Von Robert Zach
Anleger sollten nun besser aufpassen und den Schutzhelm aufsetzen, denn es droht eine Entladung unter Schmerzen. Das glaubt zumindest die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs (NYSE:GS). Die einzige Frage sei nur, ob es schnell oder langsam passiert.
Jahrelang kannten die Börsen auf der ganzen Welt nur eine Richtung - aufwärts. Nun warnt aber Wall Streets größtes und renommiertestes Bankhaus vor dem Tag der Abrechnung.
„Wir nähern uns dem Ende der längsten Hausse für eine ausgewogene Portfolioaufteilung zwischen Aktien und Anleihen in mehr als einem Jahrhundert - getrieben von einem Goldlöckchen-Szenario aus starkem Wachstum ohne einen spürbaren Anstieg der Inflation. Ein 60/40 Portfolio ist seit der schweren Finanzkrise nie um mehr als 10 Prozent eingebrochen“, schrieb Christian Mueller-Glissmann - ein in London ansässiger Aktienstratege - in einem Kommentar am Mittwoch.
Gleichzeitig sei das durchschnittliche Bewertungsniveau bei Aktien, Anleihen und Krediten auf den höchsten Stand seit 1900 gestiegen, sagte er.
„Es ist selten der Fall, dass alle Assets gleichzeitig so teuer sind - historische Beispiele hierfür sind die 20er und 50er Jahre. Kurzfristig könnte sich das dynamische Wachstum durchaus fortsetzen und auch die Bewertungen könnten weiter durch die Decke gehen, aber unserer Meinung nach dürften sie zu einem Bremsklotz für Renditen mutieren“, schrieb er.
Deshalb gebe es nur zwei mögliche Szenarios, wie es in der Zukunft mit diesem Bullenmarkt weitergehen könnte:
Szenario 1 - 60/40 Deflation bei Renditen (weniger schmerzhaft): Aufgrund des stabilen wirtschaftlichen Umfelds bleiben die Renditen tief und die Bewertungen hoch. Jedoch dürften sich aus den steigenden Bewertungen weniger Gewinne ergeben - infolgedessen dürften die Renditen in allen Assets geringer ausfallen. Bei den Bewertungen könnte es indes zu einer schrittweisen Umkehr kommen. Schuld daran ist der Wegfall von QE, die höheren Laufzeitprämien und die Anleiherenditen. Die geringe Volatilität rund um das Makroumfeld könnte die Marktvolatilität verankern und so risikobereinigte Renditen erbringen.
Szenario 2 - 60/40 Drawdown (schnell aber schmerzhaft): Entweder gibt es einen Dämpfer bei der Wachstumsstory oder einen Inflations- bzw. Zinsschock oder gar eine Kombination aus beidem. Das sollte zu starken Verlusten in 60/40 Portfolios führen. Steigt die Inflation rasant dürfte das die Bewertungen der Assets belasten. Infolgedessen passen sich die Bewertungen an und kehren zu ihrem Mittelpunkt zurück.
Das erste Szenario ist laut Mueller-Glissmann wahrscheinlicher als der Beginn einer ausgeprägten Baisse, aber Investoren sollten sich trotzdem auf tiefere Renditen einstellen, da sich das Wachstum verlangsamt und die Inflation beschleunigt. Investoren sollten außerdem im Hinterkopf behalten, dass es einen sehr viel dramatischeren „Wachstumsschock“ braucht, damit die Zentralbanken auf den Pfad der ultralaxen Geldpolitik - die einer der Gründe für die Hausse bei Aktien ist/war - zurückkehren.
„Anleger sollten die Duration reduzieren und bei Szenario 1 die Aktienquote erhöhen. Das Risiko kurzfristiger Rücksetzer bei Aktien sollte abgesichert werden“, empfiehlt der Stratege.
Seine Sichtweise ist wesentlich pessimistischer als die optimistische Prognose seines Kollegen David Kostin, der letzte Woche vorhersagte, dass der Aktienmarkt seine Stärkeentwicklung angesichts der „Ausgelassenheit der Anleger“ in den nächsten drei Jahren fortsetzen dürfte. Das Gewinnwachstum rechtfertige sowohl die hohen Kurse als auch die Bewertungen, schrieb er in einem Kommentar,
„Der Aktienmarkt ist historisch gesehen sicherlich nicht mehr günstig, aber angesichts der hohen Rentabilität der Unternehmen erscheint dies gerechtfertigt zu sein“, sagte Kostin, der den S&P 500 Ende 2018 bei 2.900 Punkten sieht.