (PS:BPI), die auf den Philippinen sitzen und angeblich den Milliardenbetrag verbucht haben sollen, wollen von den fehlenden 1,9 Milliarden Euro nichts wissen, wie Bloomberg heute Morgen berichtete. Die Wirecard AG sei kein Kunde und unterhalte bei ihnen auch keine Konten, hieß es in separaten Statements an die US-Nachrichtenagentur. Man werde "die Angelegenheit weiter prüfen".
Sollte Wirecard an diesem Freitag keinen testierten Jahresabschluss vorlegen, droht dem Bezahldienstleister der Verlust von Milliardenkrediten und damit ein ernsthaftes Liquiditätsproblem. Gleichzeitig rollt eine Klagewelle auf Wirecard zu, die seinesgleichen suchen dürfte, sowie der Entzug der Banklizenz, der Rauswurf aus dem DAX, der ersten deutschen Börsenliga, und ein Delisting im Segment Prime Standard.
Münchner Staatsanwaltschaft nimmt Wirecard weiter unter die Lupe
Die Staatsanwaltschaft München will sich bei ihrem Vorgehen im Fall Wirecard vorerst nicht in die Karten schauen lassen. "Wir ermitteln insgesamt ergebnisoffen im gesamten Sachverhalt Wirecard, einschließlich der aktuellen Ereignisse", teilte eine Sprecherin am Freitag gegenüber Reuters mit.
Im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal hat die Staatsanwaltschaft München nach eigenen Angaben keine Anzeige der Wirecard erhalten und erwartet auch keine. "Möglichweise sollte diese Anzeige im Ausland erstattet werden", erläuterte die Sprecherin. Die Ermittlungen in Deutschland seien laut Gesetz in diesem Fall ohnehin nicht davon abhängig, ob jemand Anzeige erstatte.
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-- Mit Material von Reuters