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Auf den ersten Blick sieht Amazon.com (NASDAQ:AMZN) lächerlich überbewertet aus. Bei einem aktuellen Kurs von 135,10 USD hat der Online-Händler mit Sitz in Seattle eine Marktkapitalisierung von rund 1,44 Billionen USD - eine Bewertung, die kaum durch fundamentale Kennzahlen gestützt wird.
Auch der freie Cashflow reicht dafür sicher nicht aus. In den letzten vier Quartalen war der freie Cashflow von Amazon sogar negativ. Der Nettogewinn ist immerhin positiv, liegt aber bei gerade einmal 1,13 USD je Aktie, was ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von weit über 100 bedeutet.
Darüber hinaus hat die Mark-to-Market-Bilanzierung im Zusammenhang mit der Investition des Unternehmens in den Elektro-Lkw-Hersteller Rivian Automotive (NASDAQ:RIVN) die Ergebnisse von Amazon in den letzten drei Quartalen maßgeblich beeinträchtigt. Dennoch ist der Nettoeffekt insgesamt gleich Null.
Auch die Umsätze sehen nicht so spektakulär aus. Ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 2,5x ist nicht übermäßig attraktiv, da der Großteil der Einnahmen aus dem Verkauf von Produkten mit niedrigen Margen stammt. Gleichzeitig hat sich auch das Umsatzwachstum des Unternehmens drastisch verlangsamt: Sowohl im 1. als auch im 2. Quartal stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr nur um 7 %.
Oberflächlich betrachtet sieht AMZN wie eine Aktie aus, die man besser vermeiden sollte. Aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, insbesondere nach einer zweistelligen Rallye nach dem Gewinnbericht der letzten Woche, scheint sich die Aktie als klarer Short anzubieten.
Tatsächlich ist dies jedoch ein Fall, in dem die allgemeinen Fundamentaldaten nicht die ganze Wahrheit enthalten, oder nicht genug davon. Man muss schon etwas genauer hinsehen, um den wahren Wert zu erkennen und zu verstehen, warum die AMZN-Aktie eher unter- als überbewertet sein könnte.
Auch hier sehen die Zahlen zunächst nicht besonders gut aus. Drei andere, spezifischere Zahlen verdeutlichen jedoch den Wert, der in diesem Unternehmen steckt.
Erstens hat Amazon Web Services (AWS), das Cloud-Geschäft des Unternehmens, in den letzten vier Quartalen ein beeindruckendes Betriebsergebnis von 22,4 Mrd. USD erzielt. (Es ist erwähnenswert, dass die Zahl den Anteil der Einheit an den Unternehmenskosten enthält, was bei vielen Unternehmen, die einen Gewinn auf Segmentebene ausweisen, nicht der Fall ist)
Wendet man auf diese Zahl einen Steuersatz von 21 % an, würde AWS einen Nettogewinn von etwa 17,7 Mrd. USD erzielen. Dabei stieg der Gewinn im 2. Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 28 %, wobei sich das Wachstum gegenüber den Vorquartalen verlangsamt hat.
Es gibt eine Diskussion darüber, wieviel AWS als unabhängiges Unternehmen wert wäre. Egal, wie die genauen Zahlen aussehen würden - man kann wohl behaupten, dass AWS mindestens die Hälfte der Bewertung unterstützt; ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 40x für 28 % Wachstum ist nicht unangemessen, selbst in einem Markt, der weniger aggressiv ist als noch vor sechs Monaten.
AWS ist unbestritten eins der besten Unternehmen der Welt. Dabei muss man bedenken, dass das Unternehmen einen dominanten Marktanteil behält, während es mit Alphabet (NASDAQ:GOOGL) und Microsoft (NASDAQ:MSFT), zwei der besten Anbieter auf dem Markt, im Wettbewerb steht.
Die zweite Kennzahl betrifft das Werbegeschäft von Amazon: Im zweiten Quartal erwirtschaftete Amazon 8,7 Mrd. Dollar an Werbeeinnahmen. In den letzten 12 Monaten beliefen sich die Werbeeinnahmen auf insgesamt 34 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Diese Zahl ist fast dreimal so hoch wie der Gesamtumsatz von Twitter (NYSE:TWTR), Snap (NYSE:SNAP) und Pinterest (NYSE:PINS) zusammen.
Amazon ist ein Werbegigant. Und während der Markt für Online-Anzeigen zu stagnieren scheint, stiegen die Einnahmen von Amazon im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um satte 18 %.
Und schließlich ist da noch die Einnahmequelle der Abonnements. Diese Einnahmen, hauptsächlich aus Prime-Abonnements, beliefen sich in den letzten vier Quartalen auf insgesamt 33 Mrd. USD.
Es handelt sich hier um drei große Unternehmen - und wir haben noch nicht einmal über das eigentliche E-Commerce-Geschäft gesprochen.
Diese drei Kennzahlen haben einige Anleger dazu veranlasst, insbesondere nach dem Ausverkauf von AMZN in diesem Frühjahr, zu argumentieren, dass das Einzelhandelsgeschäft "kostenlos" ist. Bei einem 50-fachen Gewinnmultiplikator für AWS und einem 10-fachen Umsatzmultiplikator für Werbung und Prime ergibt sich ein Eigenkapitalwert von etwa 1,5 Billionen USD.
Dieses Argument ist vielleicht etwas zu simplistisch. Sowohl Prime als auch die Werbeeinnahmen sind in den Segmenten Nordamerika und International von Amazon enthalten. Selbst mit diesen Umsätzen war keines der beiden Segmente in den letzten vier Quartalen profitabel. Der Wettbewerb im Cloud-Infrastrukturgeschäft birgt das Risiko geringerer Gewinnspannen und einer niedrigeren Bewertung von AWS.
Insgesamt ist das Bild aber stimmig. Die einzelnen Unternehmensteile von Amazon haben ganz offensichtlich einen realen Wert. Was diesen Wert auf konsolidierter Basis verschleiert, ist die Tatsache, dass das Unternehmen weiterhin stark in das Geschäft investiert. Ob Inhalte für Prime Video, die Umstellung auf eintägigen Versand oder der massive (und teure) Aufbau eines erstklassigen Fulfillment-Geschäfts - Amazon erwirtschaftet nicht die Gewinne, die es erzielen könnte.
Und das ist eine gute Sache. Die AMZN-Aktie ist eine der großen Erfolgsgeschichten des Marktes, weil das Unternehmen seine Gewinne erfolgreich in das Geschäft reinvestiert hat. Das wiederum hat zu AWS und mehr als 200 Millionen Prime-Abonnenten geführt - und, nebenbei bemerkt, zu einem offensichtlich wertvollen E-Commerce-Geschäft.
Das Umsatzwachstum von Amazon im Bereich E-Commerce hat sich tatsächlich verlangsamt. Aber schwierige Vergleiche wegen der Corona-Pandemie sind hier ein wichtiger Faktor. Und es ist erwähnenswert, dass das gesamte Einzelhandelsgeschäft gerade eine massive Verlangsamung erlebt. Tatsächlich haben zwei der besten "Omnichannel"-Einzelhändler in den USA, Walmart (NYSE:WMT) und Target (NYSE:TGT) gerade katastrophale Quartalszahlen vorgelegt.
Von außen betrachtet ist es unmöglich, genau zu bestimmen, wie viel Amazon investiert und wie viel Gewinn das Unternehmen erwirtschaften könnte, wenn es sich ausschließlich auf die Erzielung kurzfristiger Gewinne konzentrieren würde. Wir verfügen jedoch über eine ganze Reihe von Daten, die darauf hindeuten, dass es sich um eine große Zahl handeln könnte. Amazon hat das beste Cloud-Geschäft, eines der besten Abonnement-Geschäfte und, wenn die Ergebnisse des zweiten Quartals ein Hinweis darauf sind, vielleicht das beste E-Commerce-Geschäft.
Das ist es, wofür die Investoren zahlen. Deshalb wird Amazon auch mit 1,4 Bio. USD bewertet. Aktienanleger kaufen nicht immer nur Fundamentaldaten. Sie kaufen die Geschäftsidee und -vision. Amazon ist und bleibt eins der besten der Welt.
Offenlegung: Vince Martin hält zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels keine Positionen in hier besprochenen Wertpapieren.
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