Erleichterung gibt es in vielen Formen, und die Erleichterungsrallye der letzten Woche nach der Vorlage des Protokolls der Fed-Sitzung von Anfang Mai spiegelte einmal mehr die Kurzsichtigkeit der Marktteilnehmer wider, die mit Schlimmerem gerechnet hatten.
Aus dem Notenbankprotokoll ging hervor, dass die Zentralbanker flexibel bei der Gestaltung ihrer zukünftigen Geldpolitik bleiben wollen. Einige Mitglieder deuteten sogar an, dass der Offenmarktausschuss seine geplante restriktive Haltung noch in diesem Jahr anpassen könnte.
Der Chef der Atlanta Fed, Raphael Bostic, gehört zu jenen, die bereits heute zur Vorsicht mahnen, und deutete letzte Woche an, dass eine "Pause" in Sachen Zinserhöhungen ab September angebracht sein könnte. Selbst Feuerwehrautos schalten an Straßenkreuzungen einen Gang runter, sagte er in einer bildreichen Metapher.
Treu ergebene Fed-Beobachter verbreiteten jüngst noch Schlagzeilen über die ach so große Entschlossenheit der Notenbanker, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Für diese Journalisten brachte das Protokoll jedoch alles andere als Erleichterung, sondern nur die Hoffnung, dass ihre Wünsche vielleicht irgendwann in Erfüllung gehen.
Fed-Chef Jerome Powell selbst erklärte die Bekämpfung der Inflation zur obersten Priorität und kündigte aggressive Maßnahmen der Zentralbank an. Anfang Mai sagte er:
"Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Inflation sehr nuanciert zu messen. Wir müssen sehen, dass die Inflation auf überzeugende Weise zurückgeht. Solange das nicht der Fall ist, werden wir weitermachen."
Der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben per April sorgte neben dem FOMC-Protokoll für zusätzliche Erleichterung: der Anstieg belief sich im Jahresvergleich auf 4,9 %, nach 5,2 % im März.
Der PCE-Kernindex, der von den US-Notenbankern zur Bestimmung des Inflationsdrucks herangezogen wird, lässt die Lebensmittel- und Energiepreise praktischerweise unberücksichtigt, da diese volatilen Preiskomponenten nach der Logik der Ökonomen keinen Aufschluss darüber geben, wohin die Inflation wirklich geht.
Man muss jedoch schon recht optimistisch sein, um zu glauben, dass sich die Inflation deutlich abschwächen wird, sei es als Reaktion auf die Maßnahmen der Fed oder aus irgendeinem anderen Grund, und unabhängig davon, wie man sie misst.
Ein extrem angespannter Arbeitsmarkt, steigende Energie- und Lebensmittelpreise und anhaltende Störungen in der Versorgungskette deuten auf eine monatelang anhaltende hohe Inflation hin.
Dr. Doom zum Beispiel ist nicht gerade optimistisch. Nouriel Roubini, der seinen Spitznamen 2006 wegen seines Pessimismus in Bezug auf den US-Immobilienmarkt erhielt, ist ebenfalls skeptisch, was die Chancen für die von Powell und Co. angepriesene sanfte Landung in der aktuellen Situation angeht. In einem Artikel für Project Syndicate schrieb Roubini letzte Woche:
"Das erforderliche Maß an geldpolitischer Straffung wird unweigerlich zu einer harten Landung in Form einer Rezession und höherer Arbeitslosigkeit führen. Das Szenario einer sanften Landung erscheint daher wie Wunschdenken."
Ein Szenario, das Roubini für wahrscheinlich hält, ist, dass die Zentralbanker "kneifen", sobald sie sehen, wie kostspielig es ist, die Inflation tatsächlich zu senken. In einem solchen Szenario wäre das Ergebnis eine Stagflation - eine Rezession mit hoher Inflation und nicht verankerten Inflationserwartungen.
Divergierender geldpolitischer Pfad der EZB
Die Europäische Zentralbank deutete unterdessen eine deutliche Abweichung vom politischen Kurs der Fed an, indem sie ankündigte, sie werde erst im nächsten Jahr mit dem Abbau ihres Anleiheportfolios beginnen.
Diese Aussage stammt von keinem Geringeren als Klaas Knot, dem obersten Chef der niederländischen Zentralbank. Dieser sagte letzte Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos:
"Das bedeutet, dass wir noch für einige Zeit eine große Bilanz haben werden."
Die Zentralbank des Euroraums ist in der hybriden Natur der Union gefangen. Es gibt eine Gemeinschaftswährung und eine einheitliche Geldpolitik, aber 19 Regierungen, die Staatsanleihen ausgeben.
Sie alle haben während der Pandemie viele Anleihen verkauft, und die EZB hat die meisten davon gekauft. Diese Art von Akkomodierung kann die Zentralbank nicht ohne Weiteres beseitigen, ohne Probleme für die schwächeren Mitglieder der Staatengemeinschaft zu verursachen.
Die italienische Staatsverschuldung beispielsweise liegt jetzt bei 150 % des BIP. Die EU hat die "fiktive" Obergrenze von 60 % das dritte Jahr in Folge ausgesetzt, weil sie einfach nicht zu erreichen ist.
Damit ist der Handlungsspielraum der EZB auf Zinserhöhungen beschränkt, und Knot gehört zu denjenigen, die eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt im Juli befürworten. Damit steht er aber fast alleine da, denn der Konsens sieht eher eine Anhebung um einen Viertelpunkt im Juli, September und Dezember vor.
Zwar wurde die Inflationsrate in der Eurozone für April von 7,5 % auf 7,4 % nach unten korrigiert, doch erwarten Ökonomen für Mai mit 7,7 % einen neuen Rekordwert, der den Handlungsdruck auf die EZB unweigerlich erhöhen wird.