Gestern hat die Federal Reserve überraschend das 2 Billionen Dollar schwere Kreditprogramm um weitere drei Monate bis Ende des Jahres verlängert. Laut der Zentralbank sei dies ein notwendig Schritt gewesen, "Gewissheit zu schaffen, dass die Fazilitäten weiterhin zur Verfügung stehen werden, um der Wirtschaft bei der Erholung zu helfen". Doch in Wirklichkeit macht sie sich Sorgen um die Wirtschaft und ist der Ansicht, dass mehr Unternehmen diese Lebensader anzapfen müssen. Diese Maßnahmen senden ein starkes Signal an die Investoren, dass der Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) heute einen eher vorsichtigen Ton anschlagen dürfte. Wir erwarten keine geldpolitischen Änderungen, aber angesichts des Auslaufens der zusätzlichen Arbeitslosenunterstützung und des Anstiegs der COVID-19-Fälle wird die Zentralbank die seit Juni eingetretene Erholung der Wirtschaft hinterfragen müssen.
Die nachstehende Tabelle veranschaulicht die breit angelegte Belebung der US-Wirtschaft seit der letzten Fed-Sitzung. Hätten sich die Virenfälle im vergangenen Monat ohne nennenswerte Anstiege stabilisiert, würde die Fed von einer sich beschleunigenden Erholung sprechen und feststellen, dass das Schlimmste überstanden ist. Bedauerlicherweise ist dies derzeit nicht der Fall, und stattdessen sind die beiden größten Bedrohungen für die US-Wirtschaft Dinge, auf die die US-Notenbank keinen Einfluss hat - die schnelle Ausbreitung des Coronavirus in den USA und die fiskalische Reaktion der Regierung.
Vor einigen Wochen warnte der Vorsitzende Jerome Powell die Abgeordneten davor, angesichts der nach wie vor außerordentlich unsicheren Wirtschaftslage in den USA in Selbstgefälligkeit zu verfallen. Seitdem haben sich die Aussichten verschlechtert, zusätzliche Gelder sind ausgelaufen und die Pakete, die der Kongress diskutiert, werden wohl nicht überzeugen. Aus all diesen Gründen erwarten wir von der US-Notenbank nichts anderes als einen Taubenschlag und das Versprechen, die Geldpolitik auf absehbare Zeit akkommodierend zu gestalten. Letzten Monat hieß es, die Zinsen würden bis mindestens 2022 bei nahe Null bleiben.
Der US-Dollar ist bereits im Vorfeld der Zinsentscheidung der Fed massiv gefallen, wenn auch überwiegend nur gegenüber den G7-Währungen. Auch die Renditen sind eingebrochen, was uns zeigt, dass sich die Anleger für einen Taubenschlag positionieren. Wie sich der Dollar heute entwickeln wird, hängt in erster Linie von Powells Tonfall auf seiner Pressekonferenz ab. Noch im Juni betonte er, dass eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich sei, doch angesichts der rapide ansteigenden Virusfälle dürfte sich sein Ausblick sicherlich ändern. Da der Markt jedoch ohnehin eine vorsichtig agierende Notenbank erwartet, werden wir nach der FOMC-Sitzung möglicherweise keine große Dollar-Bewegung erleben - es sei denn, die Zentralbank erwähnt, dass Minuszinsen wieder auf dem Tisch liegen, was den US-Dollar weiter nach unten drücken dürfte.