Die Börsen bekamen es zu Wochenbeginn mit stark steigenden Ölpreisen zu tun. Denn am Sonntag hatte die OPEC angekündigt, die Öl-Produktion massiv zu drosseln. Ab Mai sollen täglich 1,15 Million Barrel (je 159 Liter) weniger gefördert werden. Allein Saudi-Arabien plant nach eigenen Angaben eine Förderkürzung von 500.000 Barrel pro Tag. Das saudi-arabische Energieministerium teilte dazu mit, die Maßnahme ziele darauf ab, den Ölmarkt zu stabilisieren. Andere Mitglieder wie Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Algerien folgen dem Beispiel, während Russland seine Produktionskürzung bis Ende 2023 fortsetzen will, die im März in Kraft getreten war und eigentlich Ende Juni auslaufen sollte, so Medienberichte.
OPEC reagiert auf neuerlichen Ölpreisverfall
Offensichtlich war es den insgesamt 23 ölfördernden Staaten der OPEC+ ein Dorn im Auge, dass die Ölpreise Mitte März aus einer mehrmonatigen Seitwärtsrange (gelbes Rechteck im folgenden Chart) nach unten herausgefallen und dynamisch auf ein neues Tief in ihrer übergeordneten Abwärtsbewegung gerutscht waren, wie der Chart der Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) zeigt.
Denn mit der Seitwärtsrange (gelbes Rechteck) bewegten sich die Notierungen entlang des langjährigen Durchschnittspreises. Damit konnten sicherlich die meisten Länder recht gut leben. Doch mit dem Ausbruch nach unten wurde wieder der Kursbereich von ca. 60 bis 65 USD angesteuert (gelber Balken), den ich in der Vergangenheit eine Zeitlang als Zielpreis oder auch Zielbereich genannt hatte, unter anderem schon in der Börse-Intern-Ausgabe vom 09.12.2020.
Bis kurz vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurde dieser Preisbereich seit der damaligen Analyse auch noch mehrfach angelaufen. Mit Beginn des Krieges schossen die Öl-Notierungen dann ein halbes Jahr lang durch die Decke, nur um jetzt im Tief wieder exakt das genannte Preisband zu erreichen.
Doch mit dem aktuellen Rutsch auf nur noch 64,1 USD notierte der Ölpreis der Sorte WTI am 20. März so niedrig wie zuletzt am 2. Dezember 2021. Und bei diesem Preisniveau können einzelne Länder der OPEC+ ihren kostbaren Rohstoff nicht mehr mit ausreichenden Gewinnmargen verkaufen. Einerseits war ich daher mit meinen Preiserwartungen etwas von dem Zielpreis bzw. Zielbereich abgerückt und hatte mich stattdessen zum langjährigen Durchschnittspreis orientiert. Und andererseits ist die aktuelle Maßnahme zur Fördermengenbegrenzung angesichts des jüngsten Preisverfalls daher durchaus nachvollziehbar.
Ölpreis war bereits wieder zum Durchschnittspreis zurückgekehrt
Allerdings hatten sich die Ölpreise von ihren jüngsten Tiefs schon erholt und waren bis zum Schlusskurs am vergangenen Freitag bereits wieder in die nach unten verlassene Seitwärtsrange zurückgekehrt. Nun drohen sie mit dem aktuellen Kurssprung von mehr als 7 %, der durch die Förderkürzung ausgelöst wurde, sogar nach oben auszubrechen. Und das könnte die Inflationssorgen erneut anheizen, da damit der Basiseffekt verloren gehen könnte, der jüngst erst die Inflation durch sinkende Energiepreise nach unten gezogen hat (siehe auch „Inflation ist und bleibt trotz Basiseffekts deutlich zu hoch“).
Auf über 93,5 USD sollte der Ölpreis nicht steigen
Man muss also nun die Ölpreise wieder verstärkt im Auge behalten. Solange die Marke von 93,5 USD nicht erreicht wird, zieht der Basiseffekt die Inflation weiterhin nach unten. Denn vor einem Jahr notierte der Ölpreis oberhalb dieses Niveaus. Solange die aktuellen Preise darunter liegen, sind sie im Jahresvergleich also gesunken. Ab August reichen allerdings auch schon Notierungen von mehr als 85 USD aus, um diesen Basiseffekt verschwinden zu lassen. Wenn diese Marken erreicht werden, könnten dies die Zinssorgen somit schon wieder entfachen und die Aktienmärkte mit Kursverlusten reagieren.
Sollten sich die Ölpreise stattdessen im Bereich der mehrmonatigen Seitwärtsrange und somit am langjährigen Durchschnittspreis stabilisieren und einpendeln, dürfte dies kaum einen erkennbaren Einfluss auf die Aktienkurse haben.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus