Die US-Notenbanker sind anscheinend endlich aufgewacht, zumindest wenn es um die Inflation geht, nachdem sie monatelang behauptet hatten, sie sei nur vorübergehender Natur. Doch das könnte zu spät sein.
Fed-Chef Jerome Powell bezeichnete die Inflation als "ernste Bedrohung" für die wirtschaftliche Erholung, als er am Dienstag bei seiner Bestätigungsanhörung für eine zweite Amtszeit mit vielen Fragen konfrontiert wurde. Nachdem er lange Zeit behauptet hatte, die Fed müsse ihre lockere Geldpolitik zur Unterstützung des Aufschwungs beibehalten, sagt er nun, die Wirtschaft benötige keine Notfallprogramme mehr.
Fed-Gouverneurin Lael Brainard, die am Donnerstag vor dem Bankenausschuss des Senats zu ihrer Bestätigung als stellvertretende Vorsitzende auftrat, sagte:
"Wir haben ein mächtiges Instrument", um die Inflation einzudämmen, nämlich höhere Leitzinsen. Nachdem sie sich jahrelang gegen eine Straffung der Geldpolitik gewehrt hatte, erklärte Brainard vor dem Ausschuss, dass die Bekämpfung der Inflation nun die "wichtigste Aufgabe" der Fed sei.
Powell verpasst den Ausstieg
Und auch Powell hat betont, dass die Fed genau wisse, wie sie die Inflation eindämmen könne, und dass sie ihre Instrumente im Bedarfsfall auch dazu einsetzen werde.
Aber die Skepsis wächst, dass eine Zinsanhebung zur Eindämmung der Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreicht, um die durch ein unzureichendes Angebot an Arbeitskräften und anderen Materialien ausgelöste Inflation zu bekämpfen. Schließlich ist der Schaden an der Nachfragefront durch die Aufblähung der Geldmenge und die Flutung der Verbraucher mit Hilfe von Pandemieprogrammen bereits angerichtet.
Powell ist aber nach wie vor nicht bereit, die umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen zu reduzieren. So erklärte er gegenüber den Senatoren, dass die Fed seiner Meinung nach ihre aufgeblasene Bilanz beibehalten und erst "später" im Jahr mit dem Abbau ihrer Anleihebestände beginnen könne. Selbst wenn die Fed ihre Bestände nicht mehr durch neue Anleihekäufe aufstockt, wird sie weiterhin fällig werdende Anleihen in das fast 9 Billionen Dollar schwere Portfolio reinvestieren.
Richard Shelby, ein republikanischer Senator aus Alabama, der jahrelang den Vorsitz im Bankenausschuss innehatte, sagte, die Fed habe "den Ausstieg verpasst" und hätte viel früher Maßnahmen gegen die Inflation ergreifen müssen. Er fügte hinzu, dass die Fed seiner Ansicht nach durch Powells Zögern "viel an Glaubwürdigkeit verloren hat".
In einem wahrhaftigen Chor von Reden und Interviews bekräftigten Powell und Brainard sowie andere Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) ihre Bereitschaft, die Geldpolitik in diesem Jahr zu straffen, um der Wirtschaft eine so genannte "weiche Landung" zu ermöglichen - also eine Zügelung der Inflation ohne ein Abgleiten der US-Wirtschaft in eine Rezession.
So sagte zum Beispiel der hawkishe Chef der St. Louis Fed, James Bullard, in einem Interview, er glaube, dass das FOMC aggressiv vorgehen müsse, um die Inflation zu bekämpfen. Vier Zinserhöhungen in diesem Jahr seien ihm zufolge nötig, angefangen im März.
Die Präsidentin der Kansas City Fed, Esther George, plädierte dafür, dass die Zentralbank ihre Anleihebestände viel schneller verkleinern sollte, und zwar noch während sie die Zinsen erhöht.
Ökonomen in aller Welt glauben aber, dass die Inflation noch viele Monate anhalten wird. Schließlich ist die Krise in der Lieferkette noch längst nicht überwunden, und auch der Arbeitskräftemangel, der sich in weiteren Lohnsteigerungen bemerkbar macht, dürfte die Teuerung hoch halten.
Der frühere Chef der New Yorker Fed, William Dudley, sagte letzte Woche, dass die Fed unter Powell vier entscheidende Fehler gemacht habe: Sie habe die Geldpolitik so geändert, dass ein Überschreiten des Inflationsziels von 2 % erst dann möglich war, als die Wirtschaft bereits überhitzt war, sie habe die Stärke am Arbeitsmarkt falsch eingeschätzt, sie habe die Inflation als vorübergehend interpretiert und sie habe aus Angst vor einem weiteren Taper Tantrum die Anleihekäufe nicht reduziert.
"Ich denke, das Problem ist im Moment, dass die Märkte sie (die Fed) nicht ernst genug nehmen", so Dudley in einem Kommentar für Bloomberg.
Nominierte Fed-Vorstandsmitglieder melden sich zu Wort
Die von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagenen Kandidaten für den Gouverneursrat der US-Notenbank dürften bei den Marktteilnehmern nicht gerade den Eindruck erwecken, als ob die Zentralbank die Inflation ganz oben auf ihrer Prioritätenliste hat.
Sarah Bloom Raskin, die für den stellvertretenden Vorsitz im Bereich Regulierung nominiert ist, hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie der Meinung ist, die Fed solle die Banken dazu drängen, ihr Kapital im Einklang mit der Reduzierung der Kohlenstoffemissionen einzusetzen.
Der republikanische Senator Pat Toomey aus Pennsylvania hat sich offen gegen Interventionen der Zentralbank im Bereich des Klimas ausgesprochen, da dies nicht zum Mandat der Fed gehöre. Letzte Woche sagte er, dass er aus diesem Grund "ernsthafte Bedenken" gegen Raskins Nominierung habe.
Die beiden anderen Kandidaten für den Vorstand, die Akademiker Lisa Cook und Philip Jefferson, bringen zwar eine überfällige Perspektive einer Minderheit in die Überlegungen der Fed ein, waren in der Vergangenheit aber überwiegend am Institut für Diversität der Minneapolis Fed tätig. Auch hier sprach sich Toomey dagegen aus, dass die Regionalbank den Schwerpunkt auf die Diversität legt, da dies ebenfalls über den Aufgabenbereich der Fed hinausgehe.
Toomey und Shelby dürften die Bemühungen um eine Neuausrichtung der Fed zwar nicht vereiteln, doch ihre Bedenken teilen möglicherweise die Investoren, die es begrüßen würden, wenn die Fed ihren Fokus auf die wirklich wichtigen Themen legen würde.