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Birkenstock: IPO mit Signalwirkung

Veröffentlicht am 10.10.2023, 15:41
BIRK
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Wenn Birkenstock (NYSE:BIRK) morgen auf das Parkett der New Yorker Börse kommt, wird die Aufmerksamkeit gerade auch in Deutschland groß sein. Zum einen bereiten sich die Anleger auf einen der größten Börsengänge des Jahres vor. Zum anderen ist Birkenstock immerhin ein deutsches Traditionsunternehmen und damit sowas wie ein Nationalerbe: 1774 in einem hessischen Dorf gegründet und dem Schuhmacherhandwerk fast zweieinhalb Jahrhunderte treu geblieben – viel mehr Mittelstand geht nicht. So geht vom Birkenstock-Börsengang ein Signal aus: Es gibt durchaus noch deutsche Unternehmen, die aus der Old Economy stammen und international für Furore sorgen.

Birkenstock ist berühmt für seine patentierte natürliche Einlegesohle, die sich an den Fuß anpasst. Dank dieser Sohle kann das Unternehmen die Kampagne „Das bequemste und gesündeste Schuhwerk der Welt“ erfolgreich umsetzen. Nicht umsonst hat der Weltkonzern LVMH (EPA:LVMH) über den Fonds L Catterton im Jahr 2021 eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen erworben.

Viele stellen sich angesichts der nervösen allgemeinen Marktlage die Frage nach dem Zeitpunkt des IPOs. Doch gibt es durchaus Argumente, die dafürsprechen: Birkenstock ist gerade im Kino-Blockbuster Barbie aufgetaucht, hat damit den bisherigen Höhepunkt seiner weltweiten Wahrnehmung erreicht. Wann also sollte der Zeitpunkt eines IPOs für ein Unternehmen günstiger sein?

Als Anleger sollte man zwar kein cleveres Product Placement als Ratgeber für seine Anlageentscheidungen bemühen, der Auftritt im Hollywood-Kino zeigt aber vor allem eines: Die Marke Birkenstock schafft es bisher wunderbar, sowohl die traditionellen Käufer, die ursprünglich in der Öko-Bewegung zu verorten waren, als mittlerweile auch die Hipster und Luxuskäufer zu begeistern. Grundsätzlich scheinen die Verbraucher in den entwickelten Märkten, in denen Birkenstock derzeit erhältlich ist, immer noch bereit zu sein, für Qualitätsschuhe, die den Komfort des täglichen Lebens und die Gesundheit verbessern, zu viel zu bezahlen. Niemand bestreitet also die Tatsache, dass das Unternehmen ein großartiges Produkt hat – seine Börsenbewertung könnte jedoch eine davon weitgehend unabhängige Geschichte werden.

Die größere Vorsicht der Märkte angesichts der Sorgen über den Zustand der Weltwirtschaft und die zunehmende Bedrohung der Verbraucher im Umfeld höherer Zinssätze hinderte die Anleger nicht daran, die Bewertung des deutschen Herstellers der „bequemsten Schuhe der Welt“ auf rund 10 Mrd. US-Dollar zu veranschlagen. Dann kann das Unternehmen bis zu 1,6 Mrd. Dollar an zusätzlichen Mitteln zur Finanzierung der weiteren Expansion erhalten. Betrachtet man die größten deutschen Schuhhersteller, so ist dies fast zwei Mrd. Dollar mehr als die Bewertung von Puma (ETR:PUMG), aber immer noch dreimal weniger als die von Adidas (ETR:ADSGN).

Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass das Unternehmen eine Bewertung anstrebt, die für einige Luxusmarken typisch ist, die über zweierlei verfügen: Wettbewerbsvorteile und ein Produkt, das hohe Gewinnspannen erwirtschaftet und sich auch in wirtschaftlich schwächeren Zeiten einer zumindest zufriedenstellenden Nachfrage erfreut. Birkenstock scheint eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen, die zu einer weiteren globalen Expansion führen könnten. Langfristig sind die Aussichten des Unternehmens ermutigend, kurzfristig kann die Bewertung jedoch stark schwanken.

Der Hauch von Luxus bei Birkenstock ist nicht nur dem Anteil von LVMH an der Beteiligung geschuldet, sondern auch der Nominierung von Alexander Arnault, Sohn des Präsidenten der LVMH-Holding und einer der reichsten Menschen der Welt, in den Verwaltungsrat von Birkenstock. Financière Agache, das Büro der Familie Arnault, hat Interesse am Erwerb zusätzlicher Aktien im Wert von bis zu 325 Millionen Dollar (wahrscheinlich eine weitere Beteiligung von über drei Prozent) bekundet. Der norwegische Staatsfonds und Durable Capital Partners haben ebenfalls Interesse am Erwerb von Aktien im Wert von rund 300 Mio. US-Dollar bekundet.

Seit Mitte September ist Birkenstock das vierte große Unternehmen, das auf dem US-Markt debütiert. Die Aktien des Chipherstellers Arm verzeichneten einen Rückgang von 10 Prozent gegenüber dem IPO-Preis, Instacart (NASDAQ:CART) verlor über 20 Prozent und die Aktien des Marketingunternehmens Klaviyo (NYSE:KVYO) notieren unverändert gegenüber dem Preis am Debüttag. Sollte sich auch die Birkenstock-Aktie am Tag ihres Debüts als deutlich überbewertet erweisen, könnte die Risikoprämie als bescheiden angesehen werden und letztlich zu einer Abwertung führen, bis sich Nachfrage und Angebot auf einem Niveau stabilisieren, das mehr Raum für weiteres Wachstum bietet. Es ist auch zu bedenken, dass am Tag des Debüts die Spekulanten äußerst aktiv sein könnten – wenn die Stimmung am breiteren Aktienmarkt positiv ist, könnte es bei der Eröffnung zu einer Kaufeuphorie kommen. Ob die Anleger immer noch bereit, für Qualität zu viel zu bezahlen, werden wir morgen herausfinden.

Es gibt allerdings noch ein anderes Signal, das der Börsengang aussendet und das zu denken geben sollte: der Umstand, dass das IPO von Birkenstock ausgerechnet an der US-Börse stattfindet. Zwar hat vor einigen Jahren auch der Mainzer RNA-Impfstoff-Spezialist BioNtech (NASDAQ:BNTX) die Nasdaq für seinen Börsengang gewählt, statt diesen Schritt im Heimatland zu wagen – Mainz ist bekanntermaßen nicht weit von Deutschlands Börsen-Place-to-be Frankfurt entfernt. Doch dass für ein Biotech-Unternehmen die weltweite Technologiebörse Nummer eins eine gewisse Anziehungskraft hat, ist nachvollziehbar. Dass aber ein Unternehmen, dessen Wurzeln deutscher und bodenständiger kaum sein könnten, die Börse hierzulande ignoriert und stattdessen das Parkett im fernen New York anstrebt, ist auch ein Zeichen für die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Börsen- und Finanzstandorts Deutschland.

Aus der Sicht des Unternehmens ist es durchaus verständlich, bieten US-Börsen (ETR:SXR4) doch Bewertungsaufschläge gegenüber anderen Börsenplätzen, speziell denen in Deutschland. Die Ziele, die derzeit zur Bewertung kursieren, sind zwar ambitioniert angesichts eines jüngsten Halbjahresumsatzes von 644,2 Millionen Euro (1,24 Milliarden Euro im vergangenen vollen Geschäftsjahr). Doch angesichts des Hypes um die Marke, der Zugehörigkeit zum margenstarken Lifestyle-Segment und der Tatsache, dass es sich bei Birkenstock um kein Startup handelt, sondern ein solides und hochprofitables Unternehmen, ist diese Bewertung durchaus im Bereich des Möglichen – wohlgemerkt in den USA. Dort lässt sich auf einen Bewertungsaufschlag spekulieren, der an der Deutschen Börse (ETR:DB1Gn) aktuell nur schwer vorstellbar wäre. 

Der Birkenstock-Börsengang ist damit ein kleiner Lichtblick, aber keiner, der für eine übertrieben IPO-Euphorie in Deutschland sorgen würde. Zwar mag sich grundsätzlich das IPO-Klima gegenüber dem vergangenen, in punkto Börsengänge sehr enttäuschenden Jahr peu à peu bessern, aber das gilt eben momentan nur für die Börsen in den USA – eben weil jenseits des Atlantiks auch die Wirtschaft besser läuft. So bringt der dortige Inflation Reduction Act neben dem psychologischen Rückenwind dem Markt auch viel neues Kapital von fast 750 Milliarden Dollar, während in Deutschland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sowie der Neuaufstellung im Energiesektor vor 2024 oder 2025 keine nennenswerte Aufhellung zu erwarten ist. Entsprechend wird wohl auch der IPO-Sektor hierzulande erst 2024 oder 2025 wieder nachhaltige positive Tendenzen zeigen – und das auch in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der aktuellen Skepsis zurzeit einiges an Börsengängen verschoben und möglicherweise dann nachgeholt wird. Wie sehr sich dieser Bereich dann tatsächlich erholt, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der deutschen Regierung ab, die zwar jüngst einiges versprochen hat – Stichwort Deutschland-Tempo –, die aber auch zeigen muss, nicht nur dass sie das Land auf Geschwindigkeit bringen kann, sondern dass sie das auch in die richtige Richtung tut.

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